Hagen-Kabel. Ehrenamtliche im Norden von Hagen organisieren für Mütter und ihre Kinder ein Frühstück. Flüchtlinge sollen so möglichst schnell zu Hagenern werden.

  • Caritas organisiert Angebot im Hagener Norden.
  • Unbeschwerte Augenblicke für Menschen aus Kriegsgebieten.
  • Fünf Frauen entscheiden sich für ehrenamtliches Engagement.

Mariam tanzt. Gut, tanzen ist vielleicht zu weit gegriffen. Aber ihr kleiner Körper will das, was in ihm vorgeht, zeigen. Sie ist voller Freude. Die bunten Plastikperlen am Ende ihrer Filzlocken fliegen durch die Luft. Sie klatscht, sie lächelt, ach was, sie grinst über das ganze Gesicht, und sie zieht andere Kinder an deren Pullovern in den Kreis.

Für das, was Mariam in diesem Moment erleben darf, stehen Menschen. Menschen wie Sigrid Krug. Wie Gamze Sener. Wie Elisabeth Adamus, Julia Boelke und Edeltraud Roehricht-Mack. Menschen, die mit etwas Wertvollem und Kostbaren dazu beitragen, dass Fremde mit jedem Besuch hier ein Stückchen mehr zu Hagenern werden: mit ihrer Zeit. Fünf Frauen, die alle plötzlich diesen einen Satz im Kopf hatten: „Ich muss etwas tun.“

Flucht vor der Haustür

Da war immer dieses schlechte Gewissen in Gamze Sener. Verrückt sei das, immerhin sei Flucht und Vertreibung nicht Tausende Meilen weit entfernt, sondern spiele sich genau vor unserer Haustür ab. Als sie einige Videos im Internet sah, von Menschen die über halbe Kontinente laufen, um den Schrecken in ihrer Heimat zu entfliehen, da sagte sie sich: „Nein, jetzt ist Schluss. Morgen früh gehe ich los und helfe.“

Von der Caritas organisierter Treff

Das Mutter-Kind-Frühstück in den Räumlichkeiten der Petrus-Gemeinde in der Krambergstraße in Kabel ist ein von der Caritas organisierter Treff.

Neben Leiterin Martina Johna helfen die genannten Damen ehrenamtlich und regelmäßig bei der Organisation und dabei, Fremde zu Hagenern zu machen.

Und so sitzt die 23-jährige Studentin in der Krambergstraße in Kabel plötzlich in einem bunten Kreis. Zwei Plätze neben ihr eine Mutter aus Bangladesch, gegenüber eine kleine Gruppe geschwätziger Syrerinnen, am anderen Ende des Tisches eine Dame aus Eritrea, daneben eine aus dem Kosovo. Nigeria ist auch vertreten. Außerdem Ghana. Die Mütter zusammensitzen zu sehen, ist schon ein vielfältiges Vergnügen. Noch viel amüsanter ist, wie ihre kleinen Kinder – manche können gerade erst laufen – miteinander spielen.

Ein eineinhalbstündiger Augenblick

Nur zu sagen, dass das hier ein Mutter-Kind-Frühstück für Flüchtlinge ist, wird dieser Runde nicht gerecht. Nein, es ist ein etwa eineinhalbstündiger Augenblick. Der Unbeschwertheit, der Fröhlichkeit und ein bisschen auch des Vergessens.

Flüchtlingskinder verbringen im Gemeindezentrum ein paar unbeschwerte Stunden.
Flüchtlingskinder verbringen im Gemeindezentrum ein paar unbeschwerte Stunden. © WP Michael Kleinrensing

„Ich kann gar nicht genau beschreiben, was für ein Gefühl ich habe, wenn ich nach dem Frühstück nach Hause gehe“, sagt Sigrid Krug, ebenfalls Ehrenamtliche hier, „ich hoffe einfach nur, dass die Flüchtlinge eine gute Zeit haben.“ Viele der Frauen sind schon länger hier. Manche sprechen schon sehr brauchbar Deutsch. Kommunziert wird über die Tische aber vor allem mit einer Sprache: mit der des Lächelns.

Viele dieser Damen, die in von der Kommune bereitgestellten Wohnungen leben, haben Dinge erlebt, die man sich hierzulande nur schwer vorstellen kann. Zu einem Thema wird das in der allwöchentlichen Frühstücksrunde nicht. „Einerseits gibt es große Sprachbarrieren, andererseits ist das nicht unbedingt der Ort, wo man das bespricht“, sagt Sigrid Krug. Auch wenn sie sich sicher ist, dass man sich noch viel näher kommen würde, wenn die sprachlichen Hürden nicht so groß wären.

Zeit ist ein knappes Gut

„Man ist schnell geneigt, ehrenamtlich noch mehr zu machen“, sagen Gamze Sener und Sigrid Krug. Aber Zeit ist eben auch ein knappes Gut. Dabei stehen der Aufwand und das Ergebnis in einem wunderbar ungleichen Verhältnis. Denn das ehrenamtliche Engagement von Krug, Sener und Co. schafft glückliche Momente und ein Gefühl der Geborgenheit. Einen verlässlichen Punkt in der Woche, an dem man sich öffnen kann, wenn man es will oder manchmal eben auch einfach nur dabei sitzen kann.

Mariam tanzt nicht mehr. Sie rennt jetzt mit einem Spielzeug immer um die große Essensrunde herum und versucht, alle anderen Kinder zum Mitspielen zu animieren. Wenn es so läuft, wie viele es sich an diesem Tisch wünschen, dann werden diese rennenden, tanzenden und rumalbernden Kinder eines Tages sagen, dass Deutschland ihr Zuhause ist. Sie werden keine Fremden sein, sondern Teil dieser Gesellschaft. Und wenn das so ist, dann wird das auch ein Verdienst von Sigrid Krug, Eilsabeth Adamus, Gamze Sener, Julia Boelke und Edeltraud Röhricht-Mack sein. Dann haben sie Fremde zu Hagenern gemacht.