Altenhagen. . In der Friedensstraße in Hagen und in weiteren Quartieren ärgern sich die Anwohner über das Verhalten von Zuwanderern aus Bulgarien und Rumänien.
Das Putzen, so sagt sie, habe sie aufgegeben. Das sei ein Kampf gegen Windmühlen. Einer, den sie nicht gewinnen könne. „Ich fege, und ich wische, und schon eine halbe Stunde später sieht es aus wie zuvor“, sagt die Mutter, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte, „dann liegen da wieder Zigarettenkippen, Brotkrümel und Spuckereste.“
Die Frau, nennen wir sie Fatma, ist so etwas wie der letzte Mohikaner. Sie ist die einzige, die noch geblieben ist, seit eines Tages die Autos mit den bulgarischen Kennzeichen an dem Mehrfamilienhaus in Altenhagen vorgefahren sind. Alle anderen Mieter sind längst ausgezogen. „Im Grunde ist das eine schöne Wohnung“, sagt sie, „ich will ja gar nicht weg. Aber das halte ich nicht mehr aus.“
Gestank im Haus
Der Gestank im Haus sei unerträglich geworden. Überall liege der Müll herum. Bis in die frühen Morgenstunden werde laute Musik abgespielt. „Schon zweimal ist mein Keller aufgebrochen worden“, sagt Fatma, „Fahrräder, wertvolle Teppiche – alles weg.“ Fatma ist die Letzte – zum 1. September ziehen auch sie und ihr Sohn (21) aus.
Beratungsstelle der Hagener Caritas hilft ausgegrenzten Roma
Akademikerin, Rumänien, der Liebe wegen nach Hagen gezogen. „Ich kam ja aus Bukarest, wurde in einer deutschen Familie aufgenommen. Und trotzdem war vieles so fremd.“
FlüchtlingeFremd ist nicht nur vieles, sondern eigentlich alles für die Menschen, die heute in die Beratungsstelle der Caritas zu Aurora Bauernfeind kommen. Roma – zu weit mehr als 90 Prozent. Nahezu alle aus einer bestimmten Region rund um die Stadt Galati im Westen des Landes. Aus einer Gegend, in der es Ecken gibt, die ans tiefste Mittelalter erinnern.
„Da, wo sie herkommen, lebten die Roma am Rande der Gesellschaft“, sagt Aurora Bauernfeind. Und da, wo sie hinkommen, werden sie nicht akzeptiert. Sie stranden in Hagen. Sie sprechen oft kein Wort Deutsch. Eine Ausbildung haben die meisten nicht, dafür aber die Hoffnung auf eine bessere Zukunft für sich und ihre Kinder.
Probleme vor Ort lösen
„Natürlich gibt es Probleme“, sagt Tatjana Flatt, Fachbereichsleiterin Soziale Dienste, „aber wir überlegen, wie man diese Probleme vor Ort lösen kann.“ Mit Geduld, mit Beratung und mit Information. „Wenn wir Veranstaltungen zum Thema Arbeitsmarkt, Gesundheit oder Schulsystem anbieten, dann kommen jedes Mal mehr als 30 Menschen.“
Der Zulauf ist enorm. Was auch Aurora Bauernfeind, die auf einer halben Stelle arbeitet, an ihre Grenzen bringt. Denn die Caritas und ihre Mitarbeiter stehen in einer gewissen Konkurrenz. Zu jenen, für die das Einschleusen von Migranten ein lukratives Geschäftsmodell ist. „Es wird gern von einer Einwanderung in unsere Sozialsysteme gesprochen“, sagt Susanne Kaiser, „aber viele dieser Menschen sind Opfer.“
Schlepper kassieren bis zu 5000 Euro
Im Rumänien verkaufen sie ihre Immobilien, zahlen bis zu 5000 Euro pro Person an Schlepper, die ihnen versprechen, die Ausreise zu organisieren und ihnen Wohnungen und Arbeit zu besorgen. In Deutschland erhalten sie Papiere, die ihnen einen Mini-Job bescheinigen, für den sie zum Teil den ganzen Tag arbeiten müssen. Das ist Voraussetzung für den Bezug von sozialen Leistungen. Den großen Teil des Geldes, den sie so bekommen, kassieren Schlepper und Vermieter. „Wir kennen Fälle, in denen 500 Euro pro Monat für eine Matratze gezahlt wurden“, sagt Susanne Kaiser.
„Ich stehe ja bestimmt nicht im Verdacht, ausländerfeindlich zu sein“, sagt sie, „ich bin ja selbst Ausländerin. Aber man muss sich doch anpassen. Das war vor 40 Jahren so, als ich aus der Türkei hierher gekommen bin. Und das ist heute auch noch so. Aber wenn jemand das Spülwasser aus einem Fenster im oberen Stockwerk direkt auf die Straße schüttet, dann fehlt mir dafür jedes Verständnis.“
Kapitulation vor Zuständen
Fatma kapituliert und zieht weg. Nicht aus dem Stadtteil, aber doch ein paar Straßen weiter. So weit will es Dietmar Klinker nicht kommen lassen. Er wohnt nicht in einem der Mehrfamilienhäuser, in dem die Zuwanderer aus Bulgarien die Überhand gewonnen haben, sondern schräg gegenüber. Und trotzdem ist in seinem beschaulichen Mikrokosmos nichts mehr so, wie es einmal war. „Seit 39 Jahren lebe ich hier. Altenhagen war schon immer ein Multi-Kulti-Stadtteil. Und alle haben sich damit arrangiert“, sagt der Rentner, „aber seit zwei Jahren vermüllt hier alles.“
Er berichtet von Möbeln, die vor einem Umzugswagen stehen und einfach mitgenommen werden. Von Verkäuferinnen im Supermarkt, die sich nicht trauten, Kinder aufzuhalten, wenn die Alarmanlage einen Diebstahl anzeige, und von einem dicken Mann, der mit einem großen Audi mit bulgarischem Kennzeichen vorfahre und Geld durch das heruntergelassene Seitenfenster kassiere. Vieles bereitet ihm Sorge, manches macht ihm Angst.
Zusammenleben hat funktioniert
„Das Zusammenleben im Quartier hat immer funktioniert“, sagt Dietmar Klinker, der mit drei Frauen aus der Nachbarschaft am Küchentisch Platz genommen hat. „Meinen Namen können Sie ruhig aufschreiben. Ich lasse mich nicht unterkriegen.“
Die beiden Damen nicken eifrig, während Klinker erzählt. Sie selbst wollen nicht an die Öffentlichkeit. Aber sie alle sind sich einig: So könne es nicht weitergehen. Das gebe böses Blut. Das wolle zwar niemand, aber wer all das nicht täglich erlebe, der könne auch nicht mitreden.