Hagen.

Für Professorin Christa Reicher, Leiterin des Bereichs Städtebau, Stadtgestaltung und Bauleitplanung an der Technischen Universität Dortmund, ist klar: „Das Wohnen ist unter allen städtischen Funktionen diejenige, die am stärksten von der Zu- und Abnahme der Bevölkerung betroffen ist und deshalb – auch vor dem Hintergrund der Zuwanderung – Handlungskonzepte benötigt.“

Kann eine Kommune das Thema „Wohnen von Migranten und Wohnen mit Migranten“ planen?

Christa Reicher: Nur sehr bedingt. Zwei Phänomene werden sichtbar: Zum einen wollen Menschen unter ihresgleichen wohnen. Das heißt: Dort, wo bereits Migranten wohnen, ziehen verstärkt andere hinzu. Zum anderen bevorzugen Migranten Wohnsituationen, in denen es einen unmittelbaren Zutritt zum Freiraum gibt. Aber so schwer speziell eine Planung beim Thema „Wohnen von Migranten“ auch ist: Generell muss Wohnen für jede Kommune eine zentrale Aufgabe sein – im Sinne eines Handlungskonzeptes, einer Wohnungsmarktbeobachtung, um die Entwicklung strategisch zu beeinflussen. So eine Planung braucht einen langen Atem.

Der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund ist in Hagen groß – die Verteilung über das Stadtgebiet ist allerdings unterschiedlich: Gibt es Instrumente, um zu einer gleichmäßigeren Verteilung zu kommen?

Reicher: Das Vermeiden von Ghetto-Lagen, in denen sich Migranten stark konzentrieren, sollte für Städte ein Anliegen sein. Die Stadt kann aber meist nur dort eingreifen, wo es städtische Wohnungsunternehmen und -genossenschaften gibt, über die die Belegung von Wohnungen beeinflussbar ist. Auf den privaten Eigentümer und dessen Vermietungspraxis hat die Stadt nur bedingt Einfluss.

Der Traum vom Eigenheim – ist dieser bei Menschen mit Migrationshintergrund genauso ausgeprägt wie vermeintlich bei allen anderen?

Reicher: Ja, das zeigt sich schon bei sehr jungen Leuten. Generell gilt: Migranten wollen nicht grundsätzlich anders wohnen als der „Normalbürger“.

Wie muss sich wohnortnahe Infrastruktur verändern, wenn mehr Migranten in einem Viertel leben? Sind die gleichen Einrichtungen gefragt?

Reicher: Ja, für alle Bevölkerungsgruppen ist eine möglichst wohnungsnahe Versorgungsinfrastruktur wichtig. Von besonderer Relevanz sehe ich die Bildungsinfrastruktur an, also Kindergärten und Schulen. Und die Möglichkeit, dass gerade die jungen Menschen die deutsche Sprache lernen – als Schlüssel der Integration. Unsere Untersuchungen für Dortmund haben übrigens gezeigt: In Vierteln mit hohem Migrantenanteil gibt es eine bessere Versorgung mit kleinen, wohnortnahen Läden als in andere Stadtvierteln – also das, was wird immer als Ideal ansehen.

In Hagen gibt es viele Leerstände, aktuell gibt es aber auch eine hohe Zuwanderung: Welche Mittel gibt es für Kommunen, zu verhindern, dass Vermieter ihre vernachlässigten Wohnungen nun diesem Klientel anbieten bzw. sie dabei ausnutzen?

Reicher: Rechtlich sehe ich nur bedingt Möglichkeiten. Das neue Wohnungsaufsichtsgesetz ist bei Problemimmobilien – also insbesondere, wenn Hausbesitzer heruntergekommene Wohnungen und Häuser an Zuwanderer für viel Geld vermieten – nur bedingt erfolgreich. Die Städte können die Problemimmobilien zwar schließen, aber das Geschäftsmodell der Vermieter mit überbelegten Wohnungen können sie nicht verbieten. Der Druck auf die privaten Vermieter und Eigentümer muss seitens der Kommune und der Politik erhöht werden, was aber nur gelingt, wenn „Wohnen“ zu einem zentralen Thema erhoben wird.

Mit Professor Christa Reicher sprach Michael Koch