Hagen-Wehringhausen. . Er war Maurer, Zweiradmechaniker. Dann wurde der alleinerziehende Vater Sven Schröter arbeitslos. Jetzt bietet sich ihm eine ungewöhnliche Chance.
Sven Schröter sortiert Kohlrabi. Ein Seitenscheitel ordnet sein Haar. Die blaue Krawatte sitzt perfekt. Er strahlt Ruhe aus, sein Blick ist konzentriert. Wer mit dem Einkaufswagen in die Kaufpark-Filiale in Wehringhausen rollt, wird denken: Ja, da sortiert einer Gemüse. Tatsächlich aber sortiert da jemand auch sich selbst. Schröter ergreift zwischen Möhren, Bananen und Kohlrabi seine nächste Chance. Der schnelllebigere Arbeitsmarkt, ein alleinerziehender junger Vater und was es braucht, um zurück in die Spur zu kommen. All das kommt in der Gemüseabteilung gerade zusammen.
„Früher“, sagt Personalleiter Ralf Hilgenstock, der selber noch gar nicht so alt ist, dass dieses Früher so wahnsinnig lange her sein kann, „da machte man eine Ausbildung doch höchstens so bis Anfang 20.“
Wandel vollzieht sich immer schneller
Das stimmt. Heute ist das arbeitsmarkttechnischer Pustekuchen. Der Wandel vollzieht sich viel schneller. Wer im Zeitalter der Internationalisierung, Digitalisierung und der ständigen Weiterbildungen vier Seminare und das neue Betriebssystem verpasst, der ist kaum arbeitsfähig. Die typische Arbeitskarriere gibt es dazu kaum noch. Wer heute von der Ausbildung bis zur Rente im selben Betrieb arbeitet, ist eigentlich fast schon wieder eine Geschichte.
Wer in der Arbeitslosigkeit steckt und wieder Anschluss sucht, muss in diesem Geflecht aus Schnelllebigkeit und Komplexität bereit sein, auch völlig neue Pfade einzuschlagen. Womit wir zurück sind in der Gemüseabteilung an der Minervastraße. Und bei Sven Schröter.
Er war schon Maurer. Dann Zweiradmechaniker. Und dann plötzlich gar nichts mehr. 2009, das war Schröters persönlicher Tiefpunkt. Nach seiner Trennung stand Schröter mit seinen heute neun- und elfjährigen Kindern plötzlich allein da. „Ich habe ein Jahr gebraucht, um mich zu sortieren“, erinnert er sich. Dazu die Arbeitslosigkeit. Es kam vieles zusammen, was einen Menschen lähmen kann. Was ihn glauben lassen könnte, dass man aus diesem Tal nur schwer wieder rauskommt.
Umschulung im Betrieb
Endstation Hartz IV?
Nein, Schröters Geschichte geht anders. Und ist damit in gewisser Weise beispielhaft dafür, wie Betriebe und Jobcenter Betroffene zurück in ein Arbeitsverhältnis bekommen können. In der sperrig-korrekten Sprache des Jobcenters ist Schröters Fall eine betriebliche Einzelumschulungsmaßnahme, die wegen seiner beruflichen Erfahrungen auf zwei Jahre verkürzt werden kann. Das heißt: Nach diesen zwei Jahren ist der Ex-Maurer und Ex-Zweiradmechaniker dann Einzelhandelskaufmann.
„Das heißt aber auch“, sagt Jobcenter-Sprecher Thorsten Opel, „dass man noch einmal bereit ist, eine Ausbildung anzutreten, wieder zur Berufsschule zu gehen.“ Es heißt, wieder von vorn anzufangen und der Lehrling zu sein. In Schröters Fall als 31-jähriger Vater zweier Kinder.
Den wenigen Betrieben, die solche Maßnahmen in Zusammenarbeit mit dem Jobcenter bislang anbieten, kann es nur recht sein. Im Gegensatz zu einer Umschulung eines Betroffenen bei einem anderen Träger etwa, haben sie den „Azubi“ Schröter permanent im Betrieb.
„Der Markt hat sich verändert“, sagt Ralf Hilgenstock, „wir können es uns gar nicht mehr leisten, Umschüler nicht anzunehmen.“ Für Thorsten Opel sind Maßnahmen wie diese zudem eine angemessene Reaktion auf den Fachkräftemangel. Und für Sven Schröter eine große Chance.