Hagen. Mikail Isik (51) ist nicht in seiner Jugend in der Türkei, sondern in Hagen zum religiösen Moslem geworden. Aber nie in Abgrenzung zum Christentum.

Dass der Glaube einmal so eine wichtige Rolle in seinem Leben spielen würde, war Mikail Isik nicht in die Wiege gelegt. Denn religiös geworden ist der heutige Vorsitzende des „Bündnisses Hagener Muslime“ nicht in seiner Jugend in der Türkei, sondern hier in Hagen. Und die evangelische Martin-Luther-Kirche hat dabei eine Rolle gespielt.

Rückblende in das Jahr 1980 in Hagen: Mikail Isik steht kurz vor seinem 16. Geburtstag, lebt im türkischen Sivas und besucht das dortige Gymnasium, als ihn seine Eltern nach Deutschland holen. Sie leben und arbeiten bereits seit 1970 in Hagen und ab dem 16. Lebensjahr würde die Visumspflicht für ihren Sohn gelten. So ergeht es Mikail Isik wie vielen Gastarbeiter-Kindern seiner Generation.

Und der Glaube? „Meine Eltern sind Muslime, aber sie waren nicht sonderlich religiös“, erinnert sich der 51-Jährige. „Ich weiß gar nicht, ob ich in der Türkei jede Woche zum Freitagsgebet gegangen bin.“

Zusammenarbeit mit Luther-Kirche

In Hagen angekommen, fühlt er sich als junger Mann zunächst einsam. Sonntags geht er durch das Bahnhofsviertel, als er Familien sieht, die zum Gottesdienst in die Martin-Luther-Kirche gehen. „Das hat mir gefallen. Sie hatten sich schön angezogen, hatten eine Gemeinschaft.“ Die Szene bringt ihn zum Nachdenken. „Ich habe mich gefragt: Wer bist Du eigentlich? Und ich bin mir bewusst geworden, dass ich Moslem bin.“ Er geht in die erste und damals einzige Hagener Moschee am Graf-von-Galen-Ring.

Mikail Isik findet dort, was er gesucht hat: eine Gemeinschaft und Halt. Er liest viel im und über den Koran, engagiert sich schließlich beim Aufbau der zweiten Hagener Moschee, der Zentralmoschee Merkez Camii, die auch heute noch im Schatten der Altenhagener Hochbrücke am Märkischen Ring beheimatet ist. Er wird zum gläubigen Moslem, aber nie in Abgrenzung zum Christentum in Hagen. Im Gegenteil: Mikail Isik und seine Mitstreiter suchen früh den Kontakt zur Martin-Luther-Kirche. „Wir haben viel zusammengearbeitet, es wurden Vorträge über den Islam gehalten, es gab das gemeinsame Fastenbrechen in der Martin-Luther-Kirche“, erinnert er sich und spricht mit Herzlichkeit über die Akteure auf christlicher Seite. „Ich rufe manche noch heute zu Weihnachten an.“ Dass die Luther-Kirche geschlossen worden ist, schmerzt ihn.

Großer Lokalpatriotismus

Sein Engagement in der islamischen Gemeinde hilft ihm, engere Kontakt zur Hagener Gesellschaft zu bekommen. Genauso wie sein Schlüsseldienst. Mit ihm hat sich der Vater zweier Töchter und zweier Söhne vor 25 Jahren in der Bahnhofstraße selbstständig gemacht, dort ist er heute einer der bekanntesten Geschäftsmänner.

Für die Volmestadt empfindet er einen riesengroßen Lokalpatriotismus: „Hagen ist meine Heimat, die Türkei ist heute für mich ein Urlaubsland. Ich tue alles, damit es der Stadt gut geht“, sagt Isik, der wie seine Frau und seine Kinder auch die deutsche Staatsangehörigkeit hat. Der Islam gehört für ihn heute zu Hagen. Und nach seinem Empfinden wird das auch in der Gesellschaft akzeptiert. „Ich habe eigentlich nie Probleme in Hagen gehabt. Auch meine Kunden empfinden es als normal, wenn ich am Ende des Ramadans meinen Schlüsseldienst für einen Tag schließe. Oder wenn ich bei mir im Hinterzimmer bete.“

Tochter wird Religionslehrerin

Die fünf Gebete strukturieren heute jeden Tag im Leben von Mikail Isik – sieben Tage in der Woche, 365 Tage im Jahr. „Ich stehe um 4.30 Uhr auf und gehe um 5 Uhr in die Moschee zum Beten, dann das Mittagsgebet um 13.40 Uhr, um 18 Uhr das Abendgebet. Und dann noch einmal um 22 und 23 Uhr.“ Mitunter tut er dies auch Zuhause, doch wann immer es geht, betet er in der Moschee. Nicht nur in der an der Märkischen Straße: „Mittags gehe ich auch ab und zu mal rüber in die Kurdische Moschee in der Körnerstraße. Jeder Moslem kann in jeder Moschee beten, unabhängig von der Nationalität.“

Nur eine von dreizehn Hagener Moscheen hat ein Minarett

1. Merkez Camii (Zentralmoschee).

Stadtteil: Hagen-Mitte
Straße:Märkischer Ring 11a
Dachverband: DITIB
Sprache beim Freitagsgebet (Chutba): Türkisch, Arabisch
Lautsprecher-Gebets-Aufruf nach draußen (Adahn): Nein
Frauenbereich: Ja

2. Hagen Camii

Verein: Bildungs-und Kulturverein Hagen e.V.
Stadtteil: Hagen-Mitte
Straße: Körnerstraße 77-79
Dachverband:VIKZ
Sprache: Türkisch, Arabisch
Minarett: Ja
Lautsprecher-Aufruf: Nein
Frauenbereich:Ja

3. Sultan Ahmet Camii

Verein: DITIB Türkisch islamische Gemeinde Haspe e.V.
Stadtteil: Haspe
Straße: Im Mühlenwert 3 A
Dachverband: DITIB
Eröffnung:1984
Sprache: Türkisch, Arabisch
Minarett: Nein
Lautsprecher-Aufruf: Nein
Frauenbereich: Ja

4. Hohenlimburg Camii

Stadtteil: Hohenlimburg
Straße: Kronenburgstraße 14
Dachverband: DITIB
Sprache: Deutsch, Türkisch, Arabisch
Minarett: Nein
Lautsprecher-Aufruf: Nein
Frauenbereich: Ja

5. Kurdisches Islamisches Kulturzentrum e.V.

Stadtteil: Hagen-Mitte
Straße:Körnerstraße 94
Dachverband: Civaka Islamiya Kurdistan (CIK).
Sprache: Kurdisch, Arabisch
Minarett: Nein
Lautsprecher-Aufruf: :Nein
Frauenbereich:Ja

6. IGMG Hagen

Verein: Islamische Gemeinde Milli Görüs Hagen e.V.
Stadtteil: Hagen-Mitte
Straße: Elberfelder Straße 86
Dachverband: IGMG
Sprache : Türkisch, Arabisch
Minarett:Nein
Lautsprecher-Aufruf: Nein
Frauenbereich:Ja

7. Bosnische Moschee

Verein:Bosniakisches Kulturzentrum Hagen e.V.
Stadtteil:Wehringhausen
Straße:Augustastraße 22
Dachverband:IGBD
Eröffnung:1988
Sprache: bosnisch
Minarett:Nein
Lautsprecher-Aufruf: Nein
Frauenbereich:Ja

8. Assiddiq I.G Hagen (Marokkanische Moschee)

Verein: Islamische Gemeinde
Straße: Fehrbelliner Straße 36a
Eröffnung: 1982
Sprache: Arabisch/Deutsch
Minarett:Nein
Lautsprecher-Aufruf: Nein
Frauenbereich:Ja

9. Türkischer Islamischer Kulturverein

Stadtteil: Eckesey
Straße:Eckeseyer Str. 176
Dachverband: ATIB
Minarett:Nein
Halten Freitagsgebet:Ja
Frauenbereich:Ja

10. Ehl-i Beyt Moschee I

Stadtteil: Hagen-Mitte
Straße: Werdestraße
Sprache: Türkisch. Arabisch
Minarett: Nein
Lautsprecher-Aufruf: Nein
Frauenbereich: Ja

11. Fatih VakFi

Stadtteil: Eckesey
Straße: Sedanstraße
Sprache: Türkisch. Arabisch
Minarett: Nein
Lautsprecher-Aufruf Nein.
Frauenbereich: Ja

12. Masjid Quaba

Stadtteil: Wehringhausen
Straße: Minvervastraße 10
Sprache: Sprache: Türkisch. Arabisch
Minarett: Nein
Lautsprecher-Aufruf: Nein
Frauenbereich: Ja

13. Ehl-i Beyt Moschee II

Stadtteil: Wehringhausen
Straße: Bodelschwinghplatz 1
Sprache: Türkisch. Arabisch
Minarett: Nein
Lautsprecher-Aufruf: Nein
Frauenbereich: Ja

Seine Frau trägt Kopftuch, seine beiden Töchter auch: „Sie haben es heute einfacher als meine Frau noch vor einigen Jahren. Es wird akzeptiert“, sagt Mikail Isik. Und er ist stolz darauf, dass seine Tochter Hacer Islamwissenschaften an der Universität in Osnabrück studiert, um später als Religionslehrerin an staatlichen Schulen unterrichten zu können. Für ihn ein wichtiges Mittel, um radikalen Islamisten das Wasser abzugraben. „Das ist doch unsere große Sorge. Wir müssen den Kindern deshalb den richtigen Weg zeigen, die Religion aus der richtigen Sicht erklären. Und wir müssen sie zu hilfsbereiten und nützlichen Menschen in unserer Gesellschaft machen.“