Hagen. . Während Unternehmensberater im Auftrag der Banken nach Wegen aus der Krise für die Enervie suchen, holen sich auch Arbeitnehmer Rat von Experten ein. Es stehen heiße Diskussionen bevor.

Nach den Aufgeregtheiten um den komplizierten Jahresabschluss 2014 und dem zähen Ringen um die Millionen-Bürgschaften der Hauptanteilseigner, die die Liquidität des Unternehmens für die nächsten beiden Jahre sichern, herrscht inzwischen rund um die Enervie-Zentrale auf Haßley gespannte Ruhe. Doch hinter der Fassade des futuristisch anmutenden Konzern-Neubaus arbeiten die Sanierungsexperten der Unternehmensberatung Roland Berger weiterhin mit Hochdruck daran, einen tragfähigen Restrukturierungsplan auf die Beine zu stellen. Ein Prozess, an dem die Arbeitnehmer und deren Vertreter, um deren berufliches und damit auch familiäres Schicksal es in diesen Tagen geht, aktuell auf keiner Ebene beteiligt sind. Ihnen soll erst Mitte August das fertige Ergebnis unverrückbar präsentiert werden.

Bis dahin bleiben die personellen Eckwerte der Neuausrichtung der Enervie AG weiterhin diffus. Sicher ist nur, dass von den knapp 1300 bestehenden Stellen bis zu 500 abgebaut werden sollen. Parallel werden in den Bereichen Handel und Contracting voraussichtlich 50 zusätzliche Mitarbeiter benötigt.

Experten im Auftrag der Kreditgeber

Darüber hinaus haben die externen Experten, die mit einem klaren Sanierungsauftrag der um ihre Kredite bangenden Banken unterwegs sind, schon die Erwartungshaltung formuliert, dass die verbleibende Belegschaft – zumindest befristet – auf tarifvertragliche Leistungen verzichten soll. Ob es sich dabei um Nullrunden handelt oder noch weitere Abstriche im Raum stehen, bleibt im Moment Spekulation.

Sicher ist nur, dass für solche Maßnahmen das Einvernehmen mit der Gewerkschaft hergestellt werden muss. Denn unter dem Dach der Enervie gilt neben dem Mark-E-Haustarif auch der TV-V (Tarifvertrag für Versorgungsbetriebe), der unter den Fittichen von Verdi steht. Hier hat eine Betriebsratsdelegation jetzt erste Kontakte zum Verdi-Landesverband in Düsseldorf geknüpft. Gemeinsam mit der Gewerkschaft möchte man versuchen, eigene Strategiekonzepte zu entwickeln, die Enervie aus der existenzbedrohenden Krise herausführen könnten. Denn einen vitalen Gesprächsfaden zur Unternehmensführung gibt es in Sachen Zukunftsstrategie aktuell nicht. Auch die bereits eingefädelten Sozialplanverhandlungen liegen angesichts der sich verschärfenden Rahmenbedingungen auf Eis.

„Unternehmensberatern fällt meist wenig Tragfähiges ein“

„Wir möchten ein Unternehmenskonzept entwickeln, das eine Neuausrichtung des Konzerns mit Blick auf die einzelnen Spartenentwicklungen umfasst“, kündigt Verdi-Landesfachbereichssekretär Jörg Koburg an. Dieses solle am 20. August in Hagen der Belegschaft präsentiert werden. „Unternehmensberatern fällt meist wenig Tragfähiges ein“, kritisiert der Düsseldorfer Gewerkschaftsfunktionär, dass Roland Berger lediglich eine Iststandsanalyse präsentiere und keine Mittelfristplanung.

Parallel dazu entwickelt im Namen des Enervie-Gesamtbetriebsrates, aber auf Kosten des Konzerns der Arbeitsökonom Prof. Heinz-Josef Bontrup ein Alternativszenario abseits des Roland-Berger-Sanierungsplanes. Damit scheint bereits das Feld dafür bereitet, dass nach einem turbulenten Frühjahr und einer hochsommerlichen Atempause ein hitziger Herbst der Strategiediskussionen folgt.