Hagen/Ense. . Industrie 4.0: Daten-Experte Andreas Rother erwartet mit der Digitalisierung im Mittelstand eine Rückkehr von Arbeitsplätzen.
Digitalisierung - Fluch oder Segen für den Mittelstand?“ So lautete im Mai der Titel einer Veranstaltung der IHK Arnsberg. Die war auch als Motivation für die Unternehmen gedacht, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Der digitale Fluch dürfte eher diejenigen treffen, die sich verweigern. Denn die Macht der großen Datenmengen dringt unaufhaltsam in die Arbeitswelt vor. Nur die genauen Folgen sind umstritten. Wie immer, wenn es um die Zukunft geht.
Struktur in die Daten bringen
Als Referent war in Arnsberg Andreas Rother dabei. Der Geschäftsführende Gesellschafter der ahd Hellweg Data GmbH aus Ense betreibt in Dortmund und Münster Rechenzentren. „Wir stellen Computing und Speicher zur Verfügung“, sagt der 54-Jährige, „so wie ein Cloud-Anbieter, nur nach deutschem Datenschutz. Das ist nach NSA und Snowden wichtig für den Mittelstand.“ Derzeit arbeitet seine Firma daran, aus den zu 85 Prozent unstrukturierten Daten der Kunden, aus Bildern, Videos und Audiodateien verwertbare Informationen zu gewinnen und daraus Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Auch interessant
Rother steckt also tief im Thema. „Alle zwei Jahre verdoppelt sich das weltweit vorhandene Datenvolumen“, weiß er. Und: Ein Flug von München nach Berlin erzeugt Daten für 40 DVDs. Und: Der Film „Der kleine Hobbit“ besteht aus so vielen Daten wie 200 mittelständische Unternehmen. Wer die Daten nutzt, kann Angebote machen. Wie Amazon mit Kaufempfehlungen, wie Google, das für seine Navigation die Nutzerdaten verwendet, wie der Streaming-Dienst Netflix, der aus Kunden-Vorlieben die Serie „House of Cards“ entwickelte. Und künftig? „Sensoren im Badezimmer-Spiegel prüfen, ob ein Mensch seine Medikamente genommen hat. Sensoren in der Kleidung verraten der Waschmaschine das passende Programm.“
Die nächste Revolution
Und in der Industrie? Das Stichwort lautet 4.0. Die nächste Revolution. Noch mehr Automatisierung und Roboter. Maschinen, die miteinander kommunizieren und lernen können. Dabei werden Arbeitsplätze verschwinden, wahrscheinlich einfache. Aber insgesamt sieht Rother Deutschland im Vorteil: „Die Kostenvorteile großer Fabriken verschwinden. Und die Verlagerung von Arbeitsplätzen in ferne Länder kehrt sich um. Roboter sind billiger als Chinesen.“
Wie sehen das die Unternehmen selbst? Die drei südwestfälischen Industrie- und Handelskammern haben mittelständische Firmen befragt und von 184 Antworten bekommen. Die Mehrzahl erwartet eine Erhöhung der Produktivität und bessere Möglichkeiten der Flexibilisierung in der Produktion. Damit könne den Wünschen der Kunden nach Individualisierung der Produkte besser und kostengünstiger nachgekommen werden.
Das klingt gut. Allerdings: Auch unter den antwortenden Unternehmen haben sich erst 57 Prozent mit Industrie 4.0 befasst. Und der Schwerpunkt liegt dabei noch bei der Informationsbeschaffung. In der eigenen Produktion hat nur ein Drittel das Thema bereits umgesetzt. Hier knüpft Rother an: „Die Unternehmen müssen sich öffnen und die Digitalisierung zur Chefsache machen, einen digitalen Beirat als Stabsstelle schaffen.“
Mehr Chancen
Die südwestfälischen Firmen sehen in der Digitalisierung mehr Chancen als Risiken. Auswirkungen der digitalen Vernetzung auf die Beschäftigung erwarten sie zunächst nicht. Vordringliche Aufgabe sei es, die Qualifizierung der Mitarbeiter zu verbessern. Da lägen noch Hemmnisse, ebenso bei den hohen Anforderungen an IT-Sicherheit und bei den Investitionskosten. Dazu kommt das bekannte Problem der unzureichenden Breitbandanbindung in vielen Teilen Südwestfalens.
Für den Digital-Experten Rother werden die kommenden fünf Jahre entscheidend: „Es werden neue Wettbewerber auftauchen, die den Kunden ganz anders im Auge haben als bislang gewohnt.“