Hagen. 303 Menschen auf der Flucht blieben nur in der Nacht zum Donnerstag. 200 weitere kommen ab Freitag in Hagen unter - zumindest in der Ferienzeit.
Nach den Flüchtlingen ist vor den Flüchtlingen. Ursprünglich sollten die 303 Menschen (darunter 66 Kinder), die nach einer Odyssee durch den deutschen Asyl-Dschungel am späten Mittwochabend schließlich völlig übermüdet an der Remberg-Schule strandeten, am Donnerstag bereits um 11 Uhr wieder in die nächsten Unterkünfte verteilt werden. Doch am Ende zog sich die Weiterfahrt bis in den Nachmittag hin.
Mit einem Kraftakt war es der Stadt auf Bitten der Bezirksregierung gelungen, innerhalb weniger Stunden den Mazedoniern, Iranern, Syrern, Irakern, Ghanaern und Albaniern eine Bleibe und Verpflegung für die Nacht anzubieten. Dann ging es für die Gruppe – nach einer letzten Runde Wassereis für die Kleinsten – in mehreren Bussen weiter in Sammelunterkünfte in Marl (Kreis Recklinghausen), Linnich (Kreis Düren) und Kerken (Kreis Kleve). Arnsberg hatte die Stadt ad hoc in die Pflicht genommen, weil in Dortmund plötzlich 1800 Flüchtlingen auf der Straße in der prallen Hitze standen und dringend eine Notlösung geschaffen werden musste.
Kritikern, dass Hagen sich zu überengagiert als Nothelfer einbringe, empfahl Ordnungsdezernent Thomas Huyeng, sich zunächst sachkundig zu machen: „Alle Kommunen werden hier in die Pflicht genommen, Hagen ist da nicht solitär.“
Zielmarke: heute, 18 Uhr
Doch für ausführliche Nachbetrachtungen bleibt dem städtischen Flüchtlingsstab in diesen hektischen Tagen ohnehin keine Zeit. Denn bereits am heutigen Freitagabend um 18 Uhr, so die Zielmarke, soll die Käthe-Kollwitz-Turnhalle an der Liebigstraße zum Obdach für 200 weitere Flüchtlinge werden. Allerdings ist dieses Notunterkunft-Angebot des Landes, so betont Huyeng ausdrücklich, zeitlich befristet bis zum 6. August, damit die Sportstätte nach einer Grundreinigung pünktlich zum Schuljahresstart für den Sportunterricht wieder zur Verfügung steht. Die Einquartierten werden nach diesen fünf Wochen in andere Unterkünfte in Nordrhein-Westfalen, die bis dahin zur Verfügung stehen sollen, weiterverteilt.
Engagierte Freiwillige machen einen bemerkenswerten Job
Dezernent Thomas Huyeng würdigte ausdrücklich das Engagement von Feuerwehr-Kräften und Hilfsorganisationen: „Sie haben innerhalb kürzester Zeit das Unmögliche möglich gemacht.“
„Sie alle hatten an diesem Abend sicherlich etwas anderes vor und sind dann zum Teil sogar über Nacht geblieben.“ Auf diesen Einsatz könne man in Hagen durchaus stolz sein, so Huyeng. Mit einer ähnlichen Botschaft schaute in der Nacht zum Freitag auch Oberbürgermeister Erik O. Schulz noch am Remberg vorbei, um den vorzugsweise jungen Leuten seinen Dank auszusprechen.
Auch in den nächsten Tagen warten auf die Freiwilligen Helfer noch weitere Herausforderungen. Zum einen sind sie in die Herrichtung der Käthe-Kollwitz-Halle als Notunterkunft des Landes eingebunden. Außerdem hat die Bezirksregierung in Arnsberg Hagener Kräfte als Einsatzbereitschaft für das Festival „Bochum total“ eingeplant. Obendrein sind die Ehrenamtlichen beim Hohenlimburger Stadtfest mit eingebunden.
Bis zum Eintreffen der ersten Flüchtlinge muss der empfindliche Hallenboden der Sportstätte noch mit schützenden Filzbahnen abgedeckt, weitere Betten, Decken und Kissen herbeigeschafft sowie Waschmaschinen, Trockner und Zusatztoiletten installiert werden. Die Verpflegung soll die angrenzende Mensa des Schulkomplexes gewährleisten, die passenden Speisepläne werden – auch mit Blick auf den Ramadan – gerade zusammengestellt. Auch Dolmetscher müssen kontaktiert werden – hier verfügen aber auch die Mitarbeiter der Sicherheitsfirma häufig über die passenden Sprachkenntnisse und können aushelfen.
Steigende Zahlen
Den Status der Hohenlimburger Regenbogenschule als Notunterkunft des Landes für etwa 200 Personen hat die Bezirksregierung bis in den August 2016 hinein verlängert. „Diese Personenzahl wird auf das Kontingent der kommunalen Flüchtlinge angerechnet“, hat Reinhard Goldbach, Leiter des Fachbereichs Jugend und Soziales, die entsprechende Zusage aus Arnsberg. Damit beherbergt Hagen aktuell etwa 900 kommunale Flüchtlinge, die langfristig auf den Abschluss ihrer Asylverfahren warten, sowie 200 Landesflüchtlinge. Bis zum Jahresende werden 400 bis 500 weitere Menschen erwartet. Dazu wird gerade die Bebelschule in Haspe hergerichtet (86 Plätze) und Verhandlungen mit der AWo über das ehemalige Seniorenwohnheim am Trappenweg (130 Plätze) in Hohenlimburg geführt.
Dass dies bereits den Scheitelpunkt der Flüchtlingswelle darstellt, glaubt derweil niemand: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte 2014 für Deutschland etwa 200.000 Zuwanderer prognostiziert, in diesem Jahr spricht die Behörde von 450 000 Menschen – Tendenz kontinuierlich steigend.