Hagen. . Parallel zu den Flüchtlingen strömen immer mehr EU-Zuwanderer nach Hagen. Für die Bürger wird es zu einer Frage der Balance wie viele Neubürger ihr Quartier verträgt.

Sie haben Grausames erlebt und gesehen, oft engste Familienmitglieder verloren, sind traumatisiert und häufig einsam. Vollwaise Jugendliche entwickeln Muttergefühle für ihre Lehrerin, weil diese der einzige Mensch auf diesem Planeten ist, zu dem sie Vertrauen fassen. Sozialdezernentin Margarita Kaufmann appelliert mit Blick auf den kontinuierlich zunehmenden Flüchtlingsstrom an die Hagener, eine positive Willkommenskultur zu entwickeln: „Wir müssen diesen Menschen ein Stück Heimat geben“, formulierte die städtische Beigeordnete bei der Bürgerinformationsveranstaltung am Dienstagabend in Haspe diese Maxime als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Rückendeckung erhielt sie dabei vom Hasper Bezirksbürgermeister Dietmar Thieser: „Wenn Menschen aus Kriegsgebieten zu uns kommen, wollen wir ihnen eine neue Heimat bieten“, warb er dafür, die künftigen Bewohner der Grundschule Kückelhausen als Nachbarn die Hände zu reichen und Brücken zur Integration zu bauen.

200 Unterkünfte fehlen noch

535 Flüchtlinge kamen 2014 nach Hagen, weitere 1000 werden in diesem Jahr erwartet. Aktuell finden 717 Menschen in städtischen Übergangsunterkünften ein Obdach, 206 davon sind Kinder und Jugendliche. Um den Zustrom weiter handhaben zu können, wird die Stadt im Laufe dieses Jahres weitere 200 Plätze finden und herrichten müssen. Darüber hinaus sichern die Behörden das Existenzminimum der Flüchtlinge sowie deren medizinische und soziale Versorgung. Aber gerade im letztgenannten Bereich bietet sich auch reichlich Spielraum, ehrenamtliches Engagement einzubringen: Sprachförderung, Kinderbetreuung, Freizeit- und Sportangebote sowie Patenschaften bieten ein weites Feld. „In Haspe nehme ich bereits ein hohes Maß an Hilfsbreitschaft für Flüchtlinge wahr“, em­pfahl Thieser potenziellen Unterstützern, sich in der Bezirksverwaltungsstelle ( 207 43 15) zu melden.

Doch es bleiben auch die Zweifler, die sich um das Sicherheitsgefühl rund um die Flüchtlingsunterkunft in Kückelhausen sorgen. Dort habe zuletzt, so berichteten Anwohner, der Zuzug und das Gebaren von Bulgaren und Rumänen für erhebliche Unruhe im Quartier gesorgt. „Diesen Menschen müssen die Grenzen der Toleranz deutlich gemacht und notfalls auch einmal vors Schienenbein getreten werden“, sprach sich Thieser für eine direkte Ansprache potenzieller Störer aus.

Gleichzeitig warnte er davor, die Flüchtlingsproblematik sowie die zunehmende Zuwanderung aus EU-Ländern miteinander zu vermengen. Denn der dynamisch wachsende Zuzug aus Südosteuropa geschehe ungesteuert und ist im Rahmen der Freizügigkeit und der europäischen Binnenmigrationsgesetze nicht reglementierbar. Während im vergangenen Jahr etwa 400 Bulgaren und mehr als 900 Rumänen nach Hagen zogen, werden auf Grundlage der Zahlen aus dem ersten Quartal für 2015 sogar 500 Zuwanderer aus Bulgarien und 1800 aus Rumänien erwartet. Damit schwappt die bisherige Konzentration auf die Emscher-Schiene (Dortmund, Gelsenkirchen, Duisburg) inzwischen auch in Richtung Hagen und macht die Stadt zu den Top-Zuwanderungszielen in NRW, bestätigte Reinhard Goldbach, Leiter der Fachbereichs Jugend und Soziales.

Wohnheim macht keine Probleme

Dabei räumte der Hasper Polizeichef Gerd Kaupenjohann ein, dass der Umgang mit den Zuwanderern keineswegs reibungsfrei sei. Wenn es im Stadtbezirk Probleme gebe, dann eher mit diesem Personenkreis als mit Flüchtlingen und Asylbewerbern: „Diese Menschen haben Schlimmes erlebt und sind froh und dankbar, dass sie von uns versorgt werden.“ Als beispielhaft nannte der Wachleiter von der Vollbrinkstraße die Flüchtlingsunterkunft an der Voerder Straße, die mit ihren 80 Plätzen dort bereits seit zwei Jahrzehnten existiert: „Mit diesem Wohnheim gibt es aus unserer Sicht überhaupt keine Probleme.“