Hagen. Im Vorfeld eines Vortrags zum Völkermord an den Armeniern in Hagen ist es zu Drohungen gekommen. Der Staatsschutz ist eingeschaltet, die Polizei begleitet die Veranstaltung.

Nach der Ausweisung des Hagener Fotografen Andy Spyra aus der Türkei holt die Debatte um den Völkermord in Armenien Hagen nun ein zweites Mal ein. Im Vorfeld des Vortrags von Prof. Mihran Dabag am Mittwoch, 29. April, im Kunstquartier unter dem Titel „Im Schatten des Weltkriegs. Der Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich“ sind Mitarbeiter des Fachbereichs Kultur bedroht worden.

Auf der städtischen Facebook-Seite des „Hagen – Geschichte, Archäologie und Geologie“ heißt es: „Wir haben in den vergangenen Tagen (...) auch aggressive Drohungen erlebt, die sich auch gegen Personen richteten.“ Fachbereichsleiter Tayfun Belgin wollte sich offiziell dazu nicht äußern. Der gebürtige Türke will im Vorfeld der Veranstaltung kein weiteres Öl ins Feuer gießen.

Staatsschutz der Polizei eingebunden

Immerhin: Der Staatsschutz der Hagener Polizei ist eingebunden. Wenngleich Polizei-Sprecher Tino Schäfer betont: „Wir haben eine Bewertung vorgenommen, sehen aber keine konkrete Gefährdungslage. Gleichwohl werden Beamte in Uniform die Veranstaltung begleiten.“

Als kriegsnotwendig deklariert

Während des Ersten Weltkriegs ereignete sich der Völkermord an den Armeniern.

Die Regierung deklarierte die Deportationen als kriegsnotwendige Vorkehrungen.

Dass es im Vorfeld seiner Vorträge durchaus zu Bedrohungen und Protesten kommt, ist für Prof. Mihran Dabag, Leiter des Instituts für Diaspora- und Genozidforschung an der Ruhruniversität Bochum, keine neue Erfahrung. „Ich habe das schon einige Male erlebt“, so der Wissenschaftler mit armenischen Wurzeln, der 1944 in der Türkei geboren wurde. „Aber auf der anderen Seite treffe ich an der Uni auch immer wieder auf Studenten mit türkischen Wurzeln, die es gut finden, dass der Völkermord an den Armeniern Teil unserer Veranstaltungen ist.“

Hagener Fotograf ausgewiesen

Demgegenüber stünden auch türkische Organisationen in Deutschland, die sich als verlängerter Arm der Regierung begriffen und den Genozid bis heute leugneten. Festzuhalten bleibe, dass die türkische Gemeinschaft in Deutschland kritischer sei als ihre offiziellen Vertreter. Für Dabag beruht die Gründung der Türkischen Republik auch auf der Vernichtung des armenischen Volkes. In den offiziellen Verlautbarungen hingegen halte sich bis heute ein heroischer Aspekt, wenn es um das Thema ginge. Das sei Grund dafür, dass für eine kritische Aufarbeitung kein Raum sei.

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Mit welcher Vehemenz der Staat gegen Menschen vorgeht, die sich mit dem Thema beschäftigen, musste auch der Hagener Fotograf Andy Spyra feststellen, der seit längerer Zeit an einem Projekt zum Völkermord arbeitet. Der ehemalige WP-Mitarbeiter war vor drei Wochen im Auftrag des Nachrichtenmagazins Der Spiegel am Flughafen in Istanbul abgefangen worden. „Aus Sicherheitsgründen – mehr hat man mir nicht gesagt“, so Spyra.