Hagen/Istanbul. Der Hagener Fotograf Andy Spyra reiste in die Türkei, um die Geschichte eines Spiegel-Redakteurs zu bebildern. Doch am Flughafen wurde er festgesetzt.

Pressefreiheit passt nicht jedem. Davon können Journalisten auf der ganzen Welt ein Liedchen singen. Vor allem solche Kollegen wie Andy Spyra. Der Hagener Fotograf und einstige freie Mitarbeiter der Stadtredaktion drückt dort auf den Auslöser, wo Menschenrechte weiter entfernt sind als jeder Stern, den man in Kaschmir, in Bagdad oder in Kairo in einer sternenklaren Nacht von der Erde aus erblicken kann. Doch diesmal hat man ihn nicht gelassen.

Stattdessen: Erst Festnahme, dann Abschiebung aus der Türkei. Als Spiegel-Reporter gelandet, als vermeintlicher Dschihadist in den Abschieberaum gesteckt.

Palästinenser-Tuch und bei bösem Willen verdächtige Fotos

Es kam einiges zusammen, was höchst harmlos ist, aber bei phantasievoller Interpretation und viel bösem Willen durchaus rasch in ein bedrohliches Szenario verwandelt werden konnte. Der kahle Kopf, der dunklere Teint, der Bart, der Blasebalg zur Reinigung des Kamera-Sensors (Aufschrift: „Rocket Air“), ein olivfarbenes Hemd, ein Palästinenser-Tuch und Handy-Fotos von den jüngsten Foto-Reportagen im Irak, die kurdische Kämpfer, christliche Milizen und Spyra selbst in voller ­Sicherheitsmontur zeigten.

Für die vier Polizisten, die ­Spyra bei seiner Dienstreise nicht ganz zufällig kurz nach dem Ausstieg auf dem Istanbuler Flughafen Sabiha Gökçen (asiatische Seite) abfingen, Grund genug, den Hagener ­ohne weiteres Verhör oder Gelegenheit zur Erklärung abzuschieben.

Spyra bei seiner Ausstellung im Karl-Ernst-Osthaus-Museum.
Spyra bei seiner Ausstellung im Karl-Ernst-Osthaus-Museum. © WP Michael Kleinrensing

Keine Erklärungsversuche

„Das war kein Routine-Check“, sagt Spyra, der sich im südostanatolischen Diyarbakir mit einem Spiegel-Reporter treffen wollte, um dessen Geschichte über den armenischen Völkermord in der Ost-Türkei fotografisch zu begleiten. „Ich habe meinen Presseausweis gezeigt, aber das half auch nichts. Angebote, die Spiegel-Redaktion anzurufen oder die Deutsche Botschaft, wurden auch abgelehnt. Die haben mich in die Arrestzelle gesteckt und erst morgens wieder rausgeholt, um mich nach Düsseldorf zurückzuschicken.“

Ein kleiner Trost: Spyra befindet sich in bester Gesellschaft, was Reporter angeht, denen die Einreise in die Türkei nicht gestattet ist. „Ärgerlich ist, dass ich bei Google jetzt schon fast wie ein Dschihadist oder Terrorist daher komme“, sagt Spyra über die mediale Welle, die seine Abschiebung ausgelöst hat. Als freier Fotograf – und Spyra hat sich weltweit mit seiner mutigen und künstlerisch unverkennbaren Arbeit einen Namen gemacht – ist das Gift.

Spyra berichtet im Spiegel

Am Flughafen in Istanbul werden sie den Hagener trotzdem nicht zum letzten Mal gesehen haben. Als Transitpassagier darf er sich weiter dort aufhalten. Das Deutsche Generalkonsulat in Istanbul hat noch in der Nacht der Abschiebung protestiert und Spyras Identität als Journalist und Spiegel-Mitarbeiter bestätigt. Es half nichts. Als die Bundespolizei Spyra in Düsseldorf in Em­pfang nimmt, erklärt man ihm, dass die türkischen Behörden mitgeteilt hätten, dass die beschriebenen Teile seiner Ausrüstung auf eine Verbindung zur islamistischen Szene hindeuten würden.

In der aktuellen Ausgabe des Spiegel berichtet Spyra auf Seite 103 unter dem Titel „Protokoll einer Abschiebung“ über die Nacht auf dem Istanbuler Flughafen, wo er sich den ­Abschieberaum mit einem ­Libanesen und einem Jordanier teilte.