Hagen. . Die Leute vom Kratzkopf – sie bilden eine eingeschworene Nachbarschaft, die weit über das übliche Straßenfest oder das Zuprosten am Gartenzaun hinausgeht.

Als Sebastian (34) und Jessica (34) Gebauer sich vor vier Jahren entschlossen, auf den Kratzkopf zu ziehen, hatte das einen bestimmten Grund: „Ausschlaggebendes Kriterium für uns war die funktionierende Nachbarschaft hier oben. Wir möchten nicht irgendwo in der Anonymität leben.“

Hier oben – das ist auf dem Kratzkopf durchaus wörtlich zu nehmen und meint die bevorzugte Hügellage, die einen mondänen Blick über die City ebenso einschließt wie deren schnelle Erreichbarkeit. In gut zehn Minuten Fußweg hat man von hier oben aus die Innenstadt erreicht. Und tatsächlich haben die in spiegelbildlicher Bebauung entlang von Thünen- und Hermesstraße errichteten Reihen- und Mehrfamilienhäuser die gleiche Postleitzahl wie das Hagener Zentrum: „Kaum zu glauben, dass es hier oben Spechte, Uhus und sogar Füchse gibt und die Innenstadt doch so nah ist“, sagt Thomas Eckhoff: „Aber dass ich hier so gerne wohne, liegt vor allem daran, dass wir uns hier oben so gut verstehen.“

Freundschaften fürs Leben

Treffen sich zwei Nachbarn auf der Straße, heißt es, dann dauere es nicht lange, bis sich weitere Türen öffnen und bald eine kleine Menschenmenge die Fahrbahn blockiert. „Ist wirklich so”, nickt Marlies Haas bestätigend. „Wenn ich draußen bin, dann treffe ich so viele Leute, mit denen ich erst ein Schwätzchen halten muss, dass ich kaum ins Haus zurückkomme.”

Die Leute vom Kratzkopf – sie bilden eine eingeschworene Nachbarschaft, die weit über das übliche Straßenfest oder das Zuprosten am Gartenzaun hinausgeht. Sie reinigen gemeinsam die anliegenden Grüngebiete und machen sich in den Beeten zu schaffen, sie feiern gemeinsam Silvester, die Männer ziehen auf Vatertagstour, die Familien mit kleinen Kindern fahren in den Moviepark. Vor drei Jahren sorgten sie mit dem Aufruf „Der Kratzkopf bäumt auf“ für Schlagzeilen – nachdem die Stadt 15 Bäume an der Thünenstraße hatte fällen lassen, sorgten die Anwohner für Ersatz. Mit den Jahren sind die Nachbarn immer enger zusammengerückt, aus den Kindern wurden Jugendliche, die sich ebenso gut verstehen wie ihre Eltern und gemeinsam Urlaub machen in Lloret de Mar. „Ja, hier oben sind Freundschaften fürs Leben entstanden“, sagt Markus Leber.

Hunderte von Gästen

Und natürlich gibt es ein Straßenfest. Es gab ein Straßenfest. Die Party mit Feuershow, Zirkus und Hüpfburg wuchs sich innerhalb weniger Jahre zu einer der größten privat organisierten Feten mit hunderten von Gästen in Hagen aus, so dass schließlich sogar die organisationserprobten Kratzkopfler, die in Kratzkopf-Nachbarschafts-T-Shirts Cocktails mixten und Würstchen brieten, mit dem Aufwand überfordert waren und die Feier 2012 einstellten. „Demnächst wird es aber wieder ein Straßenfest geben“, verspricht Alex Talash. „In kleinerem Rahmen. Nur für die Nachbarn.“

Feste und Feiern sind gut und schön – doch der eigentliche Kern des Miteinanders auf dem Katzkopf im Kreuzweg manifestiert sich viel unspektakulärer: in einer alltäglichen Nähe, die es unter Nachbarn heutzutage vielerorts nicht mehr gibt. „Wenn einem etwas fehlt, dann kann man ohne Scheu zum Nachbarn gehen und um Hilfe bitten“, sagen Sebastian und Jessica Gebauer. Sie haben es nicht bereut, auf den Kratzkopf gezogen zu sein.