Hagen. Die Elternbeiträge für Kindertagesstätten und Offene Ganztagsschulen sollen ab August deutlich steigen. Und zwar nicht einmalig, sondern jährlich.
Die Betreuung in Kindertagesstätten (Kita) und in Offenen Ganztagsschulen (OGS) wird ab August in Hagen deutlich teurer werden. Und das nicht nur einmal, denn künftig soll es jährlich automatisch eine Erhöhung geben. Bislang lautet der Vorschlag der Verwaltung: Jährlich sollen die Elternbeiträge für Kita und OGS um jeweils 2,5 Prozent erhöht werden.
Noch härter wird es die Eltern treffen, die gleichzeitig Kinder in einer Kita und in einer OGS betreuen lassen. Sie profitieren aktuell davon, dass es bei dieser Konstellation eine Geschwisterkind-Befreiung gibt, müssen also nur für ein Kind zahlen. Doch diese Regelung soll nun gestrichen werden. Eine Durchschnittsfamilie (Brutto-Jahreseinkommen ab 40.000 Euro) wird für die Betreuung von zwei Kindern nach den bisherigen Modellrechnungen 87 Euro mehr im Monat zahlen müssen.
Druck aus Arnsberg
Wie genau die Regelung am Ende aussehen wird, ist noch unklar. In der Hagener Politik ist man sich bewusst: Die Neuregelung enthält eine Menge gesellschaftlichen Sprengstoff. Über die Fraktionen hinweg ist man sich einig: Noch ist die Sache nicht entscheidungsreif. Die CDU fordert von der Verwaltung weitere Rechenmodelle ein, ob auch ein niedrigerer Prozentsatz bei der Erhöhung ausreichen könnte. Die SPD will die Beitragspflicht für Eltern erst ab einem höheren Jahreseinkommen einsetzen lassen: von 17.500 Euro soll sie auf 24.000 Euro angehoben werden.
Doch an einer Erhöhung führt wohl kein Weg vorbei. Die Bezirksregierung in Arnsberg macht Druck und will im Zuge der Haushaltssanierung sehen, dass Hagen die gesetzlichen Möglichkeiten ausschöpft. So rechnet das Land damit, dass Kommunen die Kita-Betreuung zu 19 Prozent durch Elterbeiträge finanzieren – auch wenn diese Quote in den wenigsten NRW-Städten erreicht wird. In Hagen liegt die Elternbeitragsquote derzeit bei 11,3 Prozent. Seit 2008 wurden die Beiträge auch nicht mehr erhöht. Wird es nun zu der jährlichen Erhöhung von 2,5 Prozent kommen, dann prognostiziert die Stadt Mehreinnahmen, die bis zum Jahr 2021 auf rund 730.000 Euro steigen werden. Hagens Eltern würden sich dann insgesamt mit mehr als 5 Millionen Euro an der Kita-Betreuung beteiligen. Bei der OGS würden sich die Mehreinnahmen bis 2021 auf 141.000 Euro erhöhen, die Eltern tragen dann pro Jahr rund 1,1 Millionen Euro für die Offene Ganztagsschule.
Geschwisterkindbefreiung wankt
Mittelschicht in den Mittelpunkt stellen
Natürlich kann man beim Sparen nicht immer neue Tabus aufbauen. Das gilt für die Kultur, das gilt auch für die Kinderbetreuung. Und doch lohnt es, die Neuregelung für Kita und OGS zu überprüfen. Aber mal nicht unter der Überschrift, dass hier die Schwächsten der Gesellschaft wieder betroffen seien. Diese Gruppe wird völlig zu Recht durch Beitragsfreiheit gefördert. Und die Gruppe, die davon profitiert, ist in Hagen groß. Nein, die typische Mittelschichtsfamilie gehört endlich in den Fokus. In der oft beide Partner arbeiten gehen (müssen), die Steuern zahlen und somit erst die Basis für unser Gemeinwohl schaffen. Die Mittelschichtsfamilie, die in Sonntagsreden immer wieder hervorgehoben wird, um ihr werktags immer neue Belastungen aufzusatteln. Mal mehr Grundsteuer, dann massiv höhere Kinderbetreuungsbeiträge. Wenn jetzt die Politik um die Details ringt, dann gehören diese Familien in den Mittelpunkt der Betrachtung. Denn sie sind Hagens Zukunft. Michael Koch
Ein kritisches Auge wird von der Kommunalaufsicht auch auf die „systemübergreifende“ Geschwisterkindbefreiung zwischen Kita und OGS geworfen und eine Neuregelung angemahnt. Denn von den insgesamt 7605 Kindern, die derzeit in einer Kita, von einer Tagesmutter oder in einer OGS betreut werden, sind 4738 Kinder – also 62 Prozent – vom Beitrag befreit. Weil das Einkommen der Eltern zu gering ist. Oder weil die Mädchen und Jungen im letzten Kindergartenjahr sind, das nach Beschluss der Landesregierung beitragsfrei ist (die Stadt Hagen bekommt dafür einen Ausgleich vom Land). Oder aber, weil sie von der Geschwisterkindregelung profitieren – das sind derzeit 1531 Kinder.
Sozial-Dezernentin Margarita Kaufmann weiß, dass andere Kommunen noch deutlich höhere Kita-Gebühren verlangen und Hagen lange nicht erhöht hat. Sie verteidigt auch die Neuregelung. Doch sie sagt auch: „Es ist ein Dilemma. Wir wollen ja nicht, dass sich Eltern überlegen, ob sie nicht doch lieber nach Breckerfeld oder Gevelsberg ziehen.“
Wie immer die endgültige Regelung auch aussehen wird, abzusehen ist: Alle Eltern, die so viel verdienen, dass sie beitragspflichtig sind, werden nun Jahr für Jahr etwas mehr pro Monat zahlen müssen. Und die, die Kinder in Kita und OGS haben, werden sehr viel tiefer in die Tasche greifen müssen.