Hagen. . Florian Ludwig wird Professor in Detmold und bleibt Generalmusikdirektor in Hagen. Der Dirigent will das Theater in schweren Zeiten nicht im Stich lassen.

Als Florian Ludwig vor sieben Jahren sein Amt als Generalmusikdirektor in Hagen antrat, wollte er „etwas aufbauen“. Und er wollte „der Generalmusikdirektor für die ganze Region“ werden. Beides ist dem populären Dirigenten gelungen. Die Hagener Philharmoniker stehen so gut da wie selten zuvor in ihrer über 100-jährigen Geschichte. Die jüngste Auszeichnung des Musikverlegerverbandes für das beste Konzertprogramm ist nur ein Beispiel dafür.

Doch es hätte immer wieder Gründe genug gegeben, den Taktstock hinzuwerfen. Unendliche Spardiskussionen hat Florian Ludwig mit der Politik führen müssen, in denen selten gewürdigt wurde, was das Theater für die Stadt leistet. Nun könnte der „General“ mit Anstand seine Karriere vorantreiben, als Professor auf einem der bedeutendsten deutschen Lehrstühle für Dirigieren in Detmold. Gerüchten zufolge war dem Maestro seitens der Hagener Verwaltungsspitze ohnehin schon nahegelegt worden, sich angesichts der unsicheren Zukunft der Bühne etwas Neues zu suchen. Florian Ludwig schätzt Rückgrat. Er bleibt trotz der Professur seinem Theater Hagen bis mindestens 2018 treu, solange läuft sein Vertrag - weil ein Steuermann in stürmischer See das Schiff nicht verlassen sollte.

Vernetzung in Stadt und Region

„Ich freue mich auf meine neue Tätigkeit, aber genauso gerne bin ich in Hagen“, unterstreicht Ludwig. „Wir kriegen beide Aufgaben wunderbar übereinander, die Hochschule kommt mir sehr entgegen. Mir liegt viel daran, in Hagen alle Dinge ohne Zeitdruck so vorzubereiten, dass man das in verantwortungsvolle Hände gut übergeben kann. Wir haben in den nächsten drei Jahren noch viele schöne Dinge, auf die wir uns freuen können.“

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Eines der einprägsamsten Fotos, die es von Florian Ludwig gibt, zeigt den Maestro, wie er einem schwerstbehinderten Mädchen das Dirigieren beibringt. Das war bei „Hänsel und Gretel“, einem Opernprojekt mit der Oberlin-Schule in Wetter-Volmarstein. Bundespräsident Gauck hat diese Inklusions-Initiative mit einem Preis gewürdigt. Brücken bauen, das Orchester weit in die Stadt und die Region hinein vernetzen, so lautet ein Ziel von Prof. Ludwig. Das gelingt ihm mit hochklassigen Konzert- und Opernaufführungen. Aber auch mit neuen Wegen: Crossover-Aktionen im Bereich Rock und Pop, Musikvermittlung in den Schulen. Die Hagener Philharmoniker sind das Residenzorchester des Festivals „Sauerland-Herbst“, in Brilon kennt jeder den Namen Florian Ludwig, in Olsberg wohnt Verwandtschaft.

Unter dem Stichwort Vernetzung ist seine größte Leistung wohl die Patenschaft über das Sinfonieorchester der Musikschule Hochsauerlandkreis. Erstmals in der Geschichte der deutschen Kulturorchester engagiert sich dabei eine städtische Philharmonie für Nachwuchsmusiker auf dem Land. Im Juni bieten die Philharmoniker übrigens ein Willkommenskonzert für Flüchtlingskinder an – wer Klassik im Elfenbeinturm sucht, wird sie in Hagen nicht finden.

Natürlich gab es auch Ärger. Ludwigs Versuch, zeitgenössische Tonkunst im Sinfoniekonzert zu etablieren, findet durchaus überschaubare Anerkennung. Und der eine oder andere Orchestermusiker würde ihn gerne von hinten sehen. Denn er verlangt viel. „Wenn man sieben Jahre Chef ist, werden einen nicht alle lieben. Klar, dass ich manchen Leuten auf die Füße gestiegen bin. Doch ich bin immer sehr glücklich, wenn ich von Außenstehenden höre, dass das Orchester in den vergangenen Jahren einen Sprung nach vorne geschafft hat“, bemerkt der Professor.

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Ludwigs Qualitäten haben sich herumgesprochen. Er hätte die Nachfolge von Antony Hermus als GMD in Dessau antreten können, ein großes Haus mit A-Orchester, mehr Geld, weniger Arbeit. Allerdings wollten die Dessauer einen Chef, der schon in diesem Sommer antritt. Ludwig jedoch möchte sein Theater Hagen nicht im Stich lassen in den schwierigen Jahren, die nun kommen.

Derzeit versucht die Bühne nach der Umwandlung in eine gGmbH, den politischen Sparbeschluss von 850.000 Euro umzusetzen, was nicht leicht ist für ein Haus, das ohnehin schon mit dem geringsten Zuschuss aller NRW-Theater auskommen muss, dafür mit die beste Platzauslastung hat. Aktuell steht ein weiterer zusätzlicher Millionenbetrag als Sparforderung im Raum. Den könnte das Theater ohne Rückbau nicht leisten.

Hagen bleibt Heimat

„Aus der Verantwortung würde ich mich ohnehin nie herausziehen, weil mir das Theater und das Orchester so am Herzen liegen. Ich bin der Meinung, dass das Theater bei den Sparvolumina, die es bereits erbringen musste und noch erbringen soll, nun einfach keine weiteren Einsparungen mehr verträgt. Das ist ja auch durch zahlreiche Gutachten dargelegt“, argumentiert Ludwig mit Leidenschaft.

Nach Detmold wird der Professor übrigens nicht ziehen. Die Nachbarn in Hagen-Wehringhausen würden auch den Anblick vermissen, wie der winzige weiße Cavalier King Charles Spaniel Tosca den großen, stattlichen GMD an der Leine durchs Viertel spazieren führt. „Meine Frau will unbedingt hier bleiben, weil sie sich in Hagen sehr viel aufgebaut hat.“

Und nach 2018? Bis dahin steht ein Intendantenwechsel an. Kontinuität wird bei der Rettung des Theaters eine große Rolle spielen.