Hagen. . Bei der Diskussion um den Online-Handel bemerken südwestfälische Einzelhändler, wie viele gute Ideen sie noch in ihren Läden umsetzen können.

Emotionen zu verkaufen und nicht nur Ware – das ist die Kunst, und Ralf Bachtenkirch (48) scheint sie zu beherrschen. Seit 2011 betreibt der Diplom-Kaufmann den Fahrradladen „Radleben“ in Delecke am Möhnesee. Spezialisierung, heißt sein Motto: Zeitlose Räder mit Nutzwert auf nur 150 Quadratmetern. Horex ist seine Eigenmarke für E-Bikes. Ein Online-Shop ist im Aufbau, aber schon mit der Präsentation im Netz erreicht Bachtenkirch Kunden in ganz Deutschland.

„Händler ohne Online-Präsenz existieren für die Kunden heute gar nicht mehr.“ Ein Satz mit Gewicht. Gerichtet an die 60 Einzelhändler, die am Montag in Hagen an der Auftaktveranstaltung zum dreiteiligen Cross-Channel-Training (Bedienung verschiedener Vertriebskanäle) der drei südwestfälischen Industrie- und Handelskammern bei der SIHK zu Hagen teilgenommen haben.

Leger gekleidete jüngere Geschäftsfrauen dominierten, der typische Business-Look fehlte. Alle waren sich einig, mehr tun zu müssen für das Online-Geschäft. Katarzyna Oerter, die in Burbach seit zwei Jahren ein Geschäft für Damenoberbekleidung führt, „will in der Online-Welt Fuß fassen“, fragt sich aber, wie. Viele ihrer Markenartikel würden von den Herstellern selbst über das Internet vertrieben. Margret Obermann hat zwei Modegeschäfte in Sprockhövel und nutzt Facebook, um die Kunden zu informieren. Im Online-Handel sieht sie für sich noch keine Gefahr: „Der Verbraucher braucht das Wohlgefühl des Anprobierens.“

Angebote attraktiver präsentieren

Manchmal reicht es, das stationäre Angebot attraktiver zu präsentieren. Eine simple Übung, eine Art Brainstorming, förderte kreative Ergebnisse zutage, die zeigten, wo der Schuh auch drückt - online hin oder her. Bei der Qualität von Sortimenten, Service, Ambiente in der Region ist noch viel Luft nach oben, scheint es. Einige haben es geschafft: Referentin Gaby Marx, gelernte Buchhändlerin und Einzelhandelskauffrau, heute Unternehmensberaterin, lobte die Vollkornbäckerei Niemand in Hagen für ihre hohe Kundenbindung, und die Kammern waren angetan von den gelungenen Cross-Channel-Konzepten des Porzellanhauses Schäfer in Arnsberg, von Zweirad Neumann in Brilon und von Schreibwaren Strothkamp in Soest.

Franz Hillebrand, der mit seiner Frau ein Schuhgeschäft in Herdecke führt, bezeichnet sich als Vollsortimenter: Schuhe von 50 bis 150 Euro, dazu Einlagen, Pflegemittel, Schnürsenkel. Tipps der Arbeitsgruppe: Schirme, Strümpfe, Sonnenbrillen, Gürtel, Mützen zusätzlich verkaufen. Und außerdem unterschiedliche Bodenbeläge vorrätig haben, ein Fußmessgerät, Pflegeservice, Rücknahme von Altschuhen, Fußmassage und Modetipps. Für Sportliche Hinweise zu Lauftreffs und für Elegante eine „Night of the Pumps“

Es wurde klar: Südwestfalens Händler wollen sich auch öffnen für die digitale Welt. Es fehlt aber vielfach an Konzepten und einer Übersicht über die Kosten. Der Nutzen muss dagegen abgewogen werden, und niemand weiß, wo der Online-Handel in 10 oder 20 Jahren steht. Gestern waren zunächst Mahnungen zu hören: Gaby Marx sprach von drohenden Leerständen in der Branche, von Produkt- und Marktsättigung, von drei Prozent weniger und immer verwöhnteren stationären Kunden im vergangenen Jahr, von reinen Lust- und Impulskäufen der Zukunft.

Wirtschaftliche Lösung gesucht

Entscheidend sei jedoch nicht, ob der Kunde online oder offline kaufe, sondern, dass er überhaupt kaufe, erklärte Marx. Das heißt, irgend eine Art von Internet-Präsenz reicht, es muss kein kostenträchtiger Web-Shop sein. Wichtig sei, den Laden attraktiver zu machen und im Wettbewerb mit dem Internet differenzierende Merkmale zu entwickeln

Einen Web-Shop würde Paul Hermann Grobbel, Spielwarenhändler aus Schmallenberg, gern haben. Für dessen Aufbau sucht er nach Lösungen, die „wirtschaftlich darstellbar sind“ - und spricht damit wohl der Mehrheit der anwesenden Händler aus der Seele. Aber wer soll sie umsetzen? Die Kammern dürfen alles. Empfehlungen abgeben aber nicht.

Cross-Channel-Training haben sich die drei südwestfälischen Industrie- und Handelskammern in Hagen, Siegen und Arnsberg auf die Fahne geschrieben. Ziel ist, den regionalen Einzelhandel für die Konkurrenz im Internet zu sensibilisieren und Lösungswege aufzuzeigen.

Der erste Teil in Hagen befasste sich mit Marketingmaßnahmen im stationären Geschäft. Es ging um Sortimente, Service und Ambiente. Die folgenden Veranstaltungen finden am 22. Juni bei der IHK Arnsberg und am 1. September in Siegen statt. Dann wird es um Online-Marketing gehen.