Herbeck. . 96 Meter Stromschienen, jede 10 mal 100 Millimeter dick, schraubten Einbrecher bei der Firma Rheinkalk von den Gerüsten und schafften sie ins Freie. 856 Kilo wog die Beute.
Es muss ein sehr schmächtiger Mensch gewesen sein, der sich durch den Kabelschacht gezwängt hat. Wahrscheinlich war es aber ein Kind. Am Tatort fand die Polizei eine zurückgelassene Kinderhose, die ihrem Träger möglicherweise an den engen Schachtwänden vom Körper gerutscht ist. Von innen muss der kriminelle Knirps dann die Türen zum Schalthaus geöffnet und seine erwachsenen Begleiter hereingelassen haben.
Und die leisteten ganze Arbeit: 96 Meter Stromschienen, jede 10 mal 100 Millimeter dick, schraubten sie fein säuberlich von den Gerüsten und schafften sie ins Freie. Dort wartete wohl ein Lastwagen, um die Beute abzutransportieren. Denn deren Gewicht war exorbitant: 856 Kilogramm müssen die gestohlenen Kupferkabel nach Berechnungen von Friedhelm Neuhaus gewogen haben – sicherlich der „schwerste“ Einbruch, den es in Hagen je gegeben hat.
Generalstabsmäßig geplant
Der spektakuläre Diebstahl der nahezu eine Tonne schweren Kabelstränge war der bisherige Höhepunkt einer langen Serie von Straftaten im stillgelegten Steinbruch-Werk der Firma Rheinkalk. Allein im Jahr 2014 gab es 19 Einbrüche, wurden insgesamt neun Tonnen Kupfer gestohlen. Werkleiter Friedhelm Neuhaus und seine 25 Beschäftigten haben mittlerweile Routine darin, die Polizei anzurufen: „Wir haben Phasenprüfer und Bolzenschneider am Tatort gefunden, die wohl von den Dieben stammen."
Die Ganoven haben es auf die Kupferkabel abgesehen, die kilometerweise auf der riesigen Industriebrache, auf der bis 2007 Steine zerkleinert und geschmolzen wurden, verlegt sind. Der Schrottwert des begehrten Altmetalls liegt derzeit bei vier Euro pro Kilo, die generalstabsmäßig durchgeführten Einbrüche sprechen dafür, dass internationale Banden am Werk sind. Nach Angaben der Kripo ist Altmaterial in solch rauen Mengen, wie sie bei Rheinkalk verschwinden, auf Schrottplätzen kaum abzusetzen, sondern wird häufig nach Rotterdam transportiert und auf dunklen Wegen über den dortigen Hafen ins Ausland verfrachtet.
Rheinkalk gehört zum Lhoist-Konzern
Die Rheinkalk-Gruppe entstand 1999 aus der Zusammenführung der Rheinischen Kalksteinwerke in Wülfrath und der Rheinisch-Westfälischen Kalkwerke AG in Wuppertal.
Das Unternehmen gehört zum Lhoist-Konzern, der Weltmarktführer bei der Herstellung von Kalk- und Dolomit-Erzeugnissen ist. Die Zentrale des Konzerns ist in Belgien.
Weil die weitläufigen Anlagen in Herbeck außer Betrieb genommen wurden, bemerken die Rheinkalk-Mitarbeiter, die im oberen, an der Dolomitstraße gelegenen Werk tätig sind, die Einbrüche oft erst nach Tagen. Überall liegen Kunststoff-Ummantelungen herum, die die Kupferleitungen einst isoliert haben und von den Verbrechern an Ort und Stelle abgeschält wurden. „Das sind Profis“, so Andreas Thörnich, Leiter der Instandhaltung: „Die wissen genau, wie sie vorgehen müssen.“
Sicherheitsvorkehrungen verschärft
Rheinkalk hat die Sicherheitsvorkehrungen verschärft und einen Wachdienst engagiert, der rund um die aufgegebene Fabrik patrouilliert. Zwar verfolgt die Hagener Polizei noch keine heiße Spur, doch setzen die Beamten alles daran, den notorischen Spitzbuben das Handwerk zu legen. So werden Überwachungskameras aufgehängt, Spürhunde eingesetzt und nächtliche Kontrollen durchgeführt. Einen ersten Ermittlungserfolg gibt es immerhin: Auf dem Film einer Kamera ist zu erkennen, wie die Ganoven auf dem Firmengelände umherschleichen. Einmal, so hoffen die Beamten, muss die Bande mit dem Kind doch in die Falle tappen.