Hagen. . Hagens Oberbürgermeister Erik O. Schulz richtet seinen Fokus angesichts der schwierigen Situation bei Enervie zunächst auf den Erhalt von Arbeitsplätzen.
Während der Enervie-Betriebsrat gestern in die Sozialplanverhandlungen mit der Unternehmensspitze eingestiegen ist, hat sich Oberbürgermeister Erik O. Schulz in seiner Eigenschaft als Aufsichtsratsvorsitzender dafür ausgesprochen, möglichst viele Arbeitsplätze innerhalb der unterschiedlichen Sparten des Energieversorgers zu erhalten. Seitdem die Durchschlagung des Strominsel-Knotens zum Jahresende zu gelingen scheint, stehen die Stellen der 330 Beschäftigten in der Kraftwerkssparte zur Disposition. „Bevor wir über Dividende und Eigenkapitalquote reden, müssen zu allererst die Menschen mit ihren Familien in den Fokus rücken“, betonte der OB im Gespräch mit dieser Zeitung. „Die Mitarbeiter sind es nämlich in der Vergangenheit gewesen, die mit ihrer Kompetenz das Unternehmen erst ausschüttungsfähig gemacht haben.“
Arbeitsplätze haben Priorität
Jede Idee, Arbeitsplätze im Unternehmen halten zu können, habe jetzt Priorität. „Das ist der wichtigste Punkt, denn hier geht es um Schicksale.“ Erst im nächsten Schritt, so der 49-Jährige weiter, müsse überlegt werden, wie durch einen Sozialplan der Personalabbau gemanagt oder eventuell notwendige betriebsbedingte Kündigungen finanziell abgefedert werden könnten. Dabei dürfe eine Balance zwischen der Leistungsfähigkeit der Enervie und den Ansprüche der Betroffenen nicht aus den Augen verloren werden.
100-jährige Geschichte
Schulz erinnerte ausdrücklich daran, dass die aktuelle Situation der Enervie, die er als enorme und dramatische Herausforderung, aber keineswegs als Krise verstanden wissen möchte, ausschließlich den Effekten der Energiewende geschuldet sei. Dabei sei die historische Brisanz, die es in der mehr als 100-jährigen Geschichte des Unternehmens in dieser Form nie zuvor gegeben habe, vor allem der Tatsache geschuldet, dass der Erzeugungsanteil bei Enervie für einen regionalen Energieversorger besonders hoch sei: „Diese Dominanz, die für lange Jahre für den Ertrag besonders gut war, macht die Situation nun besonders schwierig.“
Kritischer Blick auf Fremdvergaben
Wie viele Enervie-Mitarbeiter letztlich direkt von der Schließung der Strom-Erzeugungsstandorte betroffen sind, ist noch offen. Aktuell ist von 220 bis 330 Beschäftigten die Rede.
Der Betriebsrat möchte erwirken, dass ein Sozialplan für sämtliche Ressorts gilt, so dass Mitarbeiter aus der Erzeugung eventuell auch in anderen Sparten unterkommen können.
Außerdem möchte die Personalvertretung durchsetzen, dass sämtliche Fremdvergaben der Enervie auf den Prüfstand kommen, bevor Kollegen betriebsbedingt gekündigt werden müssen.
Die Bereitschaft, den Strominsel-Knoten zu durchschlagen, sei bei den vorgeschalteten Netzbetreibern erst durch die Initiative des Enervie-Vorstandes gemeinsam mit Aufsichtsrat, heimischen Wirtschaftsunternehmen und SIHK bei Sigmar Gabriel entstanden. „Dass das erhoffte Ergebnis jetzt schneller da ist als erwartet, führt sicherlich zu einer Entlastung der regionalen Wirtschaft – es führt aber auch ein Stück weit dazu, dass die Enervie-Belegschaft einen Preis für die Folgen der Energiewende zahlt.“ Daher sei es auch geboten, dass die Hagener Bürger durch eine Erhöhung der Netzentgelte – wenn jetzt auch geringer als ursprünglich befürchtet – ihre Solidarität zeigten. „Hagen hat immer von der Leistung der Beschäftigten und den qualitätvollen Arbeitsplätzen des Unternehmens profitiert“, erinnerte der Aufsichtsratschef. „Enervie ist kontinuierlich seiner regionalen Verantwortung in den Bereichen Bildung, Kultur und Sport nachgekommen und hat energiepolitische Prozesse und Klimaschutzprogramme gefördert.“ Vor diesem Hintergrund seien Kommune, Wirtschaft und Politik in der Pflicht, im Sinne von Enervie zusammenzustehen.
Alles wird überprüft
Der Enervie-Vorstand genieße weiterhin sein volles Vertrauen, betonte Schulz ausdrücklich. „Die Situation ist im Aufsichtsrat zuletzt sehr offen, minutiös und vor allem transparent dargestellt worden. Wenn Anspannung in der Luft liegt, muss man Probleme offen ansprechen und eng zusammenrücken“, wertete Schulz die Bildung des heute erstmals tagenden Finanz-Arbeitskreises als Ausdruck einer funktionierenden Zusammenarbeit von Vorstand und Aufsichtsrat.
Dabei würden nicht bloß alle Kraftwerksoptionen, sondern auch die Bilanzstrategie geprüft. Außerdem werde dort der Kurs des Vorstandes, der bereits von der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PwC) begleitet wird, durch weiteren externen Sachverstand gespiegelt. „Eine zweite Meinung“, so der OB, „kann in dieser Situation nur gut tun und die Anteilseigner kommen so ihrer Kontrollfunktion nach.“