Hagen/Lüdenscheid. . Eine Finanzkommission muss die Bilanz des Hagener Unternehmens Enervie neu berechnen. Bis zu 330 Stellen sollen wegfallen.

Die Finanzkommission soll’s richten: Dieses Gremium hat der Aufsichtsrat des Energieversorgers Enervie gebildet; morgen kommen die Mitglieder zusammen. Um zu rechnen. Und einen Ausweg aus dem sich abzeichnenden finanziellen Desaster zwischen verlustreichen Kraftwerken, massivem, sofortigen Arbeitsplatzabbau und wegfallenden Zusatzeinnahmen aus Netznutzungsentgelten zu suchen. Und möglichst zu finden.

Sie brauchen dafür eigentlich Ruhe. Aber die Mitglieder der Finanzkommission haben keine Zeit. Die Geschäftspolitik des Energieversorgers – die Aufgabe der eigenen Stromerzeugung, die bislang auf einen Zeitraum von vier Jahren ausgelegt war, muss jetzt innerhalb von zwölf Monaten umgesetzt werden.

Ohne betriebsbedingte Kündigungen geht es nicht

Das Treffen, in dem der Vorstand dem Aufsichtsrat im März ordnungsgemäß die Bilanz und die mittelfristige Finanzplanung vorlegen wollte, ist nach Informationen dieser Zeitung verschoben; die Hauptversammlung, die einen Monat später stattfinden sollte, auch. Um „sechs bis acht Wochen“, heißt es. Es gebe derzeit mehr offene Fragen als Antworten, so eine Einschätzung aus dem Aufsichtsrat. Ob und wann das Unternehmen wieder eine Dividende zahlen kann? „So optimistische Ansätze waren überhaupt kein Thema“, heißt es nüchtern, fast sarkastisch, aus dem Kontrollgremium.

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Donnerstagmorgen ist die Belegschaft über die „fundamental neue Situation“ informiert worden, so Unternehmenssprecher Uwe Reuter. Der Arbeitsplatzabbau müsse vorgezogen werden. Darüber gebe es keinen Dissens mit den Arbeitnehmervertretern, berichtete Reuter aus der nicht-öffentlichen Versammlung. Demnach geht es um den Abbau von 220 bis 330 Arbeitsplätzen. „So sozialverträglich wie möglich“, erklärt Reuter; „betriebsbedingte Kündigungen“ solle es möglichst wenige geben – heißt: Ohne wird es nicht gehen.

Handel und Zentralverwaltung sind auch betroffen

Die Stimmung sei „bedrückend, aber nicht aggressiv“ gewesen, berichtete Gesamtbetriebsratsvorsitzender Thomas Majewski von der Belegschaftsversammlung. Seine nüchterne Einschätzung: „Ich glaube nicht, dass wir in der Summe den Arbeitsplatzabbau sozialverträglich hinkriegen“.

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Das ärgert Dieter Dzewas, Bürgermeister von Lüdenscheid und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender, am meisten. Der Lüdenscheider formuliert: „Es werden womöglich Sonderopfer von altgedienten Mitarbeitern verlangt werden, damit das Unternehmen noch einigermaßen Wasser unterm Kiel behält“. Auch Dzewas spricht von „notwendigen Anpassungen“, „so sozialverträglich wie möglich, aber vor der schmalen, wirtschaftlichen Basis“. Wenn ein Sozialdemokrat, und dann noch von Hause aus ein ausgesprochener Sozialpolitiker, so formuliert, muss der finanzielle Spielraum des Unternehmens extrem eng sein.

Den Jobabbau trifft nicht nur die Erzeugersparte; auch im Handel und in der Zentralverwaltung müssen Beschäftigte um ihren Arbeitsplatz fürchten. Ein Sozialplan soll und muss wohl ausgehandelt werden: Es geht schließlich um Massenentlassungen. Die Gespräche sollen schon heute beginnen. Von einer Transfergesellschaft ist die Rede; vom Versuch, das Land NRW an der Finanzierung zu beteiligen.