Hagen. Fernuni und Landgericht starten „Moot Court“: Jura-Studenten treten im Wettbewerb gegeneinander an.

Die Gesetzestexte liegen aufgeschlagen auf den Tischen, die Anwälte in den schwarzen Roben beraten sich leise und machen noch einige Notizen. Dann betritt die Kammer den Schwurgerichtssaal 201 am Hagener Landgericht.

Wo normalerweise Kapitalverbrechen verhandelt werden, steht heute eine Zivilsache auf dem Sitzungsplan. Wo normalerweise Urteile im Namen des Volkes ergehen, gibt der Vorsitzende Richter Till Deipenwisch zum Ende der Verhandlung Tipps fürs juristische Argumentieren.

Wettbewerb der Juristen

Denn die Gerichtsverhandlung ist gespielt, der Fall fiktiv. Der „Moot Court“, bei dem die Studierenden im Wettbewerb gegeneinander antreten, wurde erstmals von der Fernuniversität in Hagen in Zusammenarbeit mit dem Landgericht und der internationalen Jurastudentenvereinigung ELSA ausgerichtet.

Neben dem Vorsitzenden Richter vervollständigen die Fernuni-Professoren Sebastian Kubis und Ulrich Wackerbarth aus der Rechtswissenschaftlichen Fakultät als Beisitzer die Kammer. Die Akteure vor der Richterbank sind Studierende der Rechtswissenschaft, die in die Rollen von Anwälten schlüpfen. Sie vertreten jeweils Kläger oder Beklagte.

Verbindung von Theorie und Praxis 

Die Klägerinnenseite hat das Wort: Sachlich und souverän argumentieren die beiden Frauen mit „Fahrlässigkeit“ und „Pflichtverletzung“, sprechen von „Beweislastumkehr“ und „Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen“. Die Beklagtenseite hält standhaft dagegen. Sie muss auf Nachfragen der Kammer antworten und Aspekte dieses Falls rechtlich einordnen.

„Mit der erstmaligen Ausrichtung des ELSA Moot Court wird die juristische Ausbildung an der Fernuniversität um ein wichtiges Element bereichert“, erläutert Sebastian Kubis, Inhaber des Wilhelm-Peter-Radt-Stiftungs-Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Gewerblichen Rechtsschutz, Internationales Privat- und Zivilprozessrecht. „Die Verbindung von Theorie und Praxis ist gerade in der Rechtswissenschaft von besonderer Bedeutung. Auf diese Weise wird die Bedeutung rechtlicher Überlegungen ganz anders erfahrbar als durch Klausuren und Hausarbeiten.“

Finale vor dem BGH

Sechs Wochen hatten die Studierenden Zeit, sich in Zweierteams in den Fall einzuarbeiten, eine Klage oder eine Klageerwiderung zu formulieren und sich auf die Verhandlung vorzubereiten. Als Fernstudenten standen sie zudem vor der Herausforderung, die Aufgaben neben dem Berufs- und Familienalltag zu erledigen – als freiwilliges Angebot im Rahmen des rechtswissenschaftlichen Studiums.

Wie haben sie sich in die Situation des fiktiven Prozesses hineinversetzt? „Ich hab‘ mir vorgestellt, eine Schauspielerin zu sein, und die Robe ist mein Kostüm“, sagt Fernuni-Studentin Cornelia Henn-Wienand. Das hat gewirkt.

„Für den ersten Ausflug in die Praxis haben wir hier tolle Leistungen gesehen. Alle Beteiligten waren sehr gut vorbereitet“, lobt Landgerichtspräsident Thomas Vogt. „Ich hoffe, dass wir weitere Moot Courts der Fernuniversität vor dem Landgericht sehen werden. Wir stehen als Kooperationspartner zur Verfügung.“

Das Gewinnerteam aus dem Hagener Lokalentscheid hat nun die Chance, sich in einem Regionalentscheid für das Finale vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe zu qualifizieren.