Hagen. Die Verwalterin eines Hochhauses in Hagen-Boloh mit 96 Parteien hat illegal Überwachungskameras installiert. Neun Jahre lang standen die Bewohner unter Beobachtung. Jetzt landet die geplante Ablösung der Frau vor Gericht.

In dem Hochhaus am Boloh wohnen 96 Parteien. Was niemand dort wusste oder gar ahnte: Über einen Zeitraum von mindestens neun Jahren wurden die Hausbewohner mit versteckten Kameras überwacht. Inzwischen beschäftigt der ungewöhnliche Fall von privater Bespitzelung den NRW-Datenschutzbeauftragten und das Amtsgericht.

Offiziell ist es die Hausmeisterwerkstatt im Keller, in Wahrheit war es eine heimliche Überwachungszentrale – mit Bildschirm, zwei Aufzeichnungsgeräten und zahlreichen Kabeln und Strippen. Dort unten liefen jahrelang die Bilder aus fünf Kameras auf: Im Eingangsbereich des Hochhauses waren zwei Mikrokameras in der Deckenleuchte versteckt, eine Kamera beobachtete die Mülltonnen, zwei Kameras überwachten das Treiben in der Waschküche.

Abberufung landet vor Gericht

Die Frau (56), die seit über 25 Jahren die Verwalterin des Hauses ist und dort auch selbst wohnt, räumt freimütig ein, die fünf Kameras eigenmächtig installiert zu haben. Aber keineswegs habe sie dadurch, wie ihr in einer Klage (Aktenzeichen 143 C 19/14) vorgeworfen wird, „das Verhalten der Hausbewohner kontrollieren und bis ins Kleinste hinein überwachen wollen“. Die Aufnahmen hätten lediglich dazu gedient, Straftaten aufzuklären.

So sei es in dem Hochhaus zu zahlreichen Schmierereien, Beschädigungen, Diebstählen und Abladen von Müll durch Nichtbewohner gekommen: „Mit Hilfe der Kameras ist es mir mehrfach gelungen, die entsprechenden Täter ausfindig zu machen und so einen Beitrag zur Sicherheit und Sauberkeit im Hause zu leisten“, begründet die Hausverwalterin in einem Brief an alle Eigentümer und Bewohner im Nachhinein ihre Vorgehensweise.

Hausverwalterin steht wieder auf der Kippe

Die Aufnahmen seien nicht gespeichert worden, sie hätten sich alle 24 Stunden selbst überspielt. Selbst die heimliche Installation wird von ihr gerechtfertigt: „Wenn das ganze Haus weiß, dass es Kameras gibt und wo diese sind, werden diese beschädigt und unbrauchbar gemacht.“

Medien gegenüber möchte die Verwalterin „nichts dazu sagen, bevor das Urteil vorliegt.“ Das dürfte schon am Mittwoch der Fall sein. Amtsrichterin Catharina Unger wird in dem heiklen Fall entscheiden, ob die Hausverwalterin, wie beantragt, von ihrer Position abberufen werden muss. Bei einer Versammlung am 10. März hatte sich eine knappe Mehrheit der Eigentümer für ihren Verbleib ausgesprochen.

Datenschützer schaltet sich in den Hagener Fall ein 

Rechtsanwalt Werner Reinhardt (Altenhagen) vertritt eine Klägerin, die eine Überwachung nicht hinnehmen will und sich auf den Minderheitenschutz beruft: „Nach der illegalen Kamera-Aktion ist das Vertrauenverhältnis zerstört“, erklärt der Fachanwalt für Miet- und Eigentumsrecht, „als professionelle Hausverwalterin hätte die Beklagte wissen müssen, dass eine derartige Überwachung unzulässig ist und einen massiven Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, auch der Mieter, darstellt.“

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Mittlerweile hat sich der Landesbeauftragte für Datenschutz in NRW in den Hagener Fall eingeschaltet und eine Stellungnahme eingefordert. Die Hausverwalterin wusste diesem von immerhin einer erfolgreichen Täterüberführung zu berichten: „Der Diebstahl von etwa 20 Stück Plastikeinsätzen mit Namensschildern an den Briefkästen konnte aufgeklärt werden“, heißt es in ihrem Antwortschreiben an die Behörde. „Die Diebin wurde anhand einer markanten Strickmütze ermittelt.“

Es hätte sich bei der Täterin um eine Mieterin gehandelt. Von einer Anzeige sei jedoch abgesehen worden. Weil die ertappte Frau, auf den Diebstahl angesprochen, „die Plastikeinsätze vollständig zurückgegeben hat“.