Altenhagen. . Schüler die noch kein Wort Deutsch sprechen – an der Erwin-Hegemann-Schule in Altenhagen werden Flüchtlingskinder integriert und unterrichtet.
Es dauert einen Moment. Es sind Augenblicke, in denen sich Mshir die Worte im Kopf zurechtlegt. Dann spricht er: „Es ist Montag, der erste Dezember. Es ist Herbst. Es ist wolkig.“ Mshir spricht diese drei Sätze. Dann lächelt er verlegen.
Mshir, Krystian, Suro und die anderen Kinder – sie sprechen, sie zählen, sie tanzen gemeinsam. Sie alle besuchen die Erwin-Hegemann-Schule in Altenhagen. Eine Grundschule, an der Kinder aus 28 Nationen unterrichtet werden. 40 davon sind Kinder aus Familien, die erst in letzter Zeit nach Deutschland gekommen sind. Sie sprechen kaum Deutsch, einige von ihnen haben noch nie eine Schule besucht. Sie können weder lesen noch schreiben noch rechnen. Und doch besuchen sie eine ganz normale Schulklasse.
Kraftakt für das Kollegium
„Das ist nicht immer unproblematisch“, sagt Schulleiterin Maria Jüttemeier, „aber wir wollen diese Kinder nicht ausgrenzen. Wir wollen sie schnell in den Schulalltag integrieren.“ Ein Kraftakt für das Kollegium, der reichlich Flexibilität erfordert. Einer allerdings, der sich lohnt, wie Maria Jüttemeier findet: „Die Kinder werden – unabhängig von ihrem Alter, sondern entsprechend ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse – in Sprachgruppen aufgeteilt“, so die Schulleiterin, „in Fächern wie Kunst, Musik oder Sport, in denen sie auch ohne Sprachkenntnisse Erfolgserlebnisse erfahren, werden sie in den Regelklassen unterrichtet.“
Daneben gewinnen an der Grundschule in Altenhagen freiwillige Angebote an Bedeutung: „Dazu zählen unter anderem eine Tanz-AG, die von einem professionellen Tanzlehrer geleitet wird, oder eine Theater-AG, in der die pantomimische Darstellung im Vordergrund steht“, sagt Jüttemeier.
Trotz der Erfahrungen an der Schule und trotz des schlüssigen Konzeptes ist an der Erwin-Hegemann-Schule nicht alles Gold, was zu glänzen scheint. „Die Kinder kommen mit ganz unterschiedlichen Lebenserfahrungen und Geschichten zu uns. Das darf man nicht vergessen“, sagt Maria Jüttemeier, „zum Teil sind es Mädchen und Jungen, die aus EU-Ländern mit ihren Eltern nach Deutschland gezogen sind, zum Teil sind es aber auch Flüchtlingskinder, die den Schrecken des Krieges in Syrien erlebt haben. Es gibt Kinder, die verweigern sich komplett, brauchen bis zu einem Jahr, bevor sie das erste Mal reden. Aber wir haben noch im Sommer einen Viertklässler mit Gymnasialempfehlung entlassen, der erst seit einem halben Jahr in Deutschland gelebt hat.“
Schul-Sozialarbeiterin unterstützt die Lehrer
An der Erwin-Hegemann-Schule in Altenhagen ist neben den Grundschullehrern auch an vier Tagen eine Sozialarbeiterin beschäftigt, die sich speziell um die Belange der Zuwanderungskinder kümmert.
An Elternsprechtagen stehen im Rahmen des Projektes „Sprint“ ehrenamtliche Übersetzer zur Verfügung, die für die Eltern dolmetschen.
Daneben spielt die Elternarbeit eine zentrale Rolle. Niederschwellig, ohne bürokratische Hürden. Es geht um Vertrauen. „Das mag manchmal mühsam sein. Schule wird als Stressfaktor gesehen – insbesondere von Eltern, die selbst nicht alphabetisiert worden sind und unsere Sprache nicht sprechen“, sagt Maria Jüttemeier. Also hat die Erwin-Hegemann-Schule ein Elterncafé eingerichtet: „Viele, die einmal hier waren und erfahren, wie wir mit ihren Kindern arbeiten, kommen wieder.“
Der individuelle Fortschritt zählt
Und doch steht hinter all den Bemühungen um einen guten Einstieg und um Integration ein Schulsystem mit seinen bürokratischen Hürden und seinen Erwartungen an die Leistungsfähigkeit der Kinder: „Zeugnisse gehören zur Schule dazu. Aber wichtig ist der individuelle Fortschritt, den die Kinder machen. In den ersten zwei Jahren muss man nicht unbedingt eine Note geben.“