Ostbüren. Was leisten Lehrer in Corona-Zeiten? Verena De Angeli aus Ostbüren ist Lehrerin - und möchte Vorwürfe gegen ihren Berufsstand nicht stehen lassen
Was leisten Lehrer in diesen Corona-Zeiten? Vorwürfe hört man immer wieder: kein Präsenzunterricht in den vergangenen Monate gleich Freizeit für die Pädagoginnen und Pädagogen. Nicht erreichbar für die Eltern bei Fragen und Problemen im Homeschooling. Sie schicken kein Material, wie es eigentlich vorgesehen war. Verena De Angeli aus Fröndenberg möchte das so nicht stehen lassen und berichtet von ihrem Schulalltag. Der nach der kompletten Wiederöffnung auch von Sorgen bestimmt ist.
Als Lehrerin arbeitet sie an einer Grundschule in Asseln, einem eher kleinstädtisch geprägten Stadtteil im Osten von Dortmund. Zuhause ist sie in Ostbüren. Und zwangsläufig ist auch für sie das traute Heim mit den Coronamaßnahmen, konkret den Schulschließungen ab Mitte März, mehr und mehr zum Arbeitsplatz geworden.
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Wenn Verena De Angeli in den letzten Wochen, so erzählt sie, Fernsehen geschaut, Radio gehört oder die Presse verfolgt hat, war die Situation der Schüler natürlich immer wieder ein Thema. Aber aus Sicht der Ostbürenerin niemals wirklich umfangreich. „In einer Sendung haben dann zum Beispiel Eltern gefragt, was die Lehrer jetzt den ganzen Tag machen", sagt De Angeli und möchte dabei den Müttern und Vätern noch nicht einmal Bösartigkeit unterstellen bei dieser Frage, eher Unwissenheit. „Denn auf diese Frage haben in der Sendung dann irgendwelche Politiker und Verbandsvertreter geantwortet und rumgedruckst, weil sie es eben gar nicht genau wissen konnten.“ Aber niemals tatsächlich ein Lehrer oder eine Lehrerin – zumindest in den Medien, die sie verfolgt habe.
Konzept für digitales Lernen
Stattdessen möchte sie nun antworten und aus ihrem Corona-Arbeitsalltag erzählen. Freilich übertragbar auf alle Lehrkräfte seien diese Eindrücke nicht, aber für ihr Kollegium an der Dortmunder Grundschule will sie es schon unterstreichen: „Wir haben jeden Tag gearbeitet. Alle sind hoch motiviert und engagiert, um diese Situation zu meistern."
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Mit der kurzfristig entschiedenen Schließung aller Schulen Mitte März habe auch ihre Einrichtung auf die Schnelle ein Konzept für digitales Lernen aufstellen müssen. Verena De Angeli ist seitdem in einer Corona-Koordinierungsgruppe an ihrer Schule, die diese noch nicht gekannte Notlage steuert und sich dafür wöchentlich mehrere Stunden trifft. Einmal pro Woche verschickte sie seitdem ein Lernpaket an die 28 Kinder ihrer zweiten Klasse. Vor allem digital, aber auch ausgedruckt. „Manche Eltern an unser Schule haben zuhause keinen Drucker oder Internet nur auf dem Handy. Also konnten sie die Pakete auf dem Schulhof abholen. Und wenn das manchmal nicht ging, haben wir die Unterlagen auch nach Hause gebracht."
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Wenn die Aufgabe zurückkamen, ging es ans Korrigieren, personalisierte Rückmeldungen schreiben, neue Aufgabenpakete schnüren. Und das jeweils immer nach Leistungsstand der lieben Kleinen. Das bedeutet, so Verena De Angeli, in der Regel mindesten vier unterschiedliche Pakete an Anforderungen pro Klasse. Für Rückfragen, so sagt die Pädagogin, sei sie ihm Prinzip rund um die Uhr erreichbar, habe zum ersten Mal auch ihre private Handynummer rausgegeben. Und nicht nur das: „Ich habe bis zur Wiederöffnung nicht nur mit allen Eltern, sondern auch mit allen Kindern regelmäßig telefoniert, manchmal eine Stunde lang pro Person, mit manchen auch fast jeden Tag wo es nötig ist."
Stresspegel und Arbeitszeit erhöht
Es gehe ja nicht nur um den Lernerfolg, sondern auch um die Frage, ob darüber hinaus alles in Ordnung sei in den Familien. Das alles habe ihre Arbeitszeit im Unterschied zu „normalen Zeiten" deutlich erhöht. „Und den Stresspegel auch." Ganz besonders dann, als der eingeschränkte Betrieb mit Präsenzunterricht an einzelnen Wochentagen wieder begann: De Angeli hatte von ihrer eigenen Klasse dann ein Drittel wieder beisammen, neun Mädchen und Jungen. Die anderen wurden von Kollegen unterrichtet (welche De Angeli inhaltlich entsprechend vorbereiten musste), während sie an den anderen Wochentagen dann wiederum Kinder aus anderen Klassen in der Kleingruppe betreute (was entsprechend auch nicht ohne abgestimmtes Konzept geht). Und zuhause musste sie weiter den digitalen Unterricht für die Homeschooling-Tage vorbereiten.
Händewaschen braucht in der zweiten Klasse sehr viel Zeit
Die vergangenen beiden Wochen komplette Öffnung vor den Sommerferien, so sagt Verena De Angeli, hätte aus ihrer Sicht nicht mehr unbedingt sein müssen. Dies habe noch einmal für viel Unruhe gesorgt. Auch wenn einige Eltern gute Gründe hätten, diese Entscheidung doch zu begrüßen. Der Unterrichtsalltag sieht in ihrer zweiten Klasse derzeit so aus, dass sehr viel Zeit für das Händewaschen eingeplant ist.
Auf Erholung in den Ferien freut sich die Fröndenbergerin einerseits. Noch sei sie aber nicht sicher, wie diese aussehen werden, schließlich kämen derzeit noch ständig neue Entscheidungen aus Düsseldorf. „Ich wäre sicher auch bereit, mit einigen Kindern daran zu arbeiten, ihre Defizite in den Ferien aufzuholen, dort wo es dringend nötig ist.“ Eine Urlaubsreise hat sie jedenfalls erstmal nicht geplant.
Ein extremes Beispiel habe so ausgesehen: „An einem Tag war ich von sieben bis 21 Uhr in der Schule, hatte erst am Nachmittag die Gelegenheit für eine Pause.“
Seit Montag sind nun alle Kinder wieder da: „Einerseits freue ich mich, alle wiederzusehen. Es war aber auch sehr anstrengend." Denn in der vollen Klasse ist der Abstand schwer einzuhalten, Maskenpflicht hat die Politik nur für die Flure erlassen. Es findet reiner Frontalunterricht statt. Ein mulmiges Gefühl bleibt trotzdem. „Der Arbeitgeber und Politik sorgen eigentlich nicht für ausreichend Schutz für uns Lehrer." Eine Plexiglaswand für ihr Pult habe ihr Mann gebaut, Desinfektionsmittel müsse sie auf eigene Kosten besorgen, ebenso Schutzmasken.
Großes Lob an die Eltern
Im Rückblick auf die letzten vier Monate sagt sie aber auch: „Großes Lob an die Eltern, die haben unglaublich viel geleistet." Und auch ihr immer wieder dankbare Rückmeldungen gegeben. Vorurteile und Vorwürfe der Faulheit habe sie an ihrer Schule nie gehört. Auch dass ein Grund warum sie weiter überzeugt sagt: „Es ist wirklich mein Traumberuf."