Frömern. Nach über zehn Jahren verlässt Jugendreferent Sebastian Richter die Evangelische Kirchengemeinde Frömern.
Der Regen tröpfelt auf das Gemeindehaus, der Wind pfeift. In den Katakomben der Evangelischen Kirchengemeinde Frömern sitzt Jugendreferent Sebastian Richter am Konferenztisch. Es ist einer der letzten offiziellen Termine für ihn. Denn nach etwas mehr als zehn Jahren zieht es das „Eigengewächs“, wie er selbst sagt, nun ins Münsterland.
„Schaf“-Aktion bundesweit bekannt
Abseits des Konferenztisches stehen zwei Überbleibsel aus Richters Zeit in Frömern. Zwei Schafe. Eines blau angemalt, verziert mit mehreren Landeswappen; das andere trägt eine Hawaiikette und Flip-Flops an den Hufen. Die Aktion „Sei kein Schaf, geh wählen“ ist eine der prägendsten in Richters Amtszeit. Ihren Ursprung hatte das Ganze vor der Kommunalwahl 2014. Damals riefen Frömerner Jugendliche rund um Sebastian Richter dazu auf, sich politisch zu beteiligen und ein Kreuz zu setzen.
Interviews online
Auf dem YouTube-Kanal der Evangelischen Jugend Frömern sind Videos der vergangenen Jahre zu sehen. Zur Bundestagswahl stellten die Jugendlichen alle Bewerber aus dem Kreis Unna in kurzen Interviews (fünf bis acht Minuten ) vor.
In einer Guerilla-Aktion verteilten sie mehrere bunt angemalte Schafe im ganzen Dorf. Ähnlich wiederholten sie es vor der Landtags- und Europawahl in den vergangenen Jahren. Das Projekt hat Schule gemacht und zahlreiche Ableger in ganz Deutschland hervorgebracht.
Aber auch abseits dessen scheint es in Frömern besser zu laufen als anderswo in der Region. „Dass die Gemeinde das packt, hat sicher damit zu tun, dass viele Dinge in Frömern einfach funktionieren“, erklärt Richter. Denn wo andere Gemeinden zögerten oder zurückhaltend auf neue Impulse reagieren, packen die Frömerner – Ehren- wie Hauptamtliche – einfach an. Dabei ist es im Fröndenberger Norden keineswegs so rosig, wie es scheinen mag. Denn in Zeiten schwindender Einnahmen schwinden auch die Zuweisungen an die Gemeinde. Zuletzt waren es noch 75.000 Euro im Jahr. „Wir befinden uns in der Haushaltssicherung“, erklärt er mit Blick auf die Evangelische Kirchengemeinde. Doch davon lassen sich junge Menschen im Ortsteil nicht beirren.
Beliebter Anlaufpunkt für Jugendliche
„Die Jugend hat hier eine Rolle eingenommen, die total ungewöhnlich ist“, sagt Richter. Denn auf unkonventionelle Art habe man es geschafft, zahlreiche Besucher des Evangelischen Jugendtreffs auch ins Ehrenamt zu führen. So wird das „Spirit“ im Keller des Gemeindehauses in der Regel von Freiwilligen bewirtschaftet oder – wenn es nötig ist – renoviert.
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Dass sich so viele junge Menschen in Frömern engagieren, liege vor allem daran, dass „es den Leuten erlaubt ist, nicht perfekt zu sein“. In einer zunehmenden Leistungsgesellschaft sei das ein passender Gegenpol. Zudem ermuntern die Jugendreferenten junge Ehrenamtler, sich weiterzuentwickeln und Stück für Stück neue Aufgaben zu übernehmen.
Neben Gemeindefesten, die statt mit Kaffee und Kuchen auch mal mit 85 Tonnen Sand, Liegestühlen und einem Pool gefeiert werden, oder regelmäßigen Konzerten im „Spirit“ steht vor allem auch die Kinderbibelwoche stellvertretend für den Erfolg der Organisatoren rund um Sebastian Richter. Über 150 Kinder kommen über Ostern regelmäßig ins Gemeindehaus. „So voll ist die Kirche sonst nur an Weihnachten“, schmunzelt Richter. Und für solche Höhepunkte reisen die Besucher teilweise aus Dortmund, Menden oder Unna an.
Auszeit vor der neuen Aufgabe
Künftig wird die Evangelische Kirchengemeinde Frömern jedoch auf einen ihrer kreativen Köpfe verzichten müssen. Denn Sebastian Richter zieht es ins Münsterland, genauer gesagt nach Nordwalde. Dort soll er ab 1. April eine Kinderbildungseinrichtung leiten – ebenso mit einer halben Stelle wie zuvor in Frömern.
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Denn parallel arbeitet der 34-Jährige weiterhin bei der Evangelischen Landesarbeitsgemeinschaft Offener Türen (Elagot) mit Sitz in Düsseldorf. Vorher heißt es aber erst einmal: „Den Kopf freikriegen.“ Vier Wochen will Richter durch Neuseeland ziehen, ehe es nach Nordwalde geht und die Lobbyarbeit in Düsseldorf wieder startet.
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Katharina Grügelsiepe, die ebenso wie Richter als Jugendreferentin in Frömern arbeitet, wird seine Aufgaben übernehmen. Aus den eigenen Reihen wird zudem Verstärkung für eine halbe Stelle erwartet. Die Förderung dieser halben Stelle durch das Kreisjugendamt und die Stadt Fröndenberg läuft jedoch Ende 2020 aus. Ob diese nochmals verlängert wird, steht noch nicht fest.
Ganz verlassen will Sebastian Richter Frömern jedoch nicht. Freunde und Familie leben noch immer im Ort. Das „größte Gefühlschaos“ befürchtet er beim Besuch im „Spirit“ als ganz normaler Gast – und eben nicht mehr als Jugendreferent. „Ich kann ganz gut loslassen, weiß aber nicht, was das mit mir macht“, sagt der 34-Jährige.
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