Eren Kavukoğlu in Essen: „Auf der Bühne kann ich ausflippen“
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Essen. Der 24-jährige „Woyzeck“ ist neu im Grillo-Theater. Wann ihn Dreistigkeit fasziniert und warum er bis heute keine Therapie braucht.
Angefangen hat alles mit seinem Vater und der Baglama, der türkischen Laute. Eren Kavukoğlu erinnert sich an viele Auftritte, die er als Kind erlebte, Spektakel jedes Mal, bei denen sich der Papa als begnadeter Entertainer erwies. Das hat den Jungen fasziniert, „diese Fähigkeit, Menschen zu unterhalten.“ Später Schulvorstellungen, erste Bühnenerfahrungen, bald gab es keinen Plan B mehr. Schauspieler wollte Eren werden, unbedingt, am liebsten beim Film. Nun ist es erst mal das Grillo-Theater geworden, für den heute 24-Jährigen das erste feste Engagement. Gerade spielt er den „Woyzeck“ oder wie er sagt „Meinen kleinen Hamlet“. Eine Begegnung.
Es rumst ordentlich bei dieser „(Making) Woyzeck“-Inszenierung, die sich bei Büchner kaum mehr als den Titel leiht. Im Gegensatz dazu sitzt im Café ein ruhiger junger Mann: gerade Haltung, ernster Blick. Etwas verlegen, aber selbstbewusst. Offenherzig, aber mit Bedacht. Einer, dem man abnimmt, wenn er sagt, „dass es mich glücklich macht, wenn ich die Zuschauer zum Lachen bringe.“ Und dem man glaubt, dass er mal am Burgtheater spielen will, „naja, vielleicht. Mit 40.“
Eren Kavukoğlu kämpft derzeit an mehreren Fronten
Noch studiert er am Max-Reinhardt-Seminar in Wien, ein Umweg führte über eine private Schauspielschule in Regensburg, wo sich Eren, damals gerade 18, mit einem Dozenten überwarf. Seine Lust auf Improvisation habe der reinen Lehre im Wege gestanden, erinnert er sich. Heute hat er diese aggressive Spielfreude zum Programm erklärt - und ist für seinen wilden „Woyzeck“ soeben mit dem Günther-Rühle-Preis für junge Schauspieler ausgezeichnet worden. 1500 Euro fürs mit den Freunden ausgeben und verreisen.
Seinen Hochschulabschluss hat er noch vor der Brust, im Herbst will er fertig sein. Und so kommt es, dass Kavukoğlu gerade an mehreren Fronten kämpft. Er spielt Theater. Er schreibt an seiner Magister-Arbeit. Und er bereitet sich auf sein erstes TV-Engagement vor, eine Hauptrolle, „aber darüber darf ich noch nichts sagen.“
Eren Kavukoğlu ist im Grillo-Theater „Woyzeck“
Was gibt es zu sagen? 1999 in Bayreuth geboren („In der Schauspielschule hat man mir das ostfränkische „R“ abgewöhnt“), als dritte Generation türkischer Einwanderer, schon der Vater ist in Deutschland geboren. Bezug zu den Wurzeln besteht trotzdem, Kavukoğlu spricht neben Englisch auch Türkisch, auch im „Woyzeck“, in dem der Doktor ironisch zitiert „Sprich deutsch mit mir!“ Als im vorigen Jahr
das schwere Erdbeben die Heimatregion seiner Familie zerstörte
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, hat er mit einem Liederabend Spenden gesammelt und konnte 3000 Euro überweisen.
Langsam taut der junge Mann auf. Der Schauspieler Kavukoğlu will die vierte Wand durchbrechen, mit dem Publikum interagieren, wann immer das möglich ist, sagt er, „diese Verbindung ist etwas ganz Besonderes.“ Im Theater lebe er seine extrovertierte, spielerische Seite aus. „Auf der Bühne kann ich explodieren, komplett ausflippen. Deshalb brauche ich vermutlich bis heute keine Therapie.“
Christoph Schlingensief, Lars Eidinger und Sandra Hüller
Seinen ersten richtigen Monolog hatte er mit 13, als Siegfried in der Nibelungen-Inszenierung der Theater-AG. „Da habe ich im Muskelpolster-Shirt voller Blut vom Kampf mit dem Drachen erzählt.“ Was ihn auf der Bühne fasziniert? „Dreistigkeit, Mut“. Wer ihn fasziniert? Rebellische Theatermacher wie Christoph Schlingensief. Oder Lars Eidinger. Aber auch Sandra Hüller. Vorbild? Kavukoğlu überlegt. „Franz Pätzold, ein cooler Motherfucker“. Traumrolle? Etwas komödiantisches. Vielleicht „Clov“, Becketts „Endspiel“. Auch den Puck aus Shakespeares „Sommernachtstraum“ hat er gern gespielt.
In Essen sei er erstmals richtig angekommen, schildert Kavukoğlu. Hier fühlt er sich wertgeschätzt, angenommen. Weil ihm Regisseur Caner Akdeniz für seinen Woyzeck den Raum gegeben hat, den er braucht. „Das ist eine Riesen-Schule für mich.“ Zuvor war der Ensemble-Neuzugang bereits in „Doktormutter Faust“ zu sehen, als Gretchen namens Karim. Und er eröffnete die neue Reihe „Central Alive“ mit einem Solokonzert, Cover der 70er bis 90er Jahre, er am Klavier, an der Gitarre, mit der Tuba, „obwohl ich gar nicht Tuba spielen kann.“
Und der Vater? Ist stolz. Obwohl aus Eren kein Banker geworden ist, wie er sich das mal vorgestellt hatte. Zuletzt stand er mit seinem Sohn bei einem Liederabend in der Wiener Hochschule gemeinsam auf der Bühne. Und das war fast so wie früher.
Wer Eren Kavukoğlu kennenlernen möchte: Am Mittwoch, 12. Juni, 20 Uhr, präsentiert der Schauspieler im Rahmen der Reihe „Central Alive“ seine musikalischen und improvisatorischen Fähigkeiten einmal mehr im Café Central im Schauspiel Essen. Miles Black, dem Theaterpublikum als Gast-Schauspieler und Musiker von der Grillo-Bühne ebenfalls bekannt, wird Eren unter anderem mit seiner Trompete begleiten. Eintritt frei. Kostenfreie Karten sind beim Einlasspersonal erhältlich.
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