Schwelm/Ennepe-Ruhr. Bei ihrer Demonstration legten 500 Bauern den Verkehr lahm und machten vor allem dem Grünen Janosch Dahmen ihren Unmut deutlich.
Es war noch stockdunkel, da machten sich die Bauern am Montagmorgen in aller Frühe aus den neun Städten des Ennepe-Ruhr-Kreises auf, um in Schwelm vor dem Kreishaus gemeinsam zu demonstrieren. Traktor um Traktor rollte in die Kreisstadt. An den Lenkrädern: Landwirtinnen und Landwirte, die stocksauer sind auf die Bundesregierung. Das machten sie insbesondere dem heimischen Bundestagsabgeordneten Janosch Dahmen vor dem Schwelmer Kreishaus unmissverständlich klar.
Dutzende Traktoren legten ab etwa 8 Uhr die Straßen zur Kreisstadt hin lahm, der Berufsverkehr geriet auf einigen Strecken in allen neun Städten des EN-Kreises massiv ins Stocken. „Insgesamt sind 300 Fahrzeuge gekommen, etwa 500 Menschen haben an der Demo teilgenommen“, listet Peter Oberdellmann auf. Er ist der stellvertretende Vorsitzender des landwirtschaftlichen Kreisverbands Ennepe-Ruhr/Hagen und wie viele seiner Kollegen seit Tagen auf 180.
Einer, der sofort auf die Pläne auf Berlin reagierte, den Bauern Vergünstigungen zu streichen, um auch damit das Haushaltsloch zu stopfen, ist Heiner Born. Als die Bauern-Proteste in Deutschland vor Weihnachten ihren Anfang nahmen, war er einer der ersten Landwirte überhaupt, die mit ihren Traktoren am Brandenburger Tor protestierten. 17 Stunden hat er dafür benötigt und auch drei Wochen später ist sein Ärger über die Bundespolitik und deren Entscheidungen ungebrochen. „Als die Ampel-Regierung ihre Arbeit aufnahm, begann der Fachkräftemangel - in der Regierung“, begann er seine Rede vor dem Kreishaus und erntete schallenden Applaus schon für den ersten Satz.
Bereits um 5.45 Uhr hatte er sich in Breckerfeld auf den Weg gemacht, und mit ihm im ganzen Kreisgebiet etwa 300 weitere Fahrzeuge. „Wir halten uns daran, geordnet zu fahren“, sagt Bauern-Chef Dirk Kalthaus. Gleichwohl sorgten die Trecker-Konvois für erhebliche Verkehrsbehinderungen im Berufsverkehr auf den Strecken, die sie nach Schwelm nahmen. Insbesondere rund um das Autobahnkreuz Wuppertal Nord drehte sich zeitweise kein Rad mehr. Die Traktoren parkten rund um das Schwelmer Kreishaus, sodass der Polizei keine andere Möglichkeit blieb, als die Hauptstraße für die Dauer der etwa dreistündigen Protestkundgebung voll zu sperren.
Vor dem Kreishaus stellen sich auch zwei Politiker aus den Ampelparteien vor die aufgebrachten Bäuerinnen und Bauern. Zunächst ist es SPD-Landrat Olaf Schade, der als Hausherr das Wort ergreift. „Als ich gefragt wurde, ob diese Demonstration hier möglich ist, habe ich sofort zugestimmt. Wir sind stolz auf Sie und die Menschen können sehr gut einschätzen, was sie täglich leisten, um das Land zu ernähren“, sammelte der Landrat zunächst Punkte und erntete - um im landwirtschaftlichen Sprachbild zu bleiben - ordentlich Applaus. Die Zustimmung entglitt ihm allerdings ein wenig, als er Werbung dafür machte, Verständnis für die Situation der Bundestagspolitiker aufzubringen.
Das war allerdings im Prinzip die perfekte Überleitung zu Dr. Janosch Dahmen, heimischer Bundestagsabgeordneter der Grünen, der sich im Gegensatz zu seinen Pendants von SPD (Timo Schisanowski) und FDP (Katrin Helling-Plahr) zumindest den immens verärgerten Bauern und ihren Unterstützern stellte. Dahmen schob den Schwarzen Peter erst einmal weiter. Die Merkel-Regierung habe die Misere zu verantworten, „wir geben so viel Geld für Landwirtschaft aus, wie keine andere Regierung zuvor. Mit ein bisschen mehr Geld für Diesel werden wir die Probleme nicht lösen.“ Laute Buh-Rufe. Ein Bauer trat aus der Menge vor Dahmen, giftete ihn an: „Respekt, dafür, dass Sie sich hier hinstellen und den Mut haben, den Leuten so einen Quatsch zu erzählen.“ Tosender Applaus.
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Dem Vorsitzenden des landwirtschaftlichen Kreisverbands, Dirk Kalthaus, gebührte das Schlusswort und er griff den Faden der deutlichen Kritik auf. Die Landwirtschaft werde überproportional herangezogen, um die Haushaltslöcher zu stopfen, begann er und machte den Politikern deutlich: „Wir können unsere Flächen nicht für Windräder, Photovoltaik, Biodiversität und gleichzeitig noch nachhaltige, regionale Landwirtschaft nutzen.“ Wie schnell die Versorgung an ihre Grenzen gelange, wenn man von außen zukaufe, hätten nicht zuletzt die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine gezeigt. „Die Leute haben sich ja sogar schon um Klopapier gekloppt. Was passiert denn bei Lebensmittelknappheit? Irgendwann ist Feierabend, dann haben Sie Krieg in diesem Land“, ereiferte Kalthaus sich und erhielt lautstarke Zustimmung.
Anschließend beendete er die Kundgebung, bedankt sich und kündigt weitere Aktionen an, so zum Beispiel, dass die Bauern aus dem EN-Kreis gemeinsam nach Berlin zu Großdemonstrationen anreisen werden. Und: „Denkt daran, dass Trecker auch auf dem Nachhause-Weg langsam fahren können“, sagt er. Das gelang in der Tat, noch am späten Nachmittag stellten einzelne Bauern mit ihren Traktoren immer wieder Kreuzungen dicht - zum Beispiel in Gevelsberg-Silschede den Zubringer zur Autobahn und die Strecke nach Wetter.
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