Ennepetal. . Warum ist ein 21 Jahre alter Ennepetaler für die Terrororganisation „Islamischer Staat“ in den heiligen Krieg gezogen? Es herrscht Fassungslosigkeit bei Menschen in Ennepetal, die den jungen Mann gut kannten. Keiner kann sich so recht erklären, warum er sich zum militanten Islamisten entwickelte.

Christian Hagemann kennt den 21-Jährigen seit dessen Grundschulzeit. „Wir haben eigentlich immer irgendwie Kontakt gehabt“, sagt sein ehemaliger Jugendtrainer. Zuletzt im November/Dezember des vergangenen Jahres. „Er kam zum Fußball-Training der Senioren-Mannschaft und wollte eigentlich für uns spielen.“ Doch weil er beruflich stark eingespannt war und es nicht geschafft hätte, drei Mal in der Woche zu den Übungseinheiten zu kommen, habe er erst einmal eine Pause vom Fußball einlegen wollen, so Hagemann. „Er war Ende des Jahres völlig normal, es gab überhaupt keine Anzeichen für eine Veränderung.“

Monatelang nichts gehört

Hagemann hörte monatelang nichts von seinem ehemaligen Schützling. Erst als Freunde des 21-Jährigen berichteten, dass der junge Ennepetaler sich im Irak aufhalte. „Kurz danach wurde mir erzählt, dass er umgekommen sei.“

In den Wochen und Monaten zuvor muss sich irgendetwas Entscheidendes im Leben des jungen Mannes getan haben. „Er soll sich verändert haben“, sagt Hagemann. „Freunde sind nicht mehr an ihn herangekommen.“

Für den Fußball-Trainer kann es nur einen Grund für dieses Verhalten geben: „Er muss eine Kopfwäsche bekommen haben, wusste nicht mehr, was er tat.“

Menschen im Umfeld des ­21-Jährigen erzählen, dass er sich in den letzten sechs, sieben Monaten um 180 Grad gewandelt und unter anderem in Wuppertal religiöse Veranstaltungen besucht ­habe.

„Das geschieht in einem Prozess“

Fußballtrainer Christian Hagemann kann eigentlich nur Gutes über den ehemaligen Mittelfeldspieler sagen. „Er war immer offen, freundlich und hilfsbereit.“ Natürlich hätte er – wie viele andere in ­seinem Alter – auch einmal eine direkte Ansprache gebraucht. „Aber am nächsten Tag war wieder alles gut.“

Im Bildungs- und Kulturverein Ennepetal ist das Schicksal des 21-Jährigen natürlich derzeit das Gesprächsthema Nummer 1. „Es herrscht ein Gefühl von Ungewissheit unter den Mitgliedern“, sagt Ishak Kilic. So lange es keine offizielle Bestätigung über den Verbleib des jungen Mannes gebe, wolle sich der Verein aus Respekt vor der Familie nicht zu dem Thema äußern.

Aber auch die Vereinsmitglieder wird die Frage beschäftigen, warum ein junger Mensch, der ein unauffälliges Leben geführt hat, zu einem gewaltbereiten Islamisten wird. „Man wird nicht von heute auf morgen dazu“, sagt Daniel Köhler von der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geförderten Beratungsstelle Hayat in Berlin. „Das geschieht in einem Prozess.“

Der Familienberater, der Eltern, Angehörigen und Betroffenen in der Auseinandersetzung mit dem Islamismus Hilfestellung gibt, beobachtet verschiedene Wege der Beeinflussung: Prediger, die in Moscheen auftreten; Wanderprediger, die durch Deutschland reisen und wie Popstars daherkommen – „und natürlich finden sich im Internet sowie in sozialen Netzwerken Beiträge ohne Ende“.