Gevelsberg. Kirmeskrug hat ein neues Motiv: die Kneipe an der Teichstraße. Das ist die Geschichte der Gevelsberger Traditionskneipe.
Es war ein Zufall, der ihn vor etwa 20 Jahren zum Wirt machte. Eine glückliche Fügung, über die Fritz Kartenberg heute noch froh ist. Das Waldschlösschen ist sein zweites Zuhause geworden. Und für viele seiner Stammkunden auch. Die Traditionskneipe gehört zu Gevelsberg, ist im gesellschaftlichen Leben fest verankert. Deshalb hat der Kirmesverein das Waldschlösschen in diesem Jahr auf dem Kirmeskrug verewigt.
Es ist mittlerweile das 41. Motiv, das das begehrte Sammlermotiv aller Kirmesfreunde ziert. Seit einigen Jahren werden damit Gaststätten gewürdigt, die für das Brauchtum und das Vereinsleben in Gevelsberg besonders wichtig sind: Kneipen, die den Menschen in der Stadt am Herzen liegen. Glimm war bereits auf dem Krug, Apfelbaum, die Juliushöhe und das Papillon auch. Marc Baron vom Kirmesvorstand sagt in seiner Rede auf der Kirmeskrugparty in der Dortmunder Brauerei: „Die Kneipe, die wir mit dem aktuellen Krug ehren, wurde von dem aktuellen Betreiber übrigens am Kirmesfreitag 2005 wiedereröffnet.“
Wie es dazu kam? 2004 verlor der gelernte Industriekaufmann Fritz Kartenberg seinen Job und auf dem Arbeitsmarkt sei es damals nicht wirklich leicht gewesen, eine neue Stelle zu finden. „Ich wollte nicht zu Hause sitzen, ich wollte was tun“, sagt er. Und da das Waldschlösschen zu dieser Zeit keinen Pächter hatte, startete er einen Versuch als Wirt. „Zapfen und in der Kneipe zu arbeiten, hat mir immer schon Spaß gemacht. Ich dachte aber nicht daran, das hauptberuflich zu machen“, sagt er. Bis die Gelegenheit dazu kam.
Das Waldschlösschen wurde vor 100 Jahren von Hugo Heimbeck an der Teichstraße gegründet. 1930 verpachtete er die Kneipe an den Opa des heutigen Betreibers Fritz Kartenberg. Sein Großvater Wilhelm Klüsener stand bis zu seinem Tod 1960 hinter dem Tresen. Seine Frau Emmi machte dann noch etwa ein Jahr alleine weiter, bis sie die Kneipe an Willi Stiel verpachtete.
Kirmeskrug gibt es ab jetzt zu kaufen
Der Kirmeskrug wird seit vielen Jahren in der Dortmunder Radeberger Brauerei übergeben. Gastgeber war Volker Nagel, Gebietsleiter der Radeberger Gruppe. Der Kirmesverein lädt dazu auch immer Vertreter der Kirmesgruppen ein. In diesem Jahr verzichtete der Vorstand auf die Krüge, damit mehr Mitglieder aus den Kirmesgruppen und vor allem mehr junge Leute mitfahren konnten. Es wurden Wildcards an Mitglieder unter 25 Jahre verteilt.
Der Kirmeskrug 2024 ist im Getränkehandel Rehfeld, Hagener Straße 211, erhältlich. Er kostet 22 Euro.
„Ab 1980 gab es dann verschiedene Pächter, am bekanntesten war sicher der Grieche Costa, den alle nur unter seinem Vornamen kannten und der bis Ende der 90er Jahre hier seine Gäste bewirtete. Danach kamen die Betreiber Conni und Michael Tsiampalis, bis diese dann 2004 nicht mehr weitermachen wollten“, erinnert Marc Baron an die Geschichte der Traditionskneipe.
Lesen Sie auch:
Gevelsberg: Attacke auf Behindertenwohnheim der AWo
Straßenausbaubeiträge abgeschafft: Wer trotzdem zahlen muss
Ennepetal: 63 Wohnungen auf ehemaligem Fabrikgelände geplant
„Und da die Gaststätte eh schon meiner Familie gehörte, passte das damals gut“, sagt Fritz Kartenberg. Der Fußboden kam raus, eine neue Theke kam rein, es wurde renoviert und aufgehübscht und so wurde Ende Juni 2005, am Kirmesfreitag, wiedereröffnet. Seit 2013 hat Kartenberg Unterstützung von seiner Lebensgefährtin Susanne Peralta.
„Ich bin gerne Wirt“, sagt Fritz Kartenberg. Es seien die vielen Gespräche, die ihm Freude machen. Der 66-Jährige will so lange weiter machen, bis er keine Lust mehr hat oder sich die Kneipe nicht mehr trägt. Es sind vor allem Stammkunden, die das Paar bewirtet. Viele kämen seit Jahren und rufen manchmal sogar an, um sich abmelden, wenn sie es mal nicht schaffen. Das sind Stammtische, Sparclubs oder Nachbarn. „Hier sind echte Freundschaften entstanden“, sagt Susanne Peralta. „Mit manchen Stammgästen fahren wir auch in den Urlaub!“
Fritz Kartenberg ist stolz darauf, dass es friedlich im Waldschlösschen zugeht: „In 19 Jahren gab es nicht eine Schlägerei hier.“ Schwierig sei es während Corona gewesen. Aber auch nach Corona hätten die Stammkunden dem Waldschlösschen die Treue gehalten. So gut wie vor der Pandemie laufe der Laden aber nicht mehr, sagt Kartenberg. Das Freizeitverhalten hätte sich verändert. Früher sei der Samstag der beste Tag gewesen, jetzt hat er an diesem Tag Ruhetag. „Es lohnt sich nicht mehr“, sagt Kartenberg. „Die Menschen gehen Samstag lieber Essen.“ Im Waldschlösschen gebe es nur Kleinigkeiten auf die Gabel. Bockwurst und Gulaschsuppe, auf Vorbestellung auch Frikadellen mit Kartoffelsalat oder Krustenbraten. Dafür aber frisch Gezapftes: Immer am Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Sonntag ist das Waldschlösschen jeweils ab 17 Uhr geöffnet. Die Gäste sind eher etwas älter, letztens gab es sogar ein Babypinkeln im Waldschlösschen. „Hier ist jeder Willkommen“, sagt Fritz Kartenberg.
+++ Nichts mehr verpassen: Bestellen Sie hier unseren Newsletter aus Ennepetal, Gevelsberg und Schwelm +++
Er freut sich, dass der Kirmesverein seine Kneipe und seinen Einsatz würdigt, auch wenn er selbst nicht den Krug in Empfang nehmen konnte, sondern seine Susanne. „Wir hatten Klassentreffen nach 50 Jahren“, sagt er. Das wollte und konnte er nicht verpassen. Einen Ehrenplatz hat er für den Krug schon ausgeguckt. Auf der Zapfanlage, neben dem Sparschwein, in dem er für den Verein zur Förderung von Körper- und mehrfach Behinderten sammelt. Dort ist Kartenberg Vorsitzender und engagiert sich seit Jahren. Der 66-Jährige ist jemand, der sich für die Menschen interessiert, und der das, was er macht, mit Herzblut betreibt.