Gevelsberg. Die Hauptschule Gevelsberg hat mit vielen Problemen zu kämpfen und ist zugleich die letzte ihrer Art in der Region. Sie erwartet ein Geldsegen.
Hauptschüler kommen in diesen Tagen ganz schön ins Schwitzen. Die Zentralprüfungen stehen für die Abschlussklassen an, wichtige Entscheidungen fürs Leben werden getroffen. Damit es nachfolgende Generationen leichter haben, hat die Politik ein neues Förderprogramm für ausgewählte Schulen auf den Weg gebracht. Die Hauptschule in Gevelsberg hatte Glück und ist dabei. Was am Ende aber in Gevelsberg ankommt, das ist noch völlig unklar.
Attraktivere Lernorte, zusätzliche Stellen für die Schulsozialarbeit, weitere Angebote für die berufliche Orientierung und Geld für besondere Projekte: Das und viel mehr verspricht das neue „Startchancen-Förderprogramm“, das Bund und Land jetzt auf den Weg gebracht haben. Die Hauptschule Gevelsberg wurde in das Programm aufgenommen und soll zehn Jahre lang von der Förderung profitieren. Geld, das eine wichtige Lücke im System schließen soll.
Schon einige Ideen
Ideen für zusätzliche Maßnahmen, die durch das Geld möglich werden könnten, gibt es einige. Auf Nachfrage bei der Stadt Gevelsberg teilt diese mit: „Das Investitions-Budget kann sowohl für eine lernförderliche Ausstattung als auch für bauliche Maßnahmen genutzt werden. Zudem bietet das Förderprogramm die Möglichkeit, neben Lehrkräften auch Fachkräfte zu finanzieren und bereits tätige Lehrkräfte sowie pädagogische Mitarbeiter durch Fortbildungen zu unterstützten. An der Hauptschule besteht ein großer Bedarf an zusätzlichen Förderstunden, weshalb gezielt pädagogische Projekte eingerichtet und finanziert werden können. Hauptaugenmerk wird wahrscheinlich auf dem flexiblen Chancen-Budget liegen, das spezifische Maßnahmen zur Stärkung der Chancengerechtigkeit finanziert, wie zum Beispiel soziale und emotionale Lernprogramme, Gesundheitsförderung und Prävention von Suchtverhalten. Außerschulische Lernorte und Exkursionen sollen praktische Bildungserfahrungen fördern.“
Außerdem: „Um Verständnis bei den Eltern zu schaffen und eine Gemeinschaft zu bilden, könnten regelmäßige Vormittage mit Eltern und Kindern abgehalten und dabei die Grundlagen der Schulthematik vermittelt werden, um die Bedeutung des Schulbesuchs besser nachvollziehen können.“
Wie viel Geld tatsächlich in Gevelsberg ankommen wird, steht jedoch noch nicht fest. Auch nicht, wofür die Schule das Geld ganz konkret nutzen darf. Bekannt ist bislang nur, dass Land und Bund je 2,3 Milliarden Euro in das Programm investieren, von dem vor allem Schülerinnen und Schüler profitieren sollen, die sozial benachteiligt sind. Insgesamt werden 900 Schulen in NRW unterstützt, jetzt wurden die ersten 400 benannt. Ausgesucht wurden die Schulen anhand „eines komplexen Berechnungsverfahrens der sozialen Zusammensetzung der Schülerschaft durch das Schulministerium“, teilt die Stadt Gevelsberg auf Nachfrage mit.
Konkret bedeutet das, dass vom Fördergeber geprüft wurde, wie viele Kinder einen Migrationshintergrund haben und wie viele benachteiligt sind, aufgrund der Sprache oder der sozialen Verhältnisse. „Viele Hauptschulen im Land sind bei dem Programm dabei“, sagt Jens-Uwe Arnemann, Leiter der Gevelsberger Hauptschule. Grundschulen auch, denn sie alle haben die gleichen Herausforderungen: Jedes Kind mitzunehmen und individuell zu fördern.
Jens-Uwe Arnemann erklärt, dass von den knapp 300 Schülerinnen und Schülern der Hauptschule Gevelsberg etwa 70 Prozent einen Migrationshintergrund hätten, wenn man davon ausgeht, dass mindestens ein Elternteil solch einen Hintergrund hat. Viele Kinder hätten zwar einen deutschen Pass und können auch die deutsche Sprache, aber eben nicht alle. Außerdem seien aktuell etwa 17, 18 Geflüchtete alleine aus der Ukraine an der Schule aufgenommen worden. Insgesamt seien es etwa 40 Geflüchtete.
Für sie und alle anderen, die noch sprachliche Schwierigkeiten haben, gibt es an der Schule „Deutsch als Zielsprache.“ Hier werden sie darauf vorbereitet, dem Unterricht später auch folgen zu können, erläutert Arnemann. Dafür hätte er gern noch zusätzliche Kräfte, die die Deutschförderung unterstützten. Verstärkung in der Schulsozialarbeit wünscht er sich auch. Schulsozialarbeiter spielen in den Schulsystemen eine immer wichtigere Rolle, helfen dabei, die Chancen der Schülerinnen und Schüler zu verbessern, Konflikte auszuräumen und sie auch abseits des Unterrichts zu fördern.
Der Gevelsberger Schulleiter nennt ein Beispiel: „In der Klasse 5 sind 28 Kinder, was eh schon viel ist, mit sechs, sieben Nationalitäten und drei, vier Kindern mit Förderbedarf. Die müssen alle mitgenommen werden.“ Es werde noch schwieriger, wenn geflüchtete Kinder dazu kommen, die noch nie in der Schule waren, die würden dann erst einmal in die Hauptschule geschickt. „Eigentlich müssten sie in der ersten, zweiten Klasse anfangen, aber sind zu alt dafür.“
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Natürlich freue sich der Gevelsberger Schulleiter, dass seine Einrichtung einen Zuschlag für die Förderung erhalten habe. „Aber wir wissen noch nicht, wie viel Förderung es gibt und in welchem Zeitraum“, sagt der Schulleiter und hofft, dass die Förderung nicht nur Eventcharakter habe, also nur einen kurzzeitigen Effekt hat, sondern wirklich langfristig und nachhaltig angelegt sei. Etwas, das viele Hauptschulen im Land gut gebrauchen können.
Auf dem Papier klingt das Konzept für die Förderung auf jeden Fall vielversprechend. Und auch die Stadt Gevelsberg freut sich, dabei zu sein. „Es ist ein Förderprogramm geschaffen worden, das viel möglich machen wird.“ Außerdem verspricht sich die Stadt Gevelsberg hierdurch eine verbesserte Unterstützungsmöglichkeit der Schulform Hauptschule und die Attraktivierung des Schulstandorts im Sinne der Schülerinnen und Schüler.
Die Hauptschule hatte sich selbst, nach Absprache mit der Stadt, um das Förderprogramm beworben, und das sehr frühzeitig. Vielleicht habe das dazu geführt, dass Gevelsberg einen Zuschlag erhalten hat, sagt Arnemann. Sicherlich aber auch, weil die Hauptschule in Gevelsberg eine wichtige Bedeutung im Südkreis hat. Denn es ist die einzige. Kinder sind auch aus Schwelm, Ennepetal, Sprockhövel oder Wetter in Gevelsberg angemeldet.
Was genau den Ausschlag gegeben hat, das weiß Arnemann nicht. Er hofft, dass das Förderprogramm wirklich so gut ist und so viel helfen wird, wie es in der Politik angekündigt wurde. Was sich Jens-Uwe Arnemann am meisten wünscht? Zusätzliche Kräfte, Menschen, die dabei helfen, dass Schülerinnen und Schüler wirklich besser Chancen haben.
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