Ennepetal. 46 neue Wohneinheiten sollen in Ennepetal entstehen. Anwohner sind strikt dagegen. Warum die Politik trotzdem an dem Vorhaben festhält.
Die Pläne, im Bereich Vilvoorder Straße/Störringen in Ennepetal ein Neubaugebiet zu entwickeln, erhitzen die Gemüter der Anwohnerinnen und Anwohner weiterhin - und zwar deutlich. Das zeigte ein Ortstermin am Donnerstagnachmittag, zu dem der Ausschuss für Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung eingeladen hatte. Hintergrund war, sich von den Gegebenheiten vor Ort ein besseres Bild machen zu können, weil im Vorfeld bereits starke Kritik an dem Bauvorhaben geäußert wurde.
Zur Erinnerung: Es bestehen Sorgen um der Zerstörung eines wichtigen Lebensraumes für Tiere und dass die geplanten Häuser zu nah am FFH-Schutzgebiet liegen würden. FFH steht für Fauna-Flora-Habitat - eine Klassifizierung für ein Naturschutzgebiet. Darüber hinaus gibt es Bedenken, dass es zu viel Müll und zu viele Spaziergänger mit Hunden im Wald geben könnte, sollte das Neubaugebiet realisiert werden. Anwohnerinnen und Anwohner sehen bei zu viel neu versiegelter Fläche außerdem das Risiko von Überflutungen im Bereich Bergstraße und Aske.
Nach dem Ortstermin fand die politische Debatte zum weiteren Vorgehen in Sachen Neubaugebiet im Haus Ennepetal statt. Hier zeigte sich die Politik uneins. Während vor allem Grüne und Linke dagegen argumentierten, stimmte der Rest des Ausschusses letztlich dafür, die Pläne nach dem Entwurf der Stadt Ennepetal und ungeachtet der Proteste der Bürgerinnen und Bürger weiter zu verfolgen. Das Verfahren befindet sich damit nach wie vor in einem sehr frühen Stadium.
Mehr- und auch Einfamilienhäuser
Die Pläne für das Neubaugebiet sehen insgesamt 46 Wohneinheiten vor, 26 davon in mehreren Mehrfamilienhäusern und 20 in Einfamilienhäusern. Für jede Wohneinheit soll es zwei Stellplätze geben, auch eine Tiefgarage ist Teil des Entwurfs. Die maximal dreigeschossigen Mehrfamilienhäuser sollen über zwei Vollgeschosse und ein Staffelgeschoss verfügen und entlang der Vilvoorder Straße entstehen. In Richtung Norden und Gevelsberger Stadtwald ist eine städtebauliche Auflockerung durch die Errichtung von Einfamilien- und Doppelhäusern angedacht.
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Marco Heimhardt, Leiter des städtischen Fachbereichs Planen, Bauen und Umwelt, erklärte während des Ortstermins, dass die Stadt Ennepetal schon so früh einen konkreten Enwurf für das Projekt vorgestellt hat, weil sie so früh wie möglich Transparenz schaffen wollte. Er machte klar, dass sich noch nicht alle kritischen Fragen zum jetzigen Zeitpunkt beantworten ließen, beispielsweise zur Entwässerung. „Da muss man wissen, wie viel versiegelte Fläche es gibt“, sagte Heimhardt. Gleichzeitig verwies er darauf, dass im weiteren Verfahren alle wichtigen Behörden ihre Stellungnahmen zu den Plänen abgeben würden und diese dann auch öffentlich einsehbar sind.
„Kann das Schmutzwasser von der Kanalisation aufgenommen werden?“, wollte Frank Wittig von der CDU-Fraktion wissen. „Ja“, antwortete Heimhardt mit Verweis auf den Ruhrverband, fügte aber hinzu, dass dies nicht für das Oberflächenwasser gelte.
Sorge vor Verkehr und Überflutungen
Das Thema Wasser trieb auch die Anwohnerinnen und Anwohner um, die zum Ortstermin erschienen waren. Sie blicken mit Sorge auf die Bergstraße und die Aske. „Wir haben hier zehn Meter Gefälle und Wasser fließt bekanntlich bergab“, sagte Anwohner Klaus Baumann, der auch Mitglied der CDU-Kreistagsfraktion ist und darüber hinaus Vorsitzender der Jagdgenossenschaft Meininghausen. „Wenn hier versiegelt wird, fließt noch mehr Wasser herunter.“ Eine Frau kam auf das Grundwasser zu sprechen. „Wir haben einen Brunnen, bekommen wir dann noch genug Wasser? Sinkt das Grundwasser durch das Bauvorhaben ab?“, fragte sie.
Eine andere Frau wollte gerne wissen, wo die Kinder der dann zuziehenden Familien später in die Kita und die Schule gehen sollen. Betreuungsplätze seien ohnehin knapp. Wiederum andere befürchteten, dass die Verkehrssituation sich durch das Neubaugebiet verschärfe. Ohnehin gebe es schon viel Verkehr entlang der Vilvoorder Straße. Auch Klimawandel und Naturschutz führten die Gegner des Vorhabens als Argumente ins Feld. „Wollen wir das wirklich als Stadt Ennepetal? Dass wir in Naturschutzgebiete hineinwachsen?“, fragte ein Mann. „Hier oben kennen die Kinder noch grün.“
Marco Heimhardt machte abschließend noch einmal deutlich, dass vor dem finalen Beschluss eines Bebauungsplans geschaut werde, ob Bedenken ausgeräumt werden können. Gegebenenfalls könne die Politik den Bebauungsplan auch nicht beschließen. Was das eingangs erwähnte FFH-Schutzgebiet anbelangt, so möchte die Stadt trotz einer bereits genehmigten Flächennutzungsänderung noch einmal Prüfungen durchführen, wie Heimhardt ebenfalls erklärte. „Bevor man viel Geld für Gutachter ausgibt, kann man es auch direkt bleiben lassen“, fand Klaus Baumann.
Infrastukturkosten und Wohnraum
Die politischen Fraktionen im Stadtentwicklungsausschuss entschieden sich in der Sitzung am Donnerstagnachmittag bei vier Gegenstimmen trotzdem mehrheitlich dafür, die Pläne für das Neubaugebiet gemäß des sogenannten städtebaulichen Entwurfs weiter zu verfolgen. Der Bitte Klaus Baumanns, den Beschluss noch einmal zu verschieben, um die Bedenken der Anwohnerinnen und Anwohner noch einmal zu diskutieren, entsprachen die Fraktionen nicht.
„Wir heißen eine Bebauung da oben an sich gut“, begründete Jörgen Steinbrink (SPD). „Alle kritischen Belange werden im Verfahren geprüft. Und wenn es dann nicht geht, dann ist es so.“ Sven Hustadt sprach sich für die Fraktion Die Linke dagegen aus. „Wir sind knapp bei Kasse und schaffen weitere Infrastruktur, die wir instandhalten müssen“, sagte er. Er sei gegen eine Zersiedelung und wolle lieber Baulücken schließen, als Neubaugebiete zu entwickeln.
Auch die Grünen äußern sich kritisch. „Wir können der Sache in der Form nicht zustimmen, weil der Abstand zum FFH-Gebiet nicht eingehalten wird“, sagte Jürgen Hofmann von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Frank Wittig (CDU) kam auf den Bedarf an Wohnraum zu sprechen. „Wir brauchen neue Einwohner, junge Familien und Kaufkräftige für die Geschäfte, so sie noch vorhanden sind“, so Wittig. Anita Schöneberg (SPD) griff das Gegenargument der teuren Infrastruktur auf. „Wenn wir uns nicht weiterentwickeln, brauchen wir uns über die Infrastruktur der Zukunft keine Gedanken mehr machen“, macht sie deutlich.
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