Gevelsberg. „Nein, Sie machen die Tür jetzt nicht zu!“ In einem Haus in Gevelsberg bedrängen vermeintliche Telekom-Mitarbeiter ältere Menschen.

Viermal innerhalb von zwei Wochen sollen vermeintliche Telekom-Vertreter ein Mehrfamilienhaus in der Sudfeldstraße in Gevelsberg besucht haben - kurz nachdem in der Nähe Glasfaserarbeiten durchgeführt worden seien. Das berichtet ein Bewohner des Hauses, der anonym bleiben möchte. Er schildert, dass einmal sogar drei Personen gleichzeitig vor der Tür standen. In dem Haus selbst leben nach seinen Angaben neun Parteien, darunter ältere Menschen.

Es sollen Sätze gefallen sein wie „Nein, Sie machen die Tür jetzt nicht zu“. Eine seiner Nachbarinnen sollen die mutmaßlichen Vertreter nach ihrer Steuerklasse gefragt haben. Sie hätten wissen wollen, ob die Frau verheiratet sei. „Ein Mann sagte, er müsste in die Wohnung an den Router, um zu gucken, ob die Glasfaser schon drin ist“, erzählt der Bewohner weiter. Das sei natürlich völliger Quatsch. Um ältere Mitmenschen vor möglichen Betrügern zu warnen, wendet er sich an die Redaktion. „Im besten Fall wollen die Leute einem einen Vertrag aufquatschen, im schlimmsten Fall wollen die auskundschaften, ob eine ältere Frau allein wohnt“, sagt der Mann.

Dass die umgangssprachlichen Drückerkolonnen in Gevelsberg und auch anderen Städten immer wieder unterwegs sind, zeigt sich schon bei einem Blick in die sozialen Medien. In den entsprechenden Facebook-Gruppen tauchen immer wieder Beiträge auf, in denen Nutzerinnen und Nutzer sich gegenseitig informieren und warnen, wenn wieder Vertreter von Tür zu Tür gehen. Auch dort ist mitunter von aufdringlichem Verhalten und dreisten Ansprachen die Rede. Solche Zwischenfälle können nicht zweifelsfrei auf Telekom-Mitarbeiter zurückgeführt werden. Die sind nämlich tatsächlich in den Städten unterwegs und unterliegen laut Telekom konkreten Vorgaben. Die Polizei berichtet aber, dass auch immer wieder Betrüger vor den Haustüren stehen.

Polizei warnt: Niemanden ins Haus lassen

Sie spricht hier von einem wellenartigen Auftreten, je nachdem in welchen Städten falsche Vertreter gerade unterwegs seien. „Bei uns läuft so etwas als ,Verdächtige Person/Verdächtige Feststellung‘“, erklärt Christoph Neuhaus, Sprecher der Kreispolizeibehörde Ennepe-Ruhr, auf Nachfrage der Redaktion. Die Polizei gibt dabei ganz klare Verhaltenstipps. „Wenn ich keinen Termin gemacht habe oder einen neuen Vertrag möchte, sind Gespräche an der Tür sofort abzubrechen“, sagt Christoph Neuhaus ganz deutlich. Erst recht nicht sollten irgendwelche Personen Zutritt zur Wohnung bekommen, am allerwenigsten, wenn der Bewohner oder die Bewohnerin gerade alleine zuhause ist.

Auch könnten Ausweise, die die vermeintlichen Vertreter vorzeigen, mit Hilfe von Grafikprogrammen gefälscht werden. „Seriöse Netzbetreiber kündigen sich in der Regel an“, fährt Neuhaus fort. „Und wenn ich irgendwo etwas wechseln will, mache ich einen Termin und dann kommt jemand.“

Vorgaben für echte Vertreter

Die Telekom setzt nach eigener Aussage auf den Direktvertrieb in Zusammenarbeit mit erfahrenen Partnern und nach ganz klaren Regeln. So erklärt das Unternehmen: „Alle unsere Vertriebspartner müssen mindestens zehn Pflichtschulungen erfolgreich durchlaufen. Alle haben sich unserem ,Code of Contact‘ vertraglich verpflichtet. Darin ist festgelegt, wie die Kundenkontakte im Auftrag der Telekom ablaufen sollen. Dazu gehören zum Beispiel Telekom-Kleidung, ein Ausweis mit Lichtbild in Sichthöhe sowie ein Autorisierungsschreiben der Telekom. Darüber hinaus haben die Direktvermarkter eine Rückrufnummer dabei, über die man per Telefon den Mitarbeitenden identifizieren lassen kann. Diese Nummer lautet bundesweit 0800 3309765.“

Weitere Informationen zum Direktvertrieb bei der Telekom und eine Infografik zu den Schritten eines Beratungsgesprächs finden Interessierte hier: www.telekom.com/direktvertrieb

Die Polizei kennt auch Fälle anderer falscher Firmenvertreter, die an der Tür Dachreinigungen oder Teerarbeiten in Einfahrten anbieten würden. „Auch da warnen wir: Lieber örtlich bekannte Firmen nehmen“, sagt Sprecher Christoph Neuhaus. „Im Zweifel, wenn man sich nicht sicher ist, kann man auch die Polizei rufen, die einem Tipps gibt.“ Auch, wenn jemand verdächtige Personen oder Fahrzeuge in der Nachbarschaft sehe, könne er ruhig darauf hinweisen und über die 110 die Polizei rufen. „Die richtigen Telekom-Mitarbeiter kennen das, dass sie kontrolliert werden, und haben Verständnis dafür“, sagt Neuhaus.

Direktvermarktung für Telekom wichtig

Die Telekom bestätigt auf Nachfrage der Redaktion, dass Vertreter in ihrem Auftrag in Gevelsberg und dort auch in der Sudfeldstraße unterwegs waren. „Aktuell beraten autorisierte Vertriebsmitarbeiter unseres Vertriebspartners Ranger Marketing & Vertriebs GmbH Haushalte und Gewerbe in dem Glasfaserfaserausbaugebiet in Gevelsberg zu Glasfaseranschlüssen. Dazu gehört in Teilen auch die Sudfeldstraße“, erklärt Unternehmenssprecher Maik Exner. „Darüber hinaus beraten die Vertriebspartner zu passenden Tarifen und dem TV-Angebot der Telekom. Denn zum 1. Juli fällt das sogenannte Nebenkostenprivileg weg. Und bis dahin müssen sich viele Mieterinnen und Mieter einen neuen TV-Anbieter suchen.“

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Die Direktvermarktung sei für den Glasfaserausbau ein sehr wichtiger Kanal, der Kundinnen und Kunden eine umfassende Beratung und einen Service bei sich zu Hause biete und daher sehr geschätzt werde, so Exner weiter. „Eine Marktforschungsstudie der Telekom hat ergeben, dass die meisten Kunden nur deshalb nicht auf einen Glasfaser-Anschluss umsteigen, weil sie gar nicht wissen, dass ein solcher Anschluss bei ihnen zur Verfügung steht“, sagt er. Die Beratungsgespräche würden grundsätzlich an der Haustür stattfinden. „Die Wohnung dürfen die Beraterinnen und Berater nur betreten, wenn sie dazu eingeladen werden“, so Exner. „Wenn der Kunde im Beratungsgespräch einen Auftrag erteilt, erhält er einen nachgelagerten Qualitäts-Call und eine E-Mail mit den Informationen zum beauftragten Produkt. In dem Telefonat wird dem Kunden nochmals erläutert, welches Produkt beauftragt wurde und welche Kosten hierfür entstehen.“

Im Zweifel könne der Auftrag dabei auch direkt storniert werden. Erst wenn der Kunde in diesem Gespräch alle Punkte bestätige, werde der Auftrag an die Telekom übermittelt. „Selbstverständlich gilt im Anschluss das 14-tägige Widerrufsrecht auch für Haustürgeschäfte“, erklärt der Telekomsprecher. Die Frage, inwieweit der Telekom Meldungen über mutmaßliche Betrüger in diesem Bereich vorliegen, die sich als Mitarbeiter der Telekom ausgegeben haben, beantwortet der Sprecher nicht. Angesprochen auf eine sogenannte „No go“-Liste, auf die man sich setzen lassen kann, wenn man keine Haustür-Besuche der Telekom mehr bekommen möchte, bleibt er ebenfalls eine Antwort schuldig. Von dieser Liste ist in Internet-Foren die Rede. Ob es sie wirklich gibt und wie sich jemand auf die Liste setzen lassen kann, sagt Maik Exner nicht.

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