Schwelm. Schock für Schwelmer Nachbarschaft „Zum Parlament“: Der Vermieter kündigt ihr den Bauplatz. Das sind die Gründe. So steht es ums Heimatfest.
Zu sagen, Jochen Stobbe wäre konsterniert, ist wahrscheinlich eine Untertreibung. Tatsächlich lässt sich der Obernachbar der Nachbarschaft „Zum Parlament“ seinen Ärger nach außen hin nicht wirklich anmerken. Klar ist aber: Die Nachricht, dass der Eigentümer der Nachbarschaft ihren Bauplatz in der Wiedenhaufe nach 36 Jahren kündigt, ist ein Schock für den Verein.
Was die Redaktion zuvor gerüchteweise aufgeschnappt hat, bestätigt Stobbe auf Nachfrage. Im März flattert per Anwaltsschreiben die Kündigung des Mietverhältnisses zunächst zum 30. Juni 2024 ins Haus - nur wenige Wochen vor Start des Schwelmer Heimatfestes, das die Nachbarschaft auch in diesem Jahr mit ihren Beiträgen im Festzug bereichern möchte. Später macht der Vermieter das Angebot, die Kündigungsfrist um drei Monate bis Ende September - also nach dem Heimatfest - zu verlängern. Alternativ könne die Nachbarschaft auch mehr Miete zahlen.
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Die Rede ist dabei von einem marktüblichen Mietzins. Aus Sicht der Nachbarschaft ist die vorgeschlagene Mieterhöhung aber zu hoch. Gegenüber der Redaktion schildern beide Seiten ihre Sicht der Dinge.
Viel Arbeit in Bauplatz gesteckt
„Es gab keinen Anruf, keine E-Mail, nichts. Die Kündigung kam Mitte März per Einschreiben mit Rückschein“, sagt Jochen Stobbe. „Die Absprache mit dem Vermieter war, rechtzeitig Bescheid zu geben, wenn es eine Entwicklung gibt.“ Eigentlich würde die Nachbarschaft gerne auf dem Bauplatz bleiben, wie der Obernachbar erklärt. Nicht zuletzt weil viel Arbeit in dem Grundstück steckt.
Gemeinsam haben die Mitglieder sich eine Art Vereinsheim - das sogenannte Parlamentarium - errichtet. Auch eine Toilettenanlage haben sie gebaut. Für die Arbeiten an den Wagendarstellungen für den Heimatfestzug gibt es eine einige Meter hohe Stahlkonstruktion, die eine Überdachung für die teils wasserempfindlichen Kreationen bietet. In Containern gibt es Lagerflächen und eine Werkstatt. Auch der Wagen selbst, mit dem die Nachbarschaft „Zum Parlament“ im Festzug mitfährt, ist hier geparkt.
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Zuletzt haben die Mitglieder einen Teil der Fläche auf dem Bauplatz gepflastert, womit sie noch nicht ganz fertig sind - unsicher ist, ob sie angesichts der Lage überhaupt noch weiterpflastern. Außerdem hat die Nachbarschaft gerade erst eine Crowdfunding-Aktion für eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach ihres Vereinsheims gestartet, auch um dadurch Kosten zu sparen, wie Jochen Stobbe erklärt.
Sorge vor Folgen für Verein
Er fürchtet um die Folgen für die Nachbarschaft, sollte sie nach dem diesjährigen Heimatfest zu einer Pause in Ermangelung eines Bauplatzes gezwungen werden. „Wenn es uns nicht gelingt, kontinuierlich weiterzubauen, haben wir eine Situation wie in der Pandemie. Dann springen die Leute ab“, sagt Stobbe. Derzeit habe der Verein etwas mehr als 80 Mitglieder. Die Motivation müsse hochgehalten werden. „Es muss eine Alternative geben“, fährt der Obernachbar fort und betont, dass es die Nachbarschaft bereits seit 1936 gebe.
„Das alles darf nicht der Anfang vom Ende sein“, macht Jochen Stobbe seinen Standpunkt klar - und damit blickt er nicht allein auf das Brauchtum. „Wir sind ein Teil dieser 13 Nachbarschaften und das Heimatfest ist für die Stadt ein nicht unerheblicher Wirtschaftsfaktor“, erklärt er. Dabei gehe es der Nachbarschaft nicht darum, selbst Geld zu verdienen. „Wir haben unserem Vermieter klargemacht, dass wir eine Non-Profit-Organisation sind“, so der Obernachbar.
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Die Nachbarschaft gucke sich nun nach einem anderen Bauplatz um. Stobbe hofft darauf, dass jemand ein passendes Grundstück hat und möchte dafür auch die Öffentlichkeit und die lokale Politik um Unterstützung bitten. Die Dachorganisation der Schwelmer Nachbarschaften (Dacho) habe bereits in den politischen Raum gebracht, dass die Schwelmer Nachbarschaften auf kurz oder lang neue Grundstücke bräuchten.
Verweis auf Vergleichsmiete
Eigentümer des besagten Grundstücks in der Wiedenhaufe ist eine benachbarte Firma. Die Redaktion nimmt schriftlich Kontakt zu dem Rechtsanwalt auf, der den Eigentümer in dieser Angelegenheit vertritt. Nach Rücksprache mit seinem Mandanten gibt er eine schriftliche Stellungnahme zur Bauplatz-Kündigung ab. Darin heißt es: „Der Mietzins, den die Nachbarschaft hier gezahlt hat, ist verschwindend gering. Er beläuft sich auf maximal ein Viertel der ortsüblichen Vergleichsmieten für entsprechende Liegenschaften.“
Der Anwalt verweist auf Veränderungen innerhalb der Firma. „Im Jahre 2021 hat mein Mandant im Rahmen der gesellschaftlichen Verbindungen von seinem Partner die Hälfte seines Miteigentumsanteils für einen hohen sechsstelligen Betrag [...] erworben. Teil des Anteils sind eben auch die Eigentumsanteile an dem betreffenden Grundstück.“ Zur Finanzierung dieses Kaufs habe sein Mandant ein Darlehen aufnehmen müssen, welches auch durch Grundschuld im Grundbuch eingetragen worden sei. „Da der Grundstückskauf für meinen Mandanten kreditfinanziert ist, ist es für ihn - wie für jeden Grundstückseigentümer - nötig, eine ortsübliche und angemessene Miete zu erhalten“, steht es weiter in der Stellungnahme.
Dem Eigentümer gehören laut Anwalt auch andere Grundstücke. „Allen Mietern wurde im Laufe des Jahres 2022 die monatliche Miete moderat erhöht bzw. es wurden neue Mieter gesucht etc.“, schreibt er dazu. Auch mit der Nachbarschaft gab es demnach 2022 Gespräche, deren Ergebnis wohl mit ausschlaggebend für die jetzige Kündigung sind. „Nachdem sich im Laufe der Verhandlung im Jahre 2022 herausgestellt hat, dass die Nachbarschaft hier in keiner Weise bereit ist, überhaupt irgendeine Mieterhöhung zu akzeptieren, erfolgte die Kündigung“, fasst es der Anwalt zusammen.
Fristverlängerung für Heimatfest
Darüber hinaus soll es in den vergangenen 36 Jahren, die das besagte Mietverhältnis andauert, keinerlei regelmäßige Kommunikation zwischen Mieter und Vermieter gegeben haben. „Die Kommunikation war - wenn sie denn stattfand - dadurch geprägt, dass die Nachbarschaft Forderungen gestellt hat in Form von Erlaubnissen für bauliche Veränderungen auf dem Grundstück etc. Diesen wurde auch regelmäßig nachgegeben“, heißt es.
Weiter führt der Anwalt aus: „Da meinem Mandanten durchaus bewusst ist, dass das Heimatfest 2024 ansteht, hat mein Mandant ausdrücklich angeboten, die Kündigungsfrist um drei Monate bis Ende September 2024 zu verlängern, so dass das Heimatfest für 2024 gesichert ist. Danach ist mein Mandant allerdings nicht bereit, hier sein Grundstück quasi zu verschenken.“
Die Nachbarschaft könne das Grundstück noch bis September nach dem diesjährigen Umzug nutzen. Danach möge sie sich dann um ein anderes Grundstück bemühen oder aber dem Eigentümer einen marktüblichen Mietzins anbieten. „Das Brauchtum der Nachbarschaften wird nicht zusammenbrechen, nur wenn die hier betroffene Nachbarschaft eine angemessene Miete zahlt“, so der Anwalt.