Schwelm. Als Nachwehen des Schwelmer Sparkassen-Skandals um Oliver Flüshöh hat Vorstand Christoph Terkuhlen seinen teuren Vertrag verlängern müssen.
„Fair. Menschlich. Nah.“ – so lautet ein Motto, mit dem die Sparkassen in ganz Deutschland seit vielen Jahren werben. Auch das Haus für die Städte Schwelm und Sprockhövel bediente sich in der Vergangenheit dieses Slogans. „Doch geht es in Schwelm wirklich fair zu? Und wie nah ist die Sparkasse tatsächlich an den Menschen?“, lauten die Fragen, die seit mehr als einem Jahr über dem Besetzungsverfahren des designierten Vorstandsvorsitzenden Oliver Flüshöh schweben.
Der ehemals einflussreichste CDU-Politiker des Ennepe-Ruhr-Kreises und langjährige Verwaltungsrat wurde über Nacht zu einem der bekanntesten Sparkassen-Chefs des Landes – Jahre bevor er diesen Job überhaupt antritt. Nun – ein Jahr nach dem Beginn des Skandals – äußert sich Oliver Flüshöh auf Anfrage der Redaktion erstmals öffentlich zu dem Gesamtkomplex, dessen Entwicklung bereits deutlich früher beginnt. Nämlich im Februar 2022.
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Da trennt sich der Verwaltungsrat vom langjährigen Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse Schwelm-Sprockhövel, Michael Lindermann. Die justiziablen Gründe liegen in Ungereimtheiten bei der Kreditvergabe oder privatem Essen, das Lindermann dienstlich abgerechnet haben soll. Der durchaus schwerwiegende Grund, der vor Gericht nicht zählt, ist aber folgender: Lindermann soll als Vorgesetzter ein Despot gewesen sein. Die Fluktuation im Haus stieg, weitere Führungskräfte drohten mit Abwanderung. Einer, der maßgeblich damit befasst war, dafür zu sorgen, dass die Trennung in der Öffentlichkeit so geräuschlos wie möglich und rechtlich sicher abläuft, war Oliver Flüshöh, der über sein CDU-Mandat für den Schwelmer Stadtrat seit 15 Jahren bereits im Verwaltungsrat der Sparkasse saß.
Der Schwelmer hatte ursprünglich in den 90er-Jahren Bankkaufmann gelernt und anschließend noch Jura studiert. Er erinnert sich: „Im Rahmen meiner Funktion als Vorsitzender des Hauptausschusses war es meine Aufgabe, mich mit den die Vorstände betreffenden Personalentscheidungen zu befassen. Ich habe die Aufgabe meiner Funktion entsprechend nach bestem Wissen und Gewissen, nach Recht und Gesetz sowie gemäß der Beschlüsse der Gremien wahrgenommen. Dazu gehörte, gemeinsam mit weiteren Vertretern des Verwaltungsrates, die Information von Herrn Lindermann über die vom Verwaltungsrat beschlossene Trennung von ihm als Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse Schwelm-Sprockhövel.“
Außerdem landete der Fall vor dem Hagener Arbeitsgericht, weil der gefeuerte Sparkassen-Direktor nicht ohne weiteres gehen wollte. Der Verwaltungsrat engagierte Rechtsanwälte, um dem geschassten Ex-Chef so wenig Geld wie möglich zahlen zu müssen. Nach Informationen dieser Zeitung soll Volljurist Oliver Flüshöh aus dem Verwaltungsrat heraus dabei die Rechtsvertreter der Sparkasse bei diversen Dingen im Rechtsstreit unterstützt haben. Dafür soll er zusätzlich zur Standard-Vergütung weitere Zahlungen erhalten haben. „Mit Bezug auf die anwaltliche Schweigepflicht darf ich keine Auskunft zu übernommenen oder auch nicht übernommenen Mandaten geben“, antwortet Oliver Flüshöh auf die Frage der Redaktion, ob diese Informationen korrekt sind.
In jedem Fall einigten sich die Sparkasse Schwelm-Sprockhövel und Michael Lindermann auf Zahlungen und Regelungen, bevor das Gericht eine Entscheidung treffen musste. Die Suche nach einem Nachfolger begann, in die Oliver Flüshöh als Vorsitzender des Hauptausschusses an verantwortlicher Stelle involviert war. „Der Verwaltungsrat hat – wie in der Vergangenheit – ein offenes Verfahren mit einem Personaldienstleister gestartet“, sagt er dazu. Heißt: Ein Headhunter hat geeignete Kandidaten zusammengetragen und vorgeschlagen.
Flüshöh dementiert abgekartetes Spiel
Hatte Verwaltungsratsvorsitzender Hans-Werner Kick im Oktober 2022 noch davon gesprochen, dass viele gute Bewerbungen eingegangen seien, folgte zwei Monate später die Ernüchterung. Unter den 200 Kandidatinnen und Kandidaten, von denen sich am Ende drei persönlich in Schwelm vorstellten, soll nach Aussage des Verwaltungsrats niemand geeignetes gewesen sein. „Die Anforderungen an den Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse Schwelm-Sprockhövel sind neben der fachlichen Eignung bei Antritt der Position nach den Maßstäben des Kreditwesengesetzes (KWG) § 25c die Verlagerung des Wohnsitzes in das Geschäftsgebiet sowie eine langfristige Bindung an die Sparkasse“, sagt Hans-Werner Kick. Vor allem das Vertrauen des Verwaltungsrats darin, dass er sich langfristig an eine kleine Sparkasse wie diese binden werde, fehlte offenbar einem top-qualifizierten Kandidaten, den die Entscheider am Ende ablehnte.
Dann die große Überraschung: Ex-Sparkassen-Vorstand Roland Zimmer – seit Jahren in Pension und Ende 2022 noch für die FDP im Verwaltungsrat – schlug Oliver Flüshöh für die Stelle vor. Ein abgekartetes Spiel? Flüshöh dementiert: „Der Vorschlag von Herrn Zimmer war mir im Vorfeld nicht bekannt. Als der Vorschlag an mich herangetragen wurde, war ich von der Frage überrascht und habe gebeten, eine solche Überlegung zunächst auf ihre Umsetzbarkeit zu prüfen. Nachdem diese Prüfung erfolgt war, habe ich mich aus den mit dem Auswahlverfahren befassten Sitzungen und Abläufen der Aufsichtsgremien zurückgezogen und – nach reiflicher Überlegung gemeinsam mit meiner Familie – meine Bewerbung für die Funktion des Vorstandsvorsitzenden eingereicht. Da ich beruflich erfolgreich als Geschäftsführer eines Verbandes in NRW tätig und politisch in der Region sehr aktiv war, habe ich mir diese Entscheidung nicht leicht gemacht, sie dann aber aus Überzeugung getroffen.“
Der Haken an der Sache: Oliver Flüshöh wohnt zwar in Schwelm und will langfristig auch nicht wegziehen, aber die fachliche Eignung nach den Maßstäben des Kreditwesengesetzes (KWG) § 25c fehlt ihm komplett. Der Verwaltungsrat – bis auf die Mitarbeitervertreter ausschließlich mit Lokalpolitikerinnen und -politikern besetzt – schmiedete folgenden Plan: Christoph Terkuhlen, der bislang hinter Michael Lindermann zweiter Mann im Vorstand war, sollte Vorsitzender werden bis Oliver Flüshöh diese Eignung erlangt hat. Für den CDU-Mann wurde deshalb extra die Stelle des Generalbevollmächtigten neu geschaffen. Ursprünglich war die Vorstandsstelle ausgeschrieben worden, weil Terkuhlen genau diese nicht besetzen sollte.
Als die Sparkasse den Plan präsentierte, rollte eine Welle der Entrüstung los, denn Flüshöh hätte ohne seine politische Tätigkeit nie die Chance auf diese Stelle gehabt. Um vom Headhunter vorgeschlagen zu werden, fehlten ihm die Mindestvoraussetzungen. „Ich habe im Rahmen des laufenden Bewerbungsverfahrens für die Funktion des Vorstandsvorsitzenden meine Bewerbung beim Verwaltungsrat eingereicht“, sagt Flüshöh und Hans-Werner Kick bestätigt: „Unter den von dem Personaldienstleister vermittelten Kandidaten hat sich kein geeigneter Bewerber gefunden. Nachträglich, aber im Rahmen des laufenden Verfahrens, hat Herr Flüshöh seine Bewerbung eingereicht.“ Allerdings: Neben Oliver Flüshöh gewährte die Sparkasse keinem anderen, der die Mindestanforderungen nicht erfüllte, die Chance, sich auf den Chef-Posten zu bewerben.
„Parteizugehörigkeit oder bestehende politische Ämter waren keine Kriterien bei der Entscheidung“, sagt Hans-Werner Kick dazu, der genauso wenig Auskunft über das Gehalt von Oliver Flüshöh erteilt, wie der Generalbevollmächtigte selbst oder der Vorstand.
Klar ist, dass der ursprüngliche Plan, dass Christoph Terkuhlen 2025 in Pension geht und Oliver Flüshöh übernimmt, nicht funktionieren wird. Denn die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hatte bereits kurz nach Bekanntwerden dieser Strategie den Schwelmern mitgeteilt, dass sie den designierten Vorstandschef mindestens drei Jahre in der Ausbildung sehen möchte.
Mittlerweile sind die Verhandlungen über ein weiteres Vertragsjahr mit Christoph Terkuhlen gelaufen. Er wird verlängern und neben seinem Gehalt in Höhe von etwa 360.000 Euro auch noch Pensionsansprüche im deutlich sechsstelligen Bereich zusätzlich erwerben, während Oliver Flüshöh als Generalbevollmächtigter ebenfalls parallel bezahlt werden muss.
Wahrscheinlich könnte Flüshöh frühestens am 1. April 2026 übernehmen. Dennoch betont Hans-Werner Kick, dass der Sparkasse kein wirtschaftlicher Schaden entstanden sei und weiter: „Zu Inhalten des Austauschs des Vorstands mit der BaFin kann ich aus Gründen der Amtsverschwiegenheit keine Angaben machen. Ich stehe nach wie vor zu der Entscheidung des Verwaltungsrates.“
Die Aufgaben des Generalbevollmächtigten
Doch was sind bislang überhaupt die Aufgaben des Generalbevollmächtigten – eine direkt am Vorstand angesiedelte Stelle, die es bislang gar nicht gab? Christoph Terkuhlen und der zweite Vorstand, Daniel Rasche, klären auf: „Herr Flüshöh übernimmt Aufgaben, die für die Geschäftsleitereignung relevant sind, sowie neue Aufgabenbereiche wie Nachhaltigkeit und Künstliche Intelligenz. Er wird vom Vorstand in die wesentlichen strategischen Entscheidungen beratend einbezogen. Begleitend arbeitet Herr Flüshöh an der Vertiefung seiner fachtheoretischen Kenntnisse, besonders im Bereich der Gesamtbanksteuerung. Diese Aufgaben wurden bislang von verschiedenen Mitarbeitenden übernommen oder fallen zusätzlich an.“
Mit Spannung schauen die Schwelmer, schaut die Sparkassen-Branche darauf, wie sich der Schwelmer Skandal in den kommenden beiden Jahren entwickelt. Fair? Menschlich? Nah? Diese Fragen bleiben auch ein Jahr nach der Schwelmer Personalrochade, die für viel Wirbel sorgt, zu großen Teilen unbeantwortet.
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