Gevelsberg. Roberto Buchholz und seine Frau Nicole haben Gevelsberg für immer verlassen, um in Kenia zu leben. Sie wollen den Menschen dort helfen.
So langsam ist die Anspannung abgefallen. Die Sorge davor, nicht alles erledigt zu haben, die Wehmut nach all den vielen Verabschiedungen, die Aufregung vor dem Neuanfang in einem anderen Land. Im November sind Roberto Buchholz und seine Frau Nicole nach Kenia ausgewandert und haben Gevelsberg für immer hinter sich gelassen.
Das Haus in Gevelsberg steht zum Verkauf, ihr neues Zuhause liegt nun in Ukunda, einem kleinen Dorf, nur 15 Minuten von Mombasa entfernt. Die Entscheidung, ihr altes Leben hinter sich zu lassen, ist endgültig. „Wir haben uns das gründlich überlegt“, sagt Roberto Buchholz. Er ist vor wenigen Monaten in den Ruhestand gegangen, nach 33 Jahren in einem Bauunternehmen. „Ich bin 63 Jahre alt, wenn nicht jetzt, wann dann?“ Seiner Frau sei es zuletzt schwerer gefallen, den Schritt zu gehen, ihre Tochter bekommt im Frühjahr ihr erstes Kind. Doch sie seien hier ja nicht aus der Welt, auch wenn einige Stunden im Flugzeug und eine andere Zeitzone dazwischen liegen.
Das Grundstück am Diani Beach in Kenia hat das Ehepaar Buchholz schon vor einem Jahr gekauft. Doch noch gibt es das neue Haus nicht, das war eigentlich anders geplant. Jetzt wohnen sie erst einmal in einem Bungalow bei Bekannten. Die Auswanderer nehmen es gelassen. „In Kenia läuft alles ein bisschen anders. Vor allem langsamer und auch bürokratischer“, sagt Roberto Buchholz, „das wussten wir vorher, und um so wichtiger ist es, dass wir jetzt hier sind.“
Der Verein Tiwi Ndogo hat bereits 120 Brunnen in Kenia gebaut
Menschen hungern, nicht immer gibt es Strom, Trinkwasser ist nicht überall frei verfügbar. Alles Gründe, die Roberto Buchholz, seinen Sohn Silvio und einige andere engagierte Gevelsberger dazu brachten, den Verein Tiwi Ndogo zu gründen. Das war 2014. Seitdem sind Dank der Hilfe aus Gevelsberg 120 öffentliche Brunnen in Kenia gebaut worden. Genau genommen in Tiwi, einer Region, die etwa so groß wie der Ennepe-Ruhr-Kreis ist. Jeder Cent, der in Gevelsberg gesammelt wird, fließt in Hilfsprojekte.
„Wir haben drei Menschen dauerhaft fest angestellt, die für uns die Brunnen bauen, und das seit acht Jahren“, erklärt Roberto Buchholz. Mehr als 400.000 Euro sind in den Jahren zusammengekommen. Durch Spenden und die vielen Aktionen, die der Verein durchführt, vor allem aber mit ihrem Fußballturnier. Damit Kinder in die Schule gehen können, um Hilfe in der Not zu leisten, um Arztkosten zu bezahlen. Roberto Buchholz erzählt von einem Mann, der gestürzt ist und einen Oberschenkelhalsbruch hatte, aber kein Geld für die Behandlung. „Lediglich 200 Euro haben der Krankenhausaufenthalt und die OP gekostet, jetzt kann er wieder gehen.“ Ohne die Hilfe des Vereins wäre er nie wieder auf die Beine gekommen, hätte seine Familie nicht mehr versorgen können.
Geld fließt auch in den Häuserbau. Denn immer wieder werden Dörfer in Kenia überschwemmt, die Menschen sind dann sich selbst überlassen. Vor einigen Wochen haben Roberto und Nicole Buchholz hautnah miterlebt, wie Unwetter wüteten, Schüler mit Booten zur Schule in ihrem Dorf mussten, weil die Abiturprüfung anstand. Und wie Häuser weggespült wurden oder unter der Last zusammen brachen, nur fünf Kilometer von ihnen entfernt. Eine alleinerziehende Mutter mit vier Kindern ist seitdem obdachlos. Roberto Buchholz konnte vor Ort den Neuaufbau organisieren, wenige Tage nach der Katastrophe.
Es sei einfacher, all das von Kenia aus zu regeln. Das hatte sich der Verein gewünscht, noch näher dran zu sein. Diese Aufgabe übernehmen die beiden Gevelsberger gerne. Etwa 20 Mal seien sie seit der Gründung des Vereins vor acht Jahren nach Kenia gereist, haben das Leben auf dem anderen Kontinent kennengelernt. Viele Menschen sind in der Landwirtschaft tätig, andere verkaufen alles Mögliche auf den Straßen. Der Unterschied zwischen Stadt und Land sei groß. „Hier ist in den Städten alles zu haben, was es auch bei uns gibt“, sagt Roberto Buchholz. Doch das können sich die wenigsten leisten.
Worauf immer Verlass ist, sind die Temperaturen. „Hier wird es nicht heißer als 30 Grad, aber auch nicht kälter als 20. Wir sind am Äquator, nach zwölf Stunden Sonne ist es abrupt dunkel.“ Dann sollte man sich auch nicht mehr außerhalb des Dorfes aufhalten. Angst hat Roberto Buchholz nicht. Er fühlt sich wohl in Kenia, mit der Wärme der Sonne und der Herzlichkeit der Menschen, aber ganz unbedarft sollte man eben auch nicht sein.
Natürlich fehle ihm Gevelsberg. Sein FSV Gevelsberg, dem er viele Jahre vorstand. Die Freunde, Bekannte, aus sechs Jahrzehnten Leben. „Leider habe ich mir drei Wochen vor dem Abflug einen Meniskusriss zugezogen.“ OP, Reha und dabei noch das Packen. „Ich konnte nicht allen persönlich Lebewohl sagen“, bedauert Roberto Buchholz. Doch der Flug am 7. November war fest gebucht. „Wir freuen uns, dass wir nun hier sind. Und wer uns vermisst, kann anrufen. Der Empfang hier ist gut.“
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Die Regenzeit ist jetzt zum Glück vorbei, der Sommer ist da. Von dem Bungalow aus sind Palmen sehen, der Indische Ozean ist nur wenige hundert Meter entfernt. Frischer Fisch wird gerade am schneeweißen Strand angeboten. Roberto und Nicole Buchholz nehmen sich an diesem Morgen etwas Zeit zum Genießen und am Nachmittag gibt es wieder viel zu tun. Der Tiwi Ndogo-Cup findet im Januar statt, „wieder mit einem tollen und namhaften Schirmherr“, sagt der Gevelsberger. Noch kann er den Namen nicht bekannt geben, weil die Vorbereitungen für das Fußballturnier, das so viele Menschen in Kenia glücklich macht, noch auf Hochtouren laufen. Kurz vor Weihnachten will er das Geheimnis lüften.
Roberto Buchholz ist in diesen Tagen viel mit dem Motorrad unterwegs, fährt zu den Brunnen, überprüft, ob alles in Ordnung ist. Ob die Plaketten der Spender angebracht sind, ob noch Wasser fließt und kein Schloss heimlich montiert wurde. Roberto Buchholz erklärt, dass die Regierung den Zugang zu Wasser reglementiere. Auch deshalb sei es so wichtig, für alle zugänglich Brunnen zu bauen – und genau hinzuschauen, dass ihn auch wirklich alle nutzen können.
Weiter nach geeigneten Stellen für Brunnen zu suchen, Spenden sammeln, darum wird sich Roberto Buchholz kümmern. Er würde auch gerne im Namen des Vereins dafür sorgen, dass mehr Menschen Strom haben. Mithilfe von Solarpaneelen ist das möglich, und Sonne gibt es in Kenia genug. Seine Frau Nicole engagiert sich in den Schulen, kümmert sich um die Kinder. „Man kann hier so viel bewirken, so vielen helfen, das Leben für viele lebenswerter machen“, sagt Roberto Buchholz und ist genau dort, wo er sein will. Und wo er gebraucht wird.
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