Schwelm. Die Euphorie vieler Kollegen teilt der Allgemeinmediziner Dr. Hans-Ulrich Hasenack aus Schwelm nicht. Das sind die Gründe.

Weihnachtszeit gleich Erkältungszeit – viele Menschen haben gerade mit laufenden Nasen, Hals- oder Gliederschmerzen zu kämpfen, oder der Schnelltest zeigt an: Corona-positiv. Dementsprechend voll sind derzeit die Arztpraxen. Für Entlastung der Ärzteschaft soll seit Donnerstag, 7. Dezember, die wieder eingeführte Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung sorgen. Damit soll auch die Gefahr gesenkt werden, dass sich Patienten im Wartezimmer eine Erkältung holen oder sich mit Grippe- und Corona-Viren anstecken. Der Schwelmer Allgemeinmediziner Dr. Hans-Ulrich Hasenack sieht das Ganze allerdings zwiegespalten.

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Die Euphorie vieler Kollegen teilt er nicht. „Natürlich kann uns das entlasten, aber meine größte Sorge ist, dass ich so schwerere Krankheitsverläufe übersehe“, sagt Dr. Hasenack auf Nachfrage unserer Redaktion. Wenn der Patient über Symptome wie Fieber in Verbindung mit Ohrenschmerzen klage, würde er gern das Ohr untersuchen, um eine Mittelohrentzündung auszuschließen. „Und bei Fieber mit eitrigem Husten hätte ich gern mal die Lunge abgehört.“ Bei klassischen Erkältungssymptomen wie Gliederschmerzen oder laufender Nase sei die telefonische Krankschreibung kein Problem. „Da raten wir den Patienten, sich ins Bett zu legen, viel zu trinken und zur Not fiebersenkende Maßnahmen zu ergreifen. Das kann man ja bis zu einer Woche machen. Aber wenn es dann nicht besser wird oder es zu Komplikationen kommt, ist der Arztbesuch unumgänglich. Und bei starken Halsschmerzen, die in einem eitrigen Racheninfekt enden können, muss ich mir das anschauen. Diesen Hype, den viele verbreiten, sehe ich kritisch.“ Bis Freitagmittag ließen sich zwei seiner Patienten telefonisch krankschreiben.

Mit seinen Medizinischen Fachangestellten, die die Telefongespräche mit den Patienten führen und die Krankschreibung veranlassen, hat Dr. Hans-Ulrich Hasenack über das Vorgehen gesprochen. Eine Krankschreibung setze eine Diagnose voraus und die eigene Einschätzung der Patienten, was sie haben, müsse ja nicht immer stimmen. „Meine Mitarbeiterinnen sind alle mehr als zehn Jahre dabei, sie haben also Erfahrung. Einen Lehrling lasse ich da nicht ans Telefon.“ Zudem würden seine Mitarbeiterinnen die Patienten kennen und wüssten anhand der Krankenakte, ob Vorerkrankungen bei den Anrufern vorliegen. Bei jüngeren Patienten, die normale Grippe- oder virale Infektbeschwerden hätten, sieht Dr. Hasenack die telefonische Krankschreibung als unbedenklich an. „Wichtig ist aber, dass keine Vorerkrankung vorliegt. Meine Mitarbeiterinnen haben das aber im Blick und bestellen die Patienten im Zweifel doch in die Praxis.“

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Krankschreibungen länger als fünf Tage würde seine Praxis sowieso nicht telefonisch ausstellen. „Drei bis fünf Tage sind die Regel, wenn aus den Schilderungen der Patienten die Notwendigkeit der Krankschreibung besteht.“ Und eine Woche Urlaub per Telefon würde er sowieso niemandem ermöglichen. Am Telefon bitten seine Medizinischen Fachangestellten die Patienten, die sich mit akuten Beschwerden melden, zunächst darum, einen Corona-Schnelltest zu machen. „Bei fünf bis zehn Patienten pro Tag ist der Schnelltest momentan positiv. Die kommen dann eh nicht mehr in die Praxis, sondern sollen eine Woche Zuhause bleiben, damit sie keinen anderen anstecken“, sagt Dr. Hasenack.

Allgemeinmediziner sieht das Haftungsproblem

Der Allgemeinmediziner sieht bei den telefonischen Krankschreibung auch das Problem der Haftung. „Es muss immer mit der gebotenen Sorgfaltspflicht passieren. Wenn sich ein Krankheitsbild verschlechtert, stehe ich in der Pflicht, weil der Patient später sagt, der Arzt hat mich doch krankgeschrieben.“ Es gebe Symptome, die er selbst überprüfen müsse. „Wenn der Patient später eine Mittelohrentzündung mit perforiertem Trommelfell bekommt, stehe ich im Regen.“

Zum Hintergrund: Telefonische Krankschreibungen dürfen Arztpraxen nur für Personen ausstellen, die dort bekannt sind. Man muss daher innerhalb der letzten zwei Jahre mindestens einmal in der Arztpraxis gewesen sein. Die telefonische Krankschreibung gilt für höchstens sieben Tage. Eine Ausnahme ist möglich, wenn der Patient zuvor persönlich in der Praxis untersucht wurde. Damit es keinen Missbrauch gibt, muss die Arztpraxis überprüfen, dass die anrufende Person auch tatsächlich diejenige ist, für die sie sich ausgibt.