Schwelm. Die Schwelmer Gelateria Paolo schließt nach 64 Jahren. Was Delfina und Paolo Legovini nun machen und wie es mit der Eisdiele weitergeht.
Wo soll man nur anfangen, bei solch einer langen Lebens- und Erfolgsgeschichte? Nun, für Paolo Legovini begann die folgende „Eisgeschichte“ bereits im Sommer 1959 an der Ecke Bahnhof-/Untermauerstraße. Denn genau dort übernahm sein Schwiegervater Mario Battistin – der zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht sein Schwiegervater war – ein Eiscafé namens Cordella, das er in „Ital. Eissalon Venedig“ umbenannte. Der Weg der beiden Männer kreuzte sich, als Paolo in der 1960-er-Jahren Marios in den Dolomiten geborene Tochter Delfina kennen- und lieben lernte und dies seine Lebenspläne grundlegend ändern sollte. Doch alles der Reihe nach. . .
Im roten VW Käfer nach Schwelm
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Paolo Legovini kommt am 28. August 1948 als ältestes von vier Geschwistern in Treviso (nahe Venedig), Italien zur Welt, wo er er als junger Mann an der Uni Venedig Architektur und später auch seinen Militärdienst absolvierte. Auch Hobbys wie Fußball und Motorradsport kamen bei Paolo nicht zu kurz. Weil aber Delfina in den Sommermonaten immer ihren Vater Mario in der Eisdiele im deutschen Schwelm unterstützt, entschließt sich Paolo 1967 dazu, seine geliebte Delfina zu begleiten. Sein Engagement unterstützt die Familie Legovini mit einem nagelneuen roten VW Käfer. In diesem reisen Delfina und Paolo nach Schwelm. Doch wie es das Schicksal wollte, passiert ihnen ein kleiner Autounfall, sodass die Eheleute länger bleiben als geplant. Unter anderem mit Tätigkeiten in hiesigen Firmen halten sie sich in den folgenden zwei Monaten über Wasser. Es gefiel den Legovinis gut in Schwelm, und so wurde das Pendeln zwischen Treviso und Schwelm schnell zur Normalität.
Nach der Heirat im Jahr 1970 beschließen die Eheleute, sich immer stärker in das Eiscafé des Vaters bzw. Schwiegervaters einzubringen. Die Jahre vergehen für die beiden wie im Flug; 1972 und 1979 werden ihre Kinder David und Davina geboren. In den Jahren 1982 und 1983 wird schließlich klar, dass Paolo und Delfina den Eissalon Venedig übernehmen sollen und wollen. Unter dem neuen Namen „Gelateria Paolo“ wird die Eisdiele zu einer über die Stadtgrenzen bekannten und beliebten Institution.
Von da an beginnt der Arbeitstag für Delfina und Paolo um 5 Uhr in der Eismanufaktur und endet abends gegen 21 Uhr, wenn sie hinter dem letzten Gast die Eisdielen-Tür abschließen – und das sieben Tage die Woche, von Ende Januar bis Ende Oktober. Ein arbeitsreiches Leben, das den Eheleuten aber nach wie vor viel Freude bereitet.
Soziales Engagement
Aber auch in den Wintermonaten, die die Legovinis in der Heimat verbringen, setzen sie sich für ihre Mitmenschen ein. Sie übernehmen Aufgaben beim Roten Kreuz in Italien sowie in einem heimatnahen Hospiz. Doch darüber sprechen die beiden bescheidenen Seelen nicht gerne; sie möchten einfach nur helfen und nicht dafür gelobt werden.
Auch hier in Schwelm gab es viele gute Taten, von dem bis heute kaum jemand weiß. So mancher arme Mensch bekam nicht nur Eis und Kaffee umsonst, sondern auch so manche Geldspende heimlich zugesteckt.
Generationen gingen in der Gelateria Paolo ein und aus. Unzählige Bilder, die Paolo unter anderem mit Babys Schwelmer Eltern und Großeltern zeigen, zeugen von dieser mehr als innigen Verbindung. Doch nun, nach so vielen Jahrzehnten, ist es für Delfina und Paolo an der Zeit, in den Ruhestand zu gehen. Denn zuhause in Treviso wartet die ganze Familie nebst Enkelkindern – zwei und sechs Jahre alt – sehnlichst auf die beiden. Auf die Frage, was sich die Eheleute für die Zukunft wünschen, sagen sie mit feuchten Augen: „Endlich Oma und Opa sein!“
Letzter Öffnungstag am Samstag
Am morgigen Samstag, 16. September, werden sich die Türen der Gelateria Paolo ein letztes Mal öffnen. Danach wird der legendäre Eissalon für den nachfolgenden Pächter, der noch nicht hundertprozentig feststeht, übergabefertig gemacht. Zwischen dem 10. und 15. Oktober werden Delfina und Paolo dann mit einem weinenden und einem lachenden Auge die endgültige Heimreise antreten.
Adressiert an die Schwelmer und die vielen Menschen, denen sie in all den Jahren begegneten, sagen sie: „Wir danken euch allen für die vielen schönen Jahrzehnte. Ungezählte Erinnerungen nehmen wir in Bildern und in unserem Herzen mit. Sie werden uns zeitlebens begleiten.“
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