Schwelm. Drei Busse hat Schüler Matthias zur Auswahl. Die sind entweder zu voll oder unpünktlich. Seit Wochen kommt er deswegen zu spät zum Unterricht.
Ab halb sieben steht Matthias Kissing an der Haltestelle Linderhausen in Schwelm, um mit dem Bus pünktlich um acht zur ersten Schulstunde zu kommen. Ein Problem ist, wenn der Bus dann nicht kommt oder – was noch ärgerlicher ist – kommt, ist aber so voll, dass man nicht mehr einsteigen darf.
Die Situation ist für Matthias und seinen Vater Holger Kissing schon fast zur Gewohnheit geworden. Holger Kissing muss seinen Sohn dann mit dem Auto zur Schule fahren. „Aber dann ist er auch schon knapp fünf Minuten zu spät“, erklärt der Vater.
Verspätungen und Ausfälle verschlimmern sich
Es gab eigentlich schon immer Probleme mit der Busverbindung Linderhausen zum Busbahnhof in Haßlinghausen. „Seit ich mit dem Bus fahre“, erinnert sich Matthias. Es war bereits in der sechsten Klasse so, dass es teilweise zu Ausfällen gekommen ist, weiß der heutige Neuntklässler. Aber: „So schlimm wie jetzt war es noch nie“, sagt sein Vater.
Seit Schulbeginn, vor knapp drei Wochen, stand Matthias bereits fünf Mal vor verschlossenen Bustüren und ist darauf angewiesen, dass sein Vater ihn zur Schule fahren kann. Ein Glück, dass Holger Kissing in Gleitzeit arbeitet und das überhaupt leisten kann. „Aber eigentlich ist es nicht geplant, dass ich für die Strecke noch das große Auto anmache.“
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Laut Fahrplan werden drei Busse in der Zeit zwischen 7.30 Uhr und 7.40 Uhr eingesetzt. „Ich versuche zu warten bis ein Bus kommt“, sagt Matthias, der auch manchmal um 7.50 Uhr noch an der Haltestelle steht. Eine Uhrzeit, bei der er garantiert nicht mehr pünktlich zur Schule erscheinen kann. Die drei Busse, die zu der Uhrzeit eingesetzt werden sind entweder zu überfüllt, zu spät oder fallen ganz aus. „Wir sind hier manchmal bis zu sieben Leute. Zwei quetschen sich dann vielleicht noch rein, denen ist auch egal, wenn sie keine Luft mehr bekommen.“
Personelle Engpässe im ÖPNV
Um das Problem genau zu benennen, fängt Kissing an die Tage aufzuschreiben, an denen sein Sohn ihn von der Bushaltestelle aus anruft.
- 09.08 Erster und zweiter Bus zu voll. Dritter Bus war bis 7.55 Uhr nicht in Linderhausen.
- 15.08 Erster und zweiter Bus zu voll. Dritter Bus war bis 7.55 Uhr nicht in Linderhausen.
- 16.08 Erster und zweiter Bus zu voll. Dritter Bus wurde laut der VRR-App heute nicht eingesetzt.
- 18.08 Erster und zweiter Bus zu voll.
- 21.08 Erster und zweiter Bus zu voll.
Holger Kissing wendet sich damit an die VER, will aufmerksam machen auf die schlechte Busverbindung, die seinen Sohn dazu zwingt, seit mehreren Jahren auf das Auto seines Vater angewiesen zu sein. Die Antwort, die er bekommt, ist für ihn unzureichend: „Das liest sich wie ein Standardschreiben ohne Substanz.“ Holger Kissing schreibt zurück, beschreibt das Problem genauer, doch auf eine Antwort muss er lange warten.
Dann, nach vier weiteren Mails, kommt eine Nachricht der VER. Sie entschuldigen sich für die späte Antwort und informieren, dass der Fahrplan aufgrund von personellen Engpässen in nächster Zeit eingeschränkt werden wird.
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Auch auf Nachfrage der Redaktion wird der personelle Engpass von der VER als Grund für die schlechte Busverbindung genannt. „Der Nahverkehr leidet extrem unter Personalmangel und die Krankenquote ist immens hoch“, so die Aussage. Doch werde gerade ein Konzept erarbeitet, um die Situation zu verbessern, das mit den eingeschränkten Fahrplänen nun auch eingeführt wurde. Ein weiteres Problem sei auch, dass die Krankmeldungen häufig erst sehr kurzfristig eingehen. „Wenn ein Busfahrer sich um sechs Uhr morgens krankmeldet, dann findet man bis Schichtbeginn um 7 keinen Ersatz“, lautet die Erklärung der VER, „die Ausfälle können also nicht abgestellt werden.“
Größere Busse für mehr Raum
Doch es soll auch eine gute Nachricht für die Busverbindung Linderhausen geben. Dort fährt die 557, zur Stoßzeit um sieben mit drei Bussen, sonst mit einem. „Bis jetzt werden dort zwei lange Busse“ – gemeint ist damit ein Gelenkbus – „und ein kurzer Bus eingesetzt. Ab jetzt sollen zur Stoßzeit drei Gelenkbusse eingesetzt werden. Damit können dann auch mehr Fahrgäste transportiert werden.“ Auf Nachfrage, wann dies geschehen soll, kann die VER nur mit der wagen Aussage „zeitnah“ antworten. Ob sich das mit der jetzt angekündigten Fahrplanänderung umsetzten lässt, bleibt abzuwarten.
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„Ich kann total verstehen, dass morgens viele Menschen von A nach B müssen“, sieht Holger Kissing die Probleme im Nahverkehr. „Ich weiß, dass es beim ÖPNV keine Mitnahmegarantie gibt“, führt er weiter aus. Vor allem wenn spontan Probleme auftreten, kann Holger Kissing die Ausfälle verstehen, „aber hier sind es seit Jahren die gleichen Anforderungen, da sollte man sich dann drauf einstellen.“ Das Problem sei in der jüngsten Zeit zwar deutlich drastischer geworden, aber schon seit Jahren da.
Sollte es sich nicht bessern, überlegt Holger Kissing eine Fahrgemeinschaft mit Eltern in seiner Nachbarschaft ins Leben zu rufen. „Sonst muss ja immer jeder einzeln fahren“, sagt er. Die Situation der Familie sei schon lange kein Einzelfall mehr.
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