Ennepe-Ruhr. Die VER hat ein massives Problem und muss ihren Busfahrplan einschränken. Was dahinter steckt und worauf sich Fahrgäste einstellen müssen.

Es ist eine drastische Situation für die Verkehrsgesellschaft Ennepe-Ruhr (VER), die Geschäftsführer Peter Bökenkötter am Mittwochabend den Politikerinnen und Politikern des Ennepe-Ruhr-Kreises schildert. Weil sich zu viele Mitarbeitende krank gemeldet haben, sieht sich das Unternehmen gezwungen, seinen Busfahrplan von voraussichtlich Montag, 28. August, bis Samstag, 30. September, einzuschränken. Immer wieder war es in den vergangenen Wochen zu Ausfällen gekommen, der Ärger bei den Fahrgästen ist groß.

Vorgesehen ist nun der Wegfall einzelner Fahrten im gesamten VER-Liniennetz, um zumindest auf den angebotenen Fahrten wieder mehr Verlässlichkeit zu schaffen. Das Unternehmen betont aber, dass es weiterhin alle Stadtteile bedient. Falls sich der Krankenstand zwischenzeitlich in entsprechendem Maße reduzieren sollte, möchte die VER wieder zum vollständigen Angebot zurückkehren. Ziel ist es nach eigenen Angaben, rund 97 Prozent des gewohnten Angebots auch mit eingeschränkter Mitarbeitendenzahl aufrechtzuerhalten.

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Bemerkenswert sind die Gründe, auf die Geschäftsführer Bökenkötter den hohen Krankenstand zurückführt. „Es ist immer noch recht einfach, sich telefonisch krankschreiben zu lassen“, sagt er. Es habe Fälle von Mitarbeitenden gegeben, die sich per Krankenschein ihren Urlaub verlängert hätten, was auch abgemahnt worden sei.

Der Kontakt zu Fahrgästen ist aus seiner Sicht ein weiterer Faktor. „Die Aggressivität steigt ins Unermessliche“, macht Bökenkötter deutlich. „Ein Kollege ist fahruntauglich, weil er geschlagen wurde“, zeigt Bökenkötter sich entsetzt. Personalausfälle ließen sich kaum kompensieren. „Der Arbeitsmarkt ist so gut wie leer“, weiß der Geschäftsführer. Und fänden sich Bewerber, seien diese zum Teil unzuverlässig.

Immer wieder Busausfälle

Dem Bericht des VER-Geschäftsführers war eine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an die Verwaltung des Ennepe-Ruhr-Kreises vorweggegangen. Darin heißt es: „Seit rund einem Jahr kommt es immer wieder zu Busausfällen in mehr oder weniger starkem Umfang. Die im Nahverkehrsplan vorgesehenen Leistungen werden nicht erbracht. Zusätzlich fallen auch im Schienenverkehr immer wieder Züge beziehungsweise zeitweise ganze Linien aus. Dies macht den ÖPNV unzuverlässig und damit unattraktiv.“ Gleichzeitig beklagt die Fraktion mangelhafte Informationen für die Fahrgäste bei Ausfällen.

Die Fraktion wollte daher unter anderem wissen, was der Ennepe-Ruhr-Kreis und das kreiseigene Verkehrsunternehmen VER zur Verbesserung unternommen haben, ob sich die Fahrplantreue durch einen verstärkten Einsatz von Subunternehmen verbessern lässt oder auch ob die VER über die landesweite Regelung der Mobilitätsgarantie hinaus Garantien übernehmen kann, also zusätzliche Kosten bei Ausfällen – beispielsweise für ein Taxi.

Jürgen Tannenfels, ÖPNV-Experte der Kreisverwaltung, bestätigt die geschilderten Eindrücke. Es ist richtig, dass es in Wellen seit letztem Jahr zu einem erhöhten Krankenstand gekommen ist“, so Tannenfels. „Es gibt regelmäßig Abstimmungen, wo wir die Situation abfragen und gucken, was man machen kann.“ Seit Ende der Sommerferien sei es noch mal schlimm geworden. Die Reaktion sei der nun abgestimmte und reduzierte Fahrplan.

Schülerverkehr gewährleisten

Geschäftsführer Peter Bökenkötter geht noch mehr ins Detail. Während Corona sei der Krankenstand auf bis zu 35 Prozent der Belegschaft gestiegen. Sonst seien acht Prozent normal gewesen. Schließlich habe sich die Quote bei etwa zwölf Prozent eingependelt. Der VER-Aufsichtsrat hat eine dementsprechende personelle Aufstockung genehmigt, wie Bökenkötter erklärt. Im Moment manifestiere sich aber eine Quote von 15 Prozent, also mehr als die genehmigte Aufstockung des Aufsichtsrates.

Und selbst da bleibt das Problem, geeignetes Personal zu finden. „Drei Mitarbeiter mussten wir über die Probezeit entlassen, weil sie unzuverlässig waren“, so der Geschäftsführer. Manchen falle ein paar Minuten vor Dienstantritt plötzlich ein, dass sie krank seien. Andere hätten Probleme damit, am Wochenende zu arbeiten. Er betont dabei aber auch, dass der Großteil der VER-Belegschaft seine Arbeit ganz hervorragend mache.

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Das Fahrplanangebot werde jetzt um 3,3 Prozent reduziert – auf den Linien, die ohnehin stark getaktet seien und so, dass der Schülerverkehr gewährleistet sei. Auf diesem Wege könnten ungeplante Ausfälle vermieden werden und sich die Kundinnen und Kunden rechtzeitig auf das vorübergehende Angebot einstellen.

Fahrgastinfo über Bogestra

Jürgen Tannenfels erklärt, dass die VER mit der Situation nicht alleine sei: „Alle um uns herum haben Personalprobleme.“ Bökenkötter ergänzt: „Es kochen alle mit demselben Wasser.“ Das betreffe auch die von den Grünen angesprochenen Subunternehmer. „Die können auch Dienste nicht besetzen, dazu wird von der Deutschen Bahn viel Schienenersatzverkehr angefordert und die bezahlen das fürstlich“, weiß der Geschäftsführer. Die Subunternehmer würden sich für das Lukrativere entscheiden.

Die VER sei für alle seine Personalbereiche auf entsprechenden Jobmessen vertreten, werbe auf seinen Bussen und im Internet um Zuwachs für sein Team. „Zusätzlich bieten wir eine psychologische Hotline, Fitness-Studio, Jobrad, Mitarbeiterticket und Freifahrten für die Familie auf den eigenen Linien“, zählt Bökenkötter die Vorteile für die VER-Belegschaft auf. „Wir haben jetzt mehr als zwanzig Bewerbungsgespräche angesetzt und hoffen, dass die Ausbeute dieses Mal besser ist“, sagt Bökenkötter. „Wenn einer geeignet ist, lasse ich ihn nicht mehr vom Hof.“

Die Fahrgastinformationen sollen sich laut Peter Bökenkötter bald verbessern. Ab dem 1. September übernehme die Bogestra 24/7 die Fahrgastinfo und informiere auch in der App. Zur Mobilitätsgarantie sagt Jürgen Tannenfels: „Sobald der Fahrplan nicht erfüllt wird, greift die Garantie unter den Regularien des VRR. Wenn der Fahrplan durch die geplante Anpassung erfüllt wird, greift das nicht mehr.“ VER-Geschäftsführer Bökenkötter ergänzt: „Wir waren da in letzter Zeit sehr kulant.“

Weitere Informationen zur Mobilitätsgarantie gibt es unter www.mobil.nrw/fahren/mobigarantie.html. Das eingeschränkte Fahrplanangebot wird in die elektronische Fahrplanauskunft (EFA) eingepflegt, so dass sich Fahrgäste über die zeitlich befristeten Neuerungen informieren können. Mehr dazu auch unter www.ver-kehr.de.