Ennepetal. Die Stadt Ennepetal hat den Betrieb des Kanalnetzes an den Ruhrverband übertragen – und 103 Millionen Euro kassiert. Was die Bürger davon haben.

Die Stadt Ennepetal ist auf einen Schlag den größten Teil ihrer Schulden los – und darüber hinaus künftig auch nicht mehr für die Entwässerung im Stadtgebiet zuständig. Der Ruhrverband hat das wirtschaftliche Eigentum am Kanalnetz übernommen und dafür mehr als 100 Millionen Euro an die Stadtkasse überwiesen. Bei der Vertragsunterzeichnung im Ennepetaler Rathaus betonten Bürgermeisterin Imke Heymann und der Vorstandsvorsitzende des Ruhrverbands, Prof. Norbert Jardin, dass sich für die Bürgerinnen und Bürger nicht viel ändern werde.

„Der Ruhrverband wird in Ennepetal präsent sein“, betonte Jardin. „Einmal pro Woche werde ein Ansprechpartner für Fragen und sonstige Anliegen, die das Kanalnetz oder Hausanschlüsse betreffen, vor Ort sein. Darüber hinaus sei die telefonische Erreichbarkeit in Notfällen auch nach Dienstschluss sichergestellt (über die Rufnummer 02391/598-0).

Die Stadt behält die Gebührenhoheit, das heißt, dass sie die Gebühren weiter selbst festsetzen wird. Ebenso stellt die Stadtverwaltung nach wie vor die Gebührenbescheide aus und beantwortet Fragen dazu. Und nicht zuletzt verbleibt auch die Aufstellung des Abwasserbeseitigungskonzepts und damit die Planungshoheit für das Kanalnetz bei der Stadt.

Eine durch die Stadt Ennepetal verlegte Bachverrohrung. Künftig wird der Ruhrverband für das Kanalnetz zuständig sein, die Planungshoheit behält aber die Stadt.
Eine durch die Stadt Ennepetal verlegte Bachverrohrung. Künftig wird der Ruhrverband für das Kanalnetz zuständig sein, die Planungshoheit behält aber die Stadt. © WP | Stadt Ennepetal

In Nordrhein-Westfalen kümmert sich, anders als sonst in Deutschland, nicht nur ein Aufgabenträger um das Abwasser. Hier sind die Kommunen für die Sammlung und Fortleitung des Abwassers zuständig und regionale Genossenschaften wie der Ruhrverband für die Klärung und Aufbereitung. Das sei historisch gewachsen, erklärte Norbert Jardin. Allerdings erlaubt das Landeswassergesetz (LWG) seit einer Novellierung 2016 die Übertragung der Aufgaben durch die Kommune. Diese Möglichkeit haben vor Ennepetal bisher fünf Kommunen im Ruhreinzugsbereich (Balve, Eslohe, Hattingen, Schalksmühle und Schmallenberg) genutzt. Vorreiter war die Stadt Meschede im Jahr 2008.

Ein goldfarbener Kanaldeckel symbolisiert die Verbindung von Stadt Ennepetal und Ruhrverband
Ein goldfarbener Kanaldeckel symbolisiert die Verbindung von Stadt Ennepetal und Ruhrverband © WP | Hartmut Breyer

Bei der Kanalnetzübertragung handelt es sich nicht um einen Verkauf. Die Kommune bleibt juristische Eigentümerin des Netzes. Das wirtschaftliche Eigentum geht auf den Ruhrverband über. Dafür zahlt der Verband der Stadt einen Ausgleichsbetrag – Ennepetal erhält rund 103 Millionen Euro. Die Aufwendungen für Betrieb und Unterhaltung des Kanalnetzes (Personalkosten, Materialkosten, Kapitalkosten) werden auf die Stadt umgelegt, die dafür einen jährlichen Beitrag an den Ruhrverband zahlt.

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Den Ausgleichsbetrag verwendet Kämmerer Tim Strathmann zur vollständigen Ablösung aller Kassenkredite in Höhe von mehr als 60 Millionen Euro. Die restlichen etwa 40 Millionen Euro hat die Stadt indirekt erhalten, indem sie investive Darlehen auf den Ruhrverband übertragen hat, somit auch Zinsen und Tilgung nicht mehr leisten muss. Kämmerer Tim Strathmann betont, dass es angesichts inzwischen wieder erheblich gestiegener Zinsen ein Riesenvorteil sei, die Kassenkredite ablösen zu können. Das entlaste den Haushalt jährlich um einen Millionenbetrag. Nach Abschluss der Transaktion verzeichnet die Stadt nun noch einen Gesamtschuldenstand von 62,8 Millionen Euro – ausschließlich in Form von Investitionskrediten.

Die Vertragspartner betonen die Vorteile der Übertragung auch jenseits der Entlastung des städtischen Haushalts. „Dem Ruhrverband bietet sich durch die Übertragung des Kanalnetzes und der Gewässerunterhaltung die Chance, seine wasserwirtschaftlichen Kernaufgaben sinnvoll abzurunden“, erklärt Norbert Jardin.

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Sein Verband verfüge mit seiner mehr als 100-jährigen Unternehmensgeschichte über umfassende Erfahrungen in der Wasserwirtschaft. „Planung, Bau, Finanzierung und Betrieb der Kanalisation, der damit eng verknüpften Niederschlagswasserbehandlungsanlagen, der Kläranlagen und Gewässer aus einer Hand zu erledigen, bietet große Vorteile sowohl aus ökologischer als auch aus ökonomischer Sicht“, meint der Vorstandsvorsitzende.

Als Körperschaft des öffentlichen Rechts dürfe man keine Gewinne erzielen und unterliege den gleichen steuerlichen Rahmenbedingungen wie die Kommunen. „Der Ruhrverband steht für Gebührenstabilität und nachhaltigen Substanzerhalt ebenso wie für eine hohe Qualität und Effizienz“, betont Jardin.

Kanalauswechselung in offener Bauweise in der Milsper Straße im Jahr 2017. Über Investitionen in Instandhaltung und Erneuerung des Kanalnetzes entscheidet prinzipiell weiterhin die Stadt, der Ruhrverband steht dabei beratend zur Seite.
Kanalauswechselung in offener Bauweise in der Milsper Straße im Jahr 2017. Über Investitionen in Instandhaltung und Erneuerung des Kanalnetzes entscheidet prinzipiell weiterhin die Stadt, der Ruhrverband steht dabei beratend zur Seite. © WP | Stadt Ennepetal

Der Betrieb des rund 136 Kilometer langen Kanalnetzes und der 43 Sonderbauwerke (14 Pumpwerke, zwei Regenklärbecken, zwölf Regenrückhaltebecken, sieben Regenüberläufen, acht Versickerungsanlagen) wird in die vorhandenen Betriebsabläufe beim Ruhrverband integriert und vom Regionalbereich Süd in Plettenberg operativ gesteuert. Fast alle städtischen Mitarbeiter, die für das Kanalnetz zuständig waren, wechselten zum Ruhrverband (ein Mitarbeiter bleib dem Betriebshof erhalten). Das siebenköpfige Betriebsteam wird zukünftig von der Kläranlage Gevelsberg aus den Betrieb des Kanalnetzes wahrnehmen.

Ingenieurmäßig wird das Kanalnetz von dort von den von der Stadt zum Ruhrverband gewechselten Dipl.-Ingenieuren Marijo Džinić und Thomas Koch betreut. Betriebsverantwortlich ist Dr. Christian Görlich, stellvertretender Regionalbereichsleiter des Ruhrverbands.

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