Schwelm/Gevelsberg/Ennepetal. Die Preiserhöhungen der AVU brachten die Strom- und Gaskunden an ihre finanziellen Grenzen, aber den Aktionären eine exzellente Dividende.

Während viele Kunden des regionalen Energieversorgers AVU aktuell Abschläge für Strom und Gas zahlen müssen, die ein Vielfaches dessen betragen, was sie vorher überwiesen haben, klingeln im Hauptquartier an der Drehbank in Gevelsberg kräftig die Kassen. Um fast 50 Prozent hat die AVU ihren Reingewinn gesteigert. 11,625 Millionen Euro schüttet die AG über die Dividende an ihre Aktionäre aus.

Die Geschäftsberichte des vergangenen Jahres für den Konzern und die Aktiengesellschaft machen derzeit in den Gremien der Städte, die Anteile an der AVU halten, sowie des Ennepe-Ruhr-Kreises die Runde. Diskutiert werden sie von den Lokalpolitikern nicht, durchaus lassen die Zahlenwerke aber bei den Menschen Erinnerungen an das vergangene Jahr aufflammen. Ab dem Ausbruch des Krieges in Ukraine im Frühjahr jagte eine Hiobsbotschaft die nächste. Die Preise auf den Energiemärkten explodierten, ab dem 1. November 2022 langte die AVU bei ihren Kunden kräftig zu. Die Gaspreise haben sich zu diesem Zeitpunkt verdoppelt, der Strompreis ist um 31 Prozent gestiegen.

Deutlich weniger Gas verbraucht

Auch wenn das nur noch die letzten zwei Monate des abgelaufenen Jahres betraf und vor allem die Privatkunden ihre Verbräuche (Strom - 4,4 Prozent, Gas - 16,8 Prozent) so gut wie eben möglich senkten, und auch die Geschäftskunden ihren Gasverbrauch um 16 Prozent reduzierten, haben sich die Erlöse bereits im vergangenen Jahr erheblich gesteigert. Einen Teil dazu trug auch bei, dass die Geschäftskunden 21,3 Prozent mehr Strom verbrauchten.

„Im Jahresverlauf 2022 mussten die Belastungen aus der stark gestiegenen Energiebeschaffung und neuen beziehungsweise höheren Umlagen im Gas an Privat- und Gewerbekunden weitergegeben werden. Derartige Belastungen können wettbewerbsbedingt nur eingeschränkt an Kunden weitergereicht werden. Die Dezembersoforthilfe wurde zur Begrenzung der negativen Auswirkung steigender Preise von der Bundesregierung beschlossen und durch die AVU umgesetzt. In der Stromsparte minderte die Reduzierung und dann die faktische Abschaffung der EEG-Umlage die Belastung für die Kunden“, führt AVU-Vorstand Uwe Träris dazu im Bericht aus.

Uwe Träris Vorstand der AVU verkündet deutlich steigende Gewinne und gute Prognosen für den regionalen Energieversorger.
Uwe Träris Vorstand der AVU verkündet deutlich steigende Gewinne und gute Prognosen für den regionalen Energieversorger. © AVU | Kistner

Parallel dazu haben sich die Verbindlichkeiten um 30 Millionen Euro verringert, das Finanzanlagevermögen hat sich um knapp 2,5 Millionen Euro erhöht, die Eigenkapitalquote stieg auf 26 Prozent, weitere positive Entwicklungen in fast allen Bereichen weisen die jeweils mehr als 80 Seiten starken Berichte aus. „Der Vorstand ist mit dem 2022 erzielten Gesamtergebnis zufrieden“, bilanziert Träris das vergangene Jahr, in dem das Unternehmen mehrfach auf Nachfrage dieser Redaktion düstere Szenarien gezeichnet hatte.

Mehr zum Thema:

Strom und Gas werden teurer: AVU kündigt Preiserhöhungen an

Enorme Preiserhöhung der AVU – das müssen Kunden jetzt wissen

Pressesprecher Jörg Prostka hatte noch zur Preiserhöhung im November betont: „Die Handelspreise für den langfristigen Einkauf haben sich jedoch während der vergangenen zwölf Monate beim Gas versechsfacht und beim Strom verfünffacht. Hinzu kommen die neuen und erhöhten Umlagen“ Auch sein Blick auf 2023 fiel ausgesprochen verhalten optimistisch aus, was die Preisgestaltung für die Strom- und Gaskunden anbelangt, die in vielen Fällen bereits an ihre Ersparnisse und Altersvorsorgen gehen mussten, um die Energiekosten überhaupt noch decken zu können. „Die AVU und die gesamte Branche gehen davon aus, dass die Preise für Strom und Gas in absehbarer Zeit weiter steigen werden. Wesentlicher Einflussfaktor zurzeit ist, dass die Nachfrage das Angebot deutlich übersteigt. Alles darüber hinaus ist schwer zu prognostizieren.“

Gewinne sollen 2023 gleich bleiben

Den Aktionären gegenüber ist die AVU allerdings nicht so zurückhaltend und geht auch für das Laufende Jahr, in dem die Kunden die extrem erhöhten Preise durchgängig zahlen müssen, von einem Gewinn am Ende des Jahres in zweistelliger Millionenhöhe aus, die sie als Dividende ausschütten kann. „Unter Berücksichtigung der Chancen und Risiken sieht der Vorstand die AVU grundsätzlich für alle zukünftigen Herausforderungen gut aufgestellt. Der Vorstand erwartet ein Ergebnis für 2023 auf Vorjahresniveau“, schließt Uwe Träris seine Analyse und seinen Ausblick für das laufende Jahr. Ob die Kunden mit Blick auf ihre Abschlagszahlungen ebenso positiv über die Gewinnprognose gestimmt sind – daran dürften Zweifel bestehen. Vor allem stellen sie sich die Frage, wie ihre Zahlungen und der Gewinn des Unternehmens denn aussehen würden, wenn die Erhöhungen auf dem Markt komplett an sie weitergegeben worden wären.

+++ Schwelm, Gevelsberg, Ennepetal: Nichts verpassen mit unserem kostenfreien Newsletter +++