Gevelsberg/Schwelm/Ennepetal. Jetzt liegen die konkreten Zahlen auf dem Tisch, wie viel teuer Gas und Strom bei der AVU werden. Das kommt auf die Menschen nun zu.

Die junge Familie im gebrauchten Häuschen, in das sowieso schon jeder Cent fließt; die alleinstehende Rentnerin, die bislang genau mit ihrem Geld hingekommen ist, ohne etwas sparen zu können; die Menschen, die keine Rücklagen haben und bislang schon kaum genug verdient haben, um sich ein Leben zu finanzieren – all diese Leute eint mit dem Blick auf den Winter eine Sache: Existenzangst. Neben der weiter steigenden Inflation sind es vor allem die Energiepreise, die Panik in einem hochkriechen lassen. Die AVU hat nun die Karten für den Ennepe-Ruhr-Kreis auf den Tisch gelegt: Der Strompreis steigt um 31 Prozent, beim Gaspreis müssen Kunden mit mehr als dem Doppelten rechnen. Die neuen Tarife gelten ab dem 1. November.

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Der Aufsichtsrat des heimischen Energieversorgers hat der massiven Preiserhöhung in der vergangenen Woche zugestimmt. Zur Wahrheit gehört auch: War die AVU bei Preisvergleichen sonst immer unter den teuersten Strom- und Gasanbietern, so hat sich das nun gewandelt. Die Konkurrenz hat oftmals noch deutlich mehr draufgeschlagen, so dass der Versorger mit Hauptsitz in Gevelsberg auch nach der Preiserhöhung eher zu den günstigeren Anbietern gehört.

AVU ist wirtschaftlich gesund

Gleichzeitig, das zeigt der Blick in die Geschäftsberichte der AVU AG und des AVU-Konzerns, geht es dem Unternehmen finanziell gut. So weist die AVU für 2021 11,5 Millionen Euro Bilanzgewinn aus, zahlt 0,80 Euro Dividende pro Aktie auf das Grundkapital von 36,8 Millionen Euro. Das Jahresergebnis liegt bei 7,925 Millionen Euro, das Vermögen wird mit 286 Millionen Euro ausgewiesen, das Eigenkapital mit 70 Millionen Euro, der Gewinn nach Steuern des Konzerns stieg von 8,9 auf 9 Millionen Euro. Was wird von dieser guten wirtschaftlichen Basis eingesetzt, um die Belastungen für die Kunden abzufedern?

Das sind die Auswirkungen der Preiserhöhung.
Das sind die Auswirkungen der Preiserhöhung. © funkegrafik nrw | Anna Stais

Pressesprecher Jörg Prostka antwortet: „Vorweg: Die AVU ist wirtschaftlich gesund, um die Krise zu meistern. Es gibt bereits Stadtwerke, die keine Gewinne an ihre kommunalen Anteilseigner ausschütten können und 2021 mit Verlust abgeschlossen haben. Wenn man sich die Zahlen genau anschaut, ist erkennbar: Der Bilanzgewinn ist höher als das Jahresergebnis, war also nur möglich mit der Entnahme aus den Rücklagen.“ Die Dividende an die Aktionäre (50 Prozent kommunal; 50 Prozent Eon) sei bereits viermal von 1 Euro je Aktie auf 0,80 Euro gesenkt worden, was gerade für die kommunalen Haushalte Mindereinnahmen bedeute. Letztlich entscheiden die Aktionäre über die Höhe der Dividende.

Zur Weitergabe an die Kunden teilt Prostka mit: „Wir haben teilweise mit Verzögerungen Erhöhungen von Abgaben und Umlagen auf die Preise berechnet wie bei der CO2-Abgabe. Auch die neu eingeführten Umlagen geben wir für Grundversorgungs-Kunden erst mit einem Monat Verzögerung weiter.“

Das droht bei Nicht-Zahlung

Doch warum erhöht das Unternehmen überhaupt? Schließlich hatte es erst im März mitgeteilt, dass Kaufverträge für Strom und Gas sogar schon bis zum Jahr 2025 geschlossen seien. „Wir haben schon Mengen bei Strom und Gas bis 2025 eingekauft, aber nicht die Gesamtmengen. Die fehlenden Tranchen haben wir seitdem bei steigenden Preisen nachgekauft“, teilt der Unternehmenssprecher auf Nachfrage der Redaktion mit. Bisher sei es gelungen, die seit Anfang des Jahres 2021 stetig steigenden Preise abzufangen. „Die Handelspreise für den langfristigen Einkauf haben sich jedoch während der vergangenen zwölf Monate beim Gas versechsfacht und beim Strom verfünffacht. Hinzu kommen die neuen und erhöhten Umlagen“, nennt Jörg Prostka die Gründe für die Preiserhöhung.

Und das wird wohl nicht das Ende der Fahnenstange sein: „Die AVU und die gesamte Branche gehen davon aus, dass die Preise für Strom und Gas in absehbarer Zeit weiter steigen werden. Wesentlicher Einflussfaktor zurzeit ist, dass die Nachfrage das Angebot deutlich übersteigt. Alles darüber hinaus ist schwer zu prognostizieren“, teilt das Unternehmen mit.

Wie viele Hartz-IV- und Sozialleistungsempfänger ihre Heizkosten vom Amt bei der AVU bezahlt beziehungsweise bezuschusst bekommen, kann das Unternehmen nicht auflisten. Mutmaßlich wird diese Zahl aber ansteigen. Und was droht denjenigen, die nicht vom Sozialsystem gestützt werden, ihre Rechnungen aber nicht mehr begleichen können? Antwort der AVU: „Es gilt das gleiche mehrstufige Mahnverfahren einschließlich der gesetzlich vorgeschriebenen Pflicht, Ratenpläne zu vereinbaren („Abwendungsvereinbarung“). Uns ist bewusst, dass es für etliche Kunden schwer werden wird, die Kosten zu stemmen. Deshalb appelliert die AVU gemeinsam mit Branchen-Verbänden an die Politik: Notwendig sind weitere staatliche Entlastungs-Maßnahmen für einkommensschwache Haushalte.“ Kommen diese Maßnahmen aber nicht, und sind die Konten der säumigen Zahler leer, würden – Stand jetzt – Strom und Gas abgedreht, womit sich der Kreis zu den oben aufgeführten Existenzängsten schließt.

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