Ennepetal. Sie rasen durch Wälder und über Felder: Drei unbekannte Motocrosser sorgen für Ärger bei Jägern und Landwirten in Ennepetal.

Sie kommen lautlos am helllichten Tag. Plötzlich brechen sie aus Dickungen im Wald, rasen über die Forstwege oder brettern über frisch eingesäte Felder – die Rede ist von drei Motocross-Fahrern, die seit einiger Zeit in verschiedenen Jagdrevieren und auf landwirtschaftlichen Flächen in Ennepetal ihr Unwesen treiben. Das Besondere daran: Das Trio ist auf extrem leisen E-Motorrädern unterwegs. Weil es Wildtiere verschreckt, deren Nachwuchs gefährdet und Ernteausfälle verursacht, ist der Ärger bei Jägern und Bauern groß.

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„Uns geht das langsam auf die Nerven. Es muss etwas passieren.“ Das sagt Oliver Kube. Er ist amtlich bestätigter Jagdaufseher im Revier Mühlinghausen, das von Homberge über das Heilenbecker Tal bis Oelkinghausen reicht. Mehrmals war er bereits ganz dicht dran an den Krad-Rowdys. So sei er vor einigen Wochen auf einem kleinen, nur besonders Ortskundigen bekannten Trampelpfad oberhalb der Heilenbecke unterwegs gewesen, als plötzlich zwei E-Motocrosser aus den Büschen geschossen gekommen seien. „Die haben mich fast über den Haufen gefahren“, so Kube.

Jagdaufseher Oliver Kube fotografierte diese beiden Fahrer im Bereich Scharpenberger Straße.
Jagdaufseher Oliver Kube fotografierte diese beiden Fahrer im Bereich Scharpenberger Straße. © WP | Oliver Kube / privat

Inzwischen seien sie zu dritt unterwegs. Ein anderes Mal seien ihm vier Stück Rehwild über den Weg gelaufen. Er habe sich gewundert, den Hang nahe der Firma Huckenbeck hinuntergeschaut und gesehen, wie sie dort über die Wiese und den Trampelpfad gerast seien. „Die sind mit 50 Sachen durch den Busch gefahren“, so Oliver Kube. Er habe dann etwa 25 Meter vor den Zweiradfahrern gestanden, sie ruhig angesprochen, dass er mal mit ihnen reden wolle. „Da haben sie Gas gegeben und sind davon gefahren.“

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Oliver Kube erklärt, welchen Schäden die Querfeldeinfahrer potenziell anrichten: „Wir haben Brut- und Setzzeit. Das heißt, dass überall in den Dickungen die Tiere des Waldes ihren Nachwuchs groß ziehen und daher vor allem Ruhe brauchen. Ebenso brauchen junge Bäume Schutz. „Dickungsbereiche sind da, wo sich die Äste berühren“, bringt Oliver Kube es auf eine einfache Formel. Und in diesen Bereichen gilt eben in dieser Zeit absolutes Betretungsverbot.

Der Jagdaufseher erklärt, dass der Wald durch die hohen Temperaturen der letzten Jahre und die dadurch begünstigte Borkenkäferproblematik extrem gelitten habe. Es gebe nur noch wenige Plätze mit dichtem Bewuchs, die das Wild aufsuchen könne, um zu ruhen.

Auch Landwirtin Anja Kramer, die mit ihrem Mann Michael einen Betrieb im Heilenbecker Tal führt, hat schon Erfahrungen mit den E-Motocrossfahrern gesammelt. „Ich habe sie noch nicht persönlich gesehen. Aber sie sind auch schon über unsere Flächen gefahren“, sagt sie. Es gebe eindeutige Fahrspuren auf Wiesenflächen, die Reifenprofile seien immer die gleichen.

„Sie fahren über den Aufwuchs, die Äcker, auf denen Getreide eingesät ist. Der Raps steht, der Mais kommt jetzt in die Erde. Wenn sie darüber fahren, richten sie Schaden an“, so Kramer, die betont, dass es für landwirtschaftliche Flächen kein Betretungsrecht gebe. Sie glaubt, dass es sich bei dem Trio um Leute handelt, die ihren Spaß haben wollen und denen nicht klar sei, was sie anrichten. „Die wissen aber schon, dass sie etwas Verbotenes tun, sonst würden sie ja nicht immer abhauen.“

Die E-Motocrosser hinterlassen recht markante Reifenspuren, wie hier auf einem Feldweg.
Die E-Motocrosser hinterlassen recht markante Reifenspuren, wie hier auf einem Feldweg. © WP | Roland Stubenrauch

Diese Ansicht teilt Oliver Kube. Als die Querfeldeinfahrer einmal an der Kahlenbecker Straße, oberhalb der Fischteiche, aus dem Wald gekommen seien, habe er sie fotografiert. Unter anderem habe er eine Typenbezeichnung an einem der E-Motorräder erkannt und einmal danach gegoogelt. Es handele sich um Zweiräder der deutschen Firma Sur-Ron, die bis zu 45 km/h fahren dürften, so Kube. „Die kosten 5000 bis 6000 Euro und sind eher nicht die klassischen Einsteigermaschinen für Jugendliche.“

Er glaube auch deshalb, dass die drei schon älter sind. Groteskerweise wirbt der Hersteller übrigens damit, dass man „elektrisch betriebene High-Performance-Zweiräder mit der Mission, ökologische Fortbewegung alltagstauglich zu machen“ entwickle und „Fahrspaß gepaart mit ökologischer Fortbewegung“ garantiere, „egal ob auf urbanen Straßen oder im Offroad-Gelände“. Rücksichtslos, aber abgasfrei durch Wald und Feld zu brettern, dürfte damit wohl kaum gemeint sein sein.

Dirk Dummann, Zweiter Vorsitzender des Hegerings Ennepetal und Pächter des Jagdreviers Mühlinghausen, berichtet, dass die E-Motocrossfahrer auch in anderen Jagdrevieren zwischen Rüggeberg und Hillringhausen für Aufruhr gesorgt hätten und sogar Wild hetzen würden. „Sie haben wohl schon einmal eine Muffloherde auseinander getrieben“, erzählt er.

Oliver Kube ergänzt, dass das Thema Ende April bei der Jahreshauptversammlung des Hegerings angesprochen worden sei. Man habe eine Gruppe aufgemacht, in die man betroffene Revierinhaber aufgenommen habe. „Die Resonanz war da“, so Kube. Man überlege nun, Anzeige zu erstatten. Zumindest Teile der Versicherungskennzeichen habe man.

Ein Kavaliersdelikt ist das Ganze nicht. Selbst auf Waldwegen ist das Fahren mit motorisierten Fahrzeugen nur zu forst- oder landwirtschaftlichen Zwecken erlaubt, zu Motorsportzwecken oder zum Abkürzen dagegen ausdrücklich nicht gestattet. Für verbotswidriges Fahren im Wald kann ein Bußgeld ab 25 Euro aufwärts verhängt werden – bei zusätzlichen Verstößen gegen die Gesetze zum Schutz der Natur und Umwelt sogar bis zu 25.000 Euro.