Schwelm/Gevelsberg/Ennepetal. Wohnen in Schwelm, Gevelsberg und Ennepetal wird immer schwieriger. 65 Quadratmeter im Neubau kosten mehr als 1000 Euro pro Monat.

Wer kann das noch bezahlen? Egal ob Mieter, Vermieter, Bauherren, diejenigen, die auf auf der Suche nach Eigentum oder einer neuen Mietwohnung sind – diese Frage treibt derzeit alle um, die sich in irgendeiner Form auf dem Immobilien-Markt in Schwelm, Gevelsberg und Ennepetal bewegen. „Der Druck auf den Mietmarkt wird weiter steigen“, sind sich Dr. Madeleine Arens (39) und ihr Vater Heinz Arens (73) einig.

Die Familie besitzt seit Jahrzehnten viele hundert Wohnungen im gesamten Ennepe-Ruhr-Kreis und darüber hinaus. Heinz Arens ist den Menschen im Ennepe-Ruhr-Kreis noch als Mr. LBS in Erinnerung. Von Schwelm heraus verhalf er tausenden Menschen zu den eigenen vier Wänden und katapultierte die Schwelmer LBS deutschlandweit an die Spitze, bevor er sich gemeinsam mit seiner Frau Rita schließlich nur noch auf die Verwaltung der eigenen Wohnungen konzentrierte. Im Jahr 2018 übergab er die Verantwortung an seine Tochter Dr. Madeleine Arens, Rechtsanwältin mit Schwerpunkt im Immobilienrecht und Diplom-Immobilienökonomin, die zudem im Gutachterausschuss des Ennepe-Ruhr-Kreises sitzt.

Trennungen und Flüchtlinge üben Druck auf den Markt aus

Auch wenn Heinz und Rita Arens seit einigen Jahren in Freiburg wohnen und Tochter Madeleine in Frankfurt, so haben sie dennoch weiterhin einen tiefen Einblick in den heimischen Immobilienmarkt des EN-Kreises, sind regelmäßig persönlich bei ihren Mietern vor Ort und blicken mit einer gewissen Sorge auf die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt. „Derzeit prallt eine sehr hohe und weiter steigende Nachfrage auf viel zu wenig Mietangebot“, sagen die beiden unisono.

Lesen Sie auch:

Die Faktoren sind aus ihrer Sicht dafür mannigfaltig und hängen auch mit verpassten Chancen der Kommunen zusammen. Ein ganz wesentlicher Faktor, der sich seit vielen Jahren abzeichnet: Immer mehr Menschen leben allein. „Wir haben in Ennepetal fünf Häuser mit 46 Wohnungen. Vor 30 Jahren lebten dort 147 Menschen, heute sind es 59 – und darunter nur noch zwei Kinder“, macht Heinz Arens deutlich, wie sehr Singles den Mietmarkt beherrschen. Madeleine Arens ergänzt: „Die Situation hat sich durch die Pandemie und die vielen Corona-Trennungen noch einmal verschärft. Noch mehr Haushalte werden in allen Preiskategorien benötigt.“ Eine statistische Zahl verdeutlicht das Platzproblem: Der Wohnflächenbedarf im Ennepe-Ruhr-Kreis ist mittlerweile auf 47,7 Quadratmeter pro Person gestiegen.

Die Eheleute Rita und Heinz Arens, fotografiert vor einem ihrer Objekte in Gelsenkirchen, vermieten hochwertig ausgestattete Wohnungen. Mittlerweile haben sie mit der gleichen Philosophie das Geschäft an ihre Tochter Madeleine übergeben.
Die Eheleute Rita und Heinz Arens, fotografiert vor einem ihrer Objekte in Gelsenkirchen, vermieten hochwertig ausgestattete Wohnungen. Mittlerweile haben sie mit der gleichen Philosophie das Geschäft an ihre Tochter Madeleine übergeben. © FUNKE Foto Services | Thomas Goedde

Nächste Schwierigkeit – vor allem mit Blick auf bezahlbaren Wohnraum beispielsweise für Alleinerziehende, die nicht in Vollzeit arbeiten können – ist die extreme Flüchtlingswelle aus der Ukraine aber seit einigen Monaten auch wieder mit erheblich steigenden Zahlen aus Syrien, Irak, Iran, Afghanistan. „Die Städte selbst mieten alle Wohnungen, die sie irgendwie bekommen können, vor allem in den niedrigeren Preissegmenten“, sagt Heinz Arens. Folge: Die Kommunen selbst werden in Schwelm, Gevelsberg, Ennepetal auf dem Mietmarkt zu Konkurrenten ihrer Bürger und derjenigen, die neu in die Städte des südlichen Ennepe-Ruhr-Kreises ziehen wollen. Sie treiben so zusätzlich die Preise in die Höhe. „Der Druck auf das Segment des sozial geförderten Wohnungsbaus ist dabei besonders hoch. Schwelm, Gevelsberg und Ennepetal und in erster Linie die ansässigen Genossenschaften haben während der vergangenen Jahre mit niedrigen Zinsen und moderaten Baukosten die Chance liegen gelassen, für ausreichend viele Mietwohnungen zu sorgen“, sagt Madeleine Arens.

Preise für Neubauten explodieren

Und die Lage wird sich – da bestehen bei Vater und Tochter keine zwei Meinungen – in den kommenden Monaten und Jahren verschärfen, was ebenfalls mehrere Gründe haben wird. Einerseits prognostizieren alle Experten bei der aktuellen Inflation, dass eine zunehmende Zahl an Familien ihre Eigenheime nicht mehr abbezahlen und unterhalten kann, was bedeutet, dass noch mehr Menschen auf den heimischen Mietmarkt drängen.

Und: „Bedingt durch hohe Handwerker- und Materialkosten, Fachkräftemangel, Lieferkettenprobleme und fehlendes Bauland – ein weiteres Versäumnis der Städte – gehen Investitionen im Wohnungsbausektor weiter zurück“, sagt Heinz Arens und macht eine erschreckende Rechnung auf. Unter Berücksichtigung der stark gestiegenen Zinsen, müsste ein frei finanzierter Neubau in Schwelm, Gevelsberg oder Ennepetal eine Kaltmiete von mehr als zwölf Euro erzielen. „Hier sprechen wir über unterste Standards und keinen Luxus“, sagt Arens und rechnet weiter. „Aktuell müssten an Nebenkosten noch etwa 3,50 Euro pro Quadratmeter hinzugezogen werden.“ Heißt: 65 Quadratmeter würden warm in einem Neubau mit niedrigem Standard bereits mehr als 1000 Euro Warmmiete kosten.

Ein Bad in einer Wohnung der Familie Arens. Einen solchen Standard erwarten Mieter heutzutage. Wer nicht saniert – so die Prognose – wird auf absehbare Zeit keine Mieter mehr finden.
Ein Bad in einer Wohnung der Familie Arens. Einen solchen Standard erwarten Mieter heutzutage. Wer nicht saniert – so die Prognose – wird auf absehbare Zeit keine Mieter mehr finden. © FUNKE Foto Services | Thomas Goedde

Weil die Nachfrage das Angebot immer weiter übersteigen wird, ist im Ennepe-Ruhr-Kreis, wo aktuell die durchschnittliche Kaltmiete ungefähr sieben Euro pro Quadratmeter beträgt, mit deutlichen Mietsteigerungen zu rechnen. „Aber“, so prognostiziert Madeleine Arens ganz deutlich, „all dies gilt nur für durchsanierte Immobilien, die auf energetisch auf der Höhe der Zeit sind. Wer im Energieausweis ein E oder F stehen hat, wird auch bei Wohnungsknappheit bald kaum noch Mieter finden.“ Familie Arens selbst steht vor der Herausforderung, diese Aufgabe zu meistern, ohne Mietpreise zu erzeugen, die nicht mehr bezahlbar sind. Bereits während der vergangenen 20 Jahre haben sie viele ihrer Gebäude gedämmt, stellen nun sukzessive die Heizungsanlagen um.

Der Nebenkostenhammer kommt erst noch

Denn, so macht Madeleine Arens als Mitglied des Gutachterausschusses deutlich: „Wir haben im Ennepe-Ruhr-Kreis weiterhin einen Mietermarkt. Wer vermieten will, muss investieren.“ Heißt aber im Umkehrschluss: Die kostenintensiven energetischen Maßnahmen werden zu weiter steigenden Kaltmieten führen. Zudem werden die Warmmieten mit den gestiegenen Energiekosten ebenfalls explodieren. „Für viele Mieter wird das jedoch erst mit der Betriebskostenabrechnung 2023, die sie im Jahr 2024 zugestellt bekommen, spürbar werden“, sagt Heinz Arens und betont: „Die Menschen sollten Wohngeld beantragen, wo es für sie eben möglich ist.“

Vater und Tochter sind sich im Angesicht der sich zuspitzenden Situation einig: „Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Renditen werden eher in Richtung zwei Prozent fallen. Als erstes müssen die Kommunen neues Bauland bereit stellen. Denn unabhängig von allem anderen, müssen die Rahmenbedingungen stimmen, um nachhaltig positiv auf den Wohnungsmarkt einzuwirken.“ Und bis das gelöst ist, schwebt weiterhin die Frage üben dem Immobilien- und Mietmarkt: Wer kann sich das noch leisten?

+++ Schwelm, Gevelsberg, Ennepetal: Nichts mehr verpassen mit unserem kostenfreien Newsletter +++