Ennepetal. Ennepetaler Ehepaar organisiert riesige Spendenaktion für die Erdbeben-Opfer aus der Türkei. Hier gibt es alle Infos.

Die Menschen, die das verheerende Erdbeben überlebt haben, haben alles verloren. Familienmitglieder, das Zuhause, die Lebensgrundlage. „Viele Überlebende haben noch nicht einmal Schuhe an“, sagt Aysun Tarhan. Kein Geld, keine Papiere, keine Jacke – nur das Leben. Zum Glück das Leben. 21.000 Tote hat das Erdbeben in der Nacht zu Montag in der Türkei und Syrien gefordert. Bisher. Die Trümmerberge sind gigantisch. „Und es fehlt dort an so viel“, sagt die Ennepetalerin. Noch am Montag initiierte sie eine Spendenaktion, im Wohnzimmer. Am nächsten Tag eine zweite. An diesem Samstag, 11. Februar, soll es noch viel mehr zusammen kommen. Gesammelt wird von 16 bis 21 Uhr auf dem Parkplatz von ATU, Kölner Straße 300, in Ennepetal.

Die Bilder im Fernsehen kann sich Aysun Tarhan nicht ansehen. Sie weiß, das Leid ist noch viel schlimmer. Das hat sie in den vielen Anrufen mit Familienmitgliedern, Freunden und Bekannten erfahren. „Das muss man sich einmal vorstellen“, sagt sie: „Es gibt Menschen, die haben Vater, Mutter, Kinder, Verwandte verloren. Sie stehen von einer auf die andere Sekunde ganz alleine dar.“

Samstag, 11. Februar, von 16 bis 21 Uhr

Sie und ihr Ehemann Emrah sind in Schwelm geboren und im Ennepe-Ruhr-Kreis aufgewachsen. „Unsere Großeltern kamen als Gastarbeiter hier her. Wir sind die dritte Generation, unsere Kinder bereits die vierte. Wir möchten einfach von unserem Zuhause hier im Kreis, unserer Heimat in der Türkei helfen“, sagt Aysun Tarhan. Sie berichtet von einer Freundin, die vor Ort hilft, Opfer zu bergen. Diese habe am Telefon von Müttern erzählt, die plötzlich keinen Milcheinschuss mehr haben, weil sie so traumatisiert sind, und von Babys, die keine Eltern mehr haben. „Wie kann ich da nicht anfangen, zu sammeln?“, fragt Aysun Tarhan.

Am Dienstag wurde bereits der zweite Hilfstransport für die Erdbebenopfer in der Türkei gepackt.
Am Dienstag wurde bereits der zweite Hilfstransport für die Erdbebenopfer in der Türkei gepackt. © WP | Privat

Noch am Montag legten sie los, packten im Wohnzimmer Kartons, kontaktierten Freunde. Innerhalb von 90 Minuten hatten sie zwei Sprinter voll, die sie aber auch erst einmal besorgen mussten. „Das hat aber alles irgendwie geklappt, alle haben mitgeholfen.“ Damit ging es nach Solingen. Von dort startete ein Transport im Auftrag des türkischen Konsulats. Dienstagabend konnten die Aysuns Dank der Unterstützung vieler Menschen einen Lkw füllen. „Uns hat ein Gevelsberger Junge geholfen, Kahan Selçuk. Er hat eine Spedition. Keinen Cent will er haben. Der Bedarf zu helfen, alleine in unserem Umfeld, ist enorm“, sagt sie.

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Deshalb gibt es nun am Samstag die nächste große Aktion. Diesmal nicht im Wohnzimmer, sondern auf dem ATU-Parkplatz in Ennepetal. „Mein Ehemann und ich gehören keiner Vereinigung, keiner Organisation oder Sonstigem an. Wir handeln als Privatpersonen mit der Unterstützung unserer Community, Familie und Freunde“, macht Aysun Tarhan deutlich. Die Spenden werden von dem Gevelsberger Transportunternehmen dann zum Flughafen gebracht. „Die Luftfracht übergibt unsere Spenden dann an den türkischen Katastrophenschutz.“

Babynahrung und Lebensmittel

Die Aktionen waren spontan, trotz Vollzeitjob, zweier Kinder und einer Baustelle zu Hause. Das Ehepaar freut sich, dass es etwas tun konnte. „Am liebsten wären wir sofort hingeflogen, aber die meiste Hilfe ist es, zu spenden. Weil es an so vielem fehle. Da aber nicht alles in das Flugzeug passt und nur bestimmte Dinge in der Fracht aufgenommen werden dürfen, wird um ganz gezielte Spenden gebeten: Damenhygieneartikel, Windeln, Babyhygieneartikel, Folgemilch, Babynahrung, Einwegrasierer, Einwegbesteck und Einweggeschirr, haltbare Lebensmittel, Leichentücher.

Die Ennepetaler Aysun und Emrah Tarhan sammeln für die Erdbebenopfer in der Türkei. Sie leben mit ihren beiden Kindern in Ennepetal.
Die Ennepetaler Aysun und Emrah Tarhan sammeln für die Erdbebenopfer in der Türkei. Sie leben mit ihren beiden Kindern in Ennepetal. © WP | Privat

Die Spenden sollen entweder verpackt und beschriftet sein oder lose mitgebracht werden, Kleidung und Flüssigkeiten werden nicht angenommen. Ganz wichtig sei, die Spenden sortenrein zu verpacken, denn die Kartons werden in Kategorien eingeteilt und palettenweise transportiert, beispielsweise eine Palette Windeln, eine Palette Lebensmittel etc.. Und noch eine Bitte: „Aufgrund der extremen Wetterlage werden die Kartons nass und die Inhalte unbrauchbar. Bitte packt die Sachen zuerst in Müllbeutel oder Plastiktüten und anschließend in Kartons.“

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Auch wenn es ihre letzte Spendenaktion ist, sind sie sicher, dass die Hilfe weiter geht. „Wir schaffen das nicht mehr, aber es ist mittlerweile so viel angelaufen, das ist toll“, sagt Aysun Tarhan. „Es geht nicht um die Religion, um ein Land, sondern einzig um Menschen, die alles verloren haben und Unfassbares erleben mussten.“ Auch wenn die Tarhans nicht so einen engen Bezug in die Katastrophengebiete gehabt hätten, hätten sie geholfen. „Man muss helfen, es geht nicht anders.“

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