Gevelsberg. Der Buchhändler Rudolf Appelt war der Mann, der den Gevelsbergern das Buch näher brachte. Jetzt ist er im Alter von 96 Jahren gestorben.

Bücher waren sein Leben. Bis zu seinem letzten Tag. Rudolf Appelt wird vielen Menschen fehlen, weil er einen Teil auch ihres Lebens begleitete. Die Begeisterung, die er vorlebte, weitergab, das Interesse für Geschichten weckte, für Worte und das Papier, auf dem diese aufgeschrieben sind. Der Buchhändler starb am Mittwoch, 1. Februar, im Alter von 96 Jahren. Aber er wird bleiben, in all den vielen Geschichten, die die Gevelsbergerinnen und Gevelsberger über ihn erzählen.

Er war zwar ein Mann der leisen Töne, doch hatte immer etwas zu sagen. Freundlich, besonnen. Wie viele Bücher er in seinem Leben gelesen hat? „Nicht genug“, sagte er und lachte, so ansteckend, dass man mitlachen musste. „Wegen Rudolf Appelt habe ich angefangen zu lesen“, sagen viele. Weil er wie kein anderer wusste, welches Buch das Richtige für einen war, den Funken für Literatur entfachen konnte. Für ihn stand fest: Es gibt für jeden das richtige Buch, manchmal muss man denjenigen nur etwas in die richtige Richtung schubsen. Er selbst wusste schon früh, was für ihn das Beste ist. „Ich bin mit Leidenschaft Buchhändler“, sagte er auch noch, als er seinen 95. Geburtstag gefeiert hatte.

1981 Buchhandlung eröffnet

Rudolf Appelt ist in Reichenberg (Tschechien) geboren, wurde mit 17 zur Wehrmacht eingezogen. „Ich bin als junger Mann in den Zweiten Weltkrieg hineingeraten und nur mit Glück wieder herausgekommen“, sagte er. Es folgte die Kriegsgefangenschaft, der Neuanfang nach der Vertreibung aus seiner Heimat. In Michelstadt machte er seine Ausbildung zum Buchhändler. Danach ging er nach Dortmund und Wetzlar, immer seinem Traumjob hinterher. „Die schönste Zeit meines Lebens begann, als ich 1956 nach Gevelsberg zog“, sagte er im Gespräch mit dieser Zeitung.

Er heuerte bei Bücher Strathmann an, lernte seine spätere Frau Doris kennen, gründete eine Familie und eröffnete die eigene Buchhandlung. Das war am 2. Januar 1981. „Man hatte mir eine schnelle Pleite prophezeit.“ Doch die Kunden folgten ihm. Stratmann ist schon lange Vergangenheit. Der Name Appelt steht noch immer in großen Lettern über dem Geschäft, um das sich Susanne Schumacher mittlerweile kümmert.

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Als Rudolf Appelt in den Ruhestand ging, hielt er es nicht lange aus. Ihm fehlten die Begegnungen mit den Menschen, die Gespräche und vor allem vermisste er es, Buchhändler zu sein. Die Klassiker hatten es ihm besonders angetan, die Bücher, die viel zu schnell in Vergessenheit geraten. Also eröffnete er zusammen mit Uwe Sticht ein Antiquariat, schräg gegenüber seiner alten Buchhandlung. Hier fanden alle Bücher Platz, nicht nur die gefragten. Die Stapel reichten bis zur Decke, den Weg zur Theke, wo er oft stand, fast immer mit einem Buch in der Hand, musste man sich in all dem Gewimmel suchen.

Mit 95 Jahren noch im Geschäft

Er war ein Buchhändler wie er im Buche steht. Die Literatur lag ihm ebenso am Herzen, wie der Mensch, der vor ihm stand. Er habe der älteren Dame genau so gerne ihre christliche Schrift für 1,50 D-Mark verkauft wie dem Landrat seinen Roman, sagte er im Gespräch mit dieser Zeitung. Die Menschen kamen nicht nur zu ihm, weil er fast jedes Buch kannte. „Mein Opa war für mich eine Inspiration und ein Vorbild“, sagt seine Enkelin Hanna Appelt. Mit welcher Kraft und welcher Begeisterung er seinen Beruf ausübte, habe sie sehr beeindruckt. Was viele nicht über ihn wussten: Er war ein begeisterter Pilzsammler und konnte richtig gut kochen.

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Das Leben hat es gut mit ihm gemeint. „Ich brauche auch mit fast 100 noch immer keine Brille“, sagte er einmal und fügte an, „und fit fühle ich mich noch“. Er ging jeden Tag zu Fuß ins Geschäft, bis seine Gesundheit ihn vor einigen Monaten ausbremste. „Ich bin gestürzt, war im Krankenhaus und habe nicht mehr zurück gefunden“, sagte er im Dezember am Telefon, wenige Tage vor seinem 96. Geburtstag. Uwe Sticht machte erst einmal alleine weiter. Ein Zettel mit einem Foto von Rudolf Appelt stand nun auf der Verkaufstheke: „Ich bedanke mich von Herzen bei Ihnen für die tolle Zusammenarbeit in der ganzen Zeit.“

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„Er war der Inbegriff von Anstand, Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit“, sagt sein langjähriger Weggefährte Uwe Sticht. Zusammen kümmerten sie sich etwa 25 Jahre lang um das Antiquariat. In wenigen Wochen wird es schließen. Für immer. Lange hat Uwe Sticht einen Nachfolger gesucht, aber niemanden gefunden. Hanna Appelt erzählt, wie stolz ihr Opa auf das Geschäft gewesen sei, wie es ihn glücklich gemacht habe, wenn die Menschen von weit her kamen, um ein Buch zu kaufen und wenn sie diesen Ort so schätzten wie er selbst.

Beerdigung am 8. Februar ab 11 Uhr

Das letzte Kapitel seines geliebten Antiquariats muss Rudolf Appelt nicht mehr miterleben. Seine Frau Doris ist schon voraus gegangen, das war vor mehr als einem Jahr. Rudolf Appelt machte weiter, so lange er konnte. Er hinterlässt seinen Sohn Christian und die beiden Enkelinnen Hanna und Marielle Appelt.

Die Beisetzung findet am Mittwoch, 8. Februar, ab 11 in der Erlöserkirche in Gevelsberg. Die Trauerfeier im Anschluss ist im engsten Familienkreis, „aber zur Beerdigung ist jeder willkommen, für den mein Opa wichtig war“, sagt Hanna Appelt.

Er habe immer gesagt: „Ich habe es nie bereut Buchhändler zu sein.“ Und er hat es auch so gemeint. Bis zu seinem letzten Tag.

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