Gevelsberg. Gevelsberger Jörg Breddermann organisiert im Gospel-Treff Hilfsaktion für die Ukraine. Er sagt: „Situation ist so schlimm wie nie zuvor.“

Am Anfang sind sie alle da gewesen. Die Zelte der vielen Hilfsorganisationen reihten sich an der Grenze aneinander. „Doch es ist schon lange niemand mehr zu sehen, die Zelte sind alle abgebaut. Dabei ist die Situation für die Menschen in der Ukraine so schlimm wie nie zuvor“, sagt Jörg Breddermann. Jeden Monat fährt der Gevelsberger mit tonnenweise Lebensmitteln an diesen verwaisten Orten vorbei, sieht die zerbombten Häuser, den Rauch, und fährt zu den Menschen, die am meisten unter diesem Angriffskrieg leiden. Doch auch er benötigt Unterstützung und lädt zusammen mit seiner christlichen Gemeinde am Samstag, 4. Februar, zu einer großangelegten Hilfsaktion in den Gospel-Treff am Großen Markt ein. „Mit Ihrer Hilfe durch den Winter“ lautet das Motto.

Die Infrastruktur in der Ukraine wird immer mehr zerstört. Viele bleiben in ihren zerbombten Häusern.
Die Infrastruktur in der Ukraine wird immer mehr zerstört. Viele bleiben in ihren zerbombten Häusern. © WP | Jörg Breddermann

Der Winter in der Ukraine ist kalt, und je näher es Richtung Osten geht, desto kälter wird es. Minus 20 Grad hat der Gevelsberger Jörg Breddermann nicht selten dort erlebt. Als er sich Ende Dezember die etwa 2000 Kilometer zurück nach Gevelsberg aufmachte, zeigte das Thermometer minus 14 Grad. Heizungen sind aus, viele Häuser sind ohne Fenster, die Druckwellen der Bomben haben sie zersplittern lassen. Räume sind ausgebrannt und dennoch bewohnt.

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Die Menschen hungern, weil es kaum etwas zu essen gibt, und sie frieren, weil die Infrastruktur zerstört wird. „Die Menschen haben nur acht Stunden Strom am Tag, aber sie wissen nie wann“, sagt Jörg Breddermann. Warme Kleidung hat er schon zusammen bekommen. Die Spendenbereitschaft an materiellen Dingen sei groß. Und auch am Geld sei es bislang nicht gescheitert. Doch die Situation wird schwieriger.

Kosten steigen massiv

Vor einem Jahr hat Jörg Breddermann schon einmal die Gevelsberger um Hilfe gebeten und sie in den Gospel-Treff eingeladen, um Pakete mit Lebensmitteln zu packen. „Das, was wir an diesem Tag erlebt haben, war überwältigend“, sagt er. Die vielen Menschen, die mit anpackten, Solidarität zeigten und spendeten. Sogar aus es den USA sei Geld eingegangen. „Keine Ahnung, wie derjenige davon erfahren hat, aber es tut gut so viel Unterstützung zu haben.“ Das Spendengeld habe bis jetzt gereicht. Seit Kriegsbeginn war der Gevelsberger jeden Monat in der Ukraine mit seinem mit Hilfsgütern vollgepackten Lkw. Jörg Breddermann und seine Mitstreiter hoffen, dass es auch in den kommenden Monaten dank der Unterstützung der Gevelsbergerinnen und Gevelsberger so weiter gehen kann.

Jörg Breddermann lädt die Gevelsbergerinnen und Gevelsberger am 4. Februar in den Gospel-Treff ein. Dort werden 3000 Kartons mit Lebensmitteln für einen Hilfstransport in die Ukraine gepackt.
Jörg Breddermann lädt die Gevelsbergerinnen und Gevelsberger am 4. Februar in den Gospel-Treff ein. Dort werden 3000 Kartons mit Lebensmitteln für einen Hilfstransport in die Ukraine gepackt. © WP | Carmen Thomaschewski

„Es fehlt an allem“, sagt er und berichtet von einer christlichen Gemeinde in dem mittlerweile russisch besetzten Mariupol. Sie hätten es geschafft, im Kontakt zu bleiben. Die Lage dort ist dramatisch. Die Ukrainer, die dort geblieben sind, kämpfen ums Überleben. „Sie essen nur vier Mal in der Woche, teilen sich alles, was sie haben“, sagt Jörg Breddermann. Er berichtet davon, dass gespendetes Geld über Umwege dort hin transferiert wird, immer so viel, dass es nicht auffällt. Seit die Russen die Oberhand haben, kann nur noch in Rubel bezahlt werden. Das Hilfsnetzwerk vor Ort ist groß und nicht an Konfessionen gebunden. „Wir haben mittlerweile ein Lager im Südosten der Ukraine, im Dreiländereck Ukraine, Moldawien, Rumänien. Von dort aus wird alles verteilt. „Wir arbeiten nur mit Menschen zusammen, die wir lange kennen, denen wir vertrauen“, sagt Breddermann und weiß genau, wo wie viel ankommt. „Hier stellt sich nicht die Frage, ob die Hilfe benötigt wird, sie ist überlebenswichtig.“

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Als nächstes will der Gevelsberger vor allem mit Lebensmitteln das Lager in der Ukraine füllen, 18 Tonnen hat er bereits eingekauft. Nudeln, Reis, Mehl, Zucker, Haferflocken und Speiseöl. 28.500 Euro musste er dafür bezahlt. Als er von einem Jahr 22 Tonnen Lebensmittel kaufte, beim selben Discounter und die selben Waren, waren es nur 18.000 Euro. Die Preise sind enorm gestiegen. Und die Spendenbereitschaft ist aus diesem Grund weniger geworden. Jörg Breddermann hofft, dass am Samstag viele beim Packen der Kartons helfen und sich auch finanziell beteiligen. Jeder so wie er kann.

120 Paletten Desinfektionsmittel

Mitte Februar will er wieder los. Angst hat er nicht, er setzt auf sein Gottvertrauen. Und seinen Instinkt. Den Wagen lässt er nicht aus den Augen, alles andere wäre zu gefährlich. Nur wer eingeweiht werden muss, erfährt, was er transportiert. Es geht nur über Straßen, die sicher und überhaupt noch passierbar sind. „Mein Glück ist, dass ich mich nicht so leicht aus der Ruhe bringen lasse.“

In der Ukraine werden die Hilfsgüter verteilt und in verschiedene Städte gebracht.
In der Ukraine werden die Hilfsgüter verteilt und in verschiedene Städte gebracht. © WP | Jörg Breddermann

Natürlich komme ihm der Gedanke, dass eine Bombe neben ihm einschlagen könnte. Aber er denkt nicht darüber nach. Er geht auch nicht mehr in den Keller, wenn die Sirenen ertönen. So wie die Menschen, die dort leben. Sie machen weiter. „Sie müssen weiter machen, damit sie überleben“. In den vergangenen Wochen hat er mehr Militär gesehen, Weizentransporter, Stau an den Grenzübergängen, einen Tieflader mit einem Panzer, amerikanische Flugzeuge und viel Zerstörung. Immer wieder müsse er zickzack fahren, um den Panzersperren zu entgehen. Der Krieg ist allgegenwärtig. Ebenso wie die Not.

12,50 Euro für ein Paket

Die Hilfsaktion für die Ukraine ist für Samstag, 4. Februar, ab 9 Uhr iim Gospel-Treff, Großer Markt 3, ab 9 Uhr geplant. Die Lebensmittel sind bereits gekauft und können vor Ort gepackt werden. Es stehen 3000 Kartons bereit. Der Kostenpunkt für ein Paket liegt bei 12,50 Euro.

Wem es zu anstrengend ist, selbst zu packen, bekommt Hilfe. Viele Ehrenamtliche stehen an dem Vormittag bereit.

Weitere Infos gibt es bei Rainer Breddermann (0163/4944295) und Jörg Breddermann (0171/7220311).

Matratzen, Sauerstoffgeräte und Fahrräder, sogar Fenster wurden gespendet. All das wird er mit auf seine nächste Tour nehmen. Besonders wichtig seien die 120 Paletten Desinfektionsmittel und die vielen Masken, die Jörg Breddermann bekommen hat. „Die können sie wenigstens aufsetzen, wenn sie sich um die Toten kümmern.“ Vor allem um ihre eigenen. Doch auch die Russen würden ihre Gefallenen längst nicht mehr mitnehmen, sagt der Gevelsberger. „Die Menschen in der Ukraine wissen nicht mehr wohin mit all den Leichen.“

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