Gevelsberg. Gevelsberger Innenstadt: Das Antiquariat von Rudolf Appelt und Uwe Sticht schließt. Das sind die Hintergründe.
Rudolf Appelt wollte immer so lange weiter machen, wie es geht, sein Antiquariat in der Gevelsberger Innenstadt am Leben halten. Am Sonntag wird er 96 Jahre alt. „Ich bin gestürzt, war im Krankenhaus und habe nicht mehr zurück gefunden“, sagt er am Telefon. Es geht nicht mehr. Im Februar wird das Antiquariat an der Mittelstraße für immer geschlossen.
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„Außer es meldet sich doch noch jemanden, der das Geschäft übernehmen möchte“, sagt Uwe Sticht. Rudolf Appelt und er haben das Antiquariat gemeinsam geführt – etwa 25 Jahre lang. Rudolf Appelt sei damals einfach in sein Buchgeschäft in Ennepetal gekommen und habe ihn gefragt, ob sie zusammen etwas machen sollen. Uwe Sticht sagte sofort ja, auch weil es in Ennepetal nicht gut lief. „Ich hatte ein Antiquariat, er war Buchhändler. Wir haben uns gut ergänzt.“ In Gevelsberg bliebe zwar am Ende des Monats etwas übrig, es reiche aber nicht mehr zum Lebensunterhalt, sagt Sticht. Bücher sind auch seine Leidenschaft, doch verkaufen will er sie nur noch über das Internet. „Ich habe im Inventarbestand und im Lager bestimmt 40.000 Bücher“, sagt er. An einen Laden gebunden sein, möchte er nicht mehr.
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Lange suchten sie nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin. Gefunden haben sie niemanden. Doch das Angebot der Beiden steht: „Wer den Laden übernimmt, bekommt das gesamte Inventar umsonst, außer den PC“, sagt Sticht und zeigt auf die vollgestopften Regale, die Bilder, all die Stapel Bücher, die entlang der Gänge stehen.
So viele Kunden wie an in diesen Tagen, seit auf roten Schildern die Geschäftsaufgabe angekündigt ist, waren schon lange nicht mehr im Antiquariat. 2,50 Euro für jedes Buch, egal wie groß, egal wie wertvoll es ist. Uwe Sticht sagt, und wer sich ein Buch trotzdem nicht leisten kann, der kann auch so eins mitnehmen. Bücher sollten für alle da sein. Viele kommen, um Rudolf Appelt zu sehen, sich zu verabschieden und Danke zu sagen. Weil er ihre Leidenschaft an Büchern entfach hat, weil er immer den richtigen Lesetipp hatte, und seit Jahrzehnten da war. Rudolf Appelt sagt, die schönste Zeit seines Lebens habe begonnen, als er 1956 nach Gevelsberg zog. Er heuerte bei Bücher Strathmann an, lernte seine spätere Frau Doris kennen, gründete eine Familie und machte sich mit seiner eigenen Buchhandlung Appelt selbstständig. Das war 1981. Im Ruhestand öffnete er das Antiquariat schräg gegenüber. „Buchhändler zu sein, war für mich immer mehr als ein Beruf. Es war Hobby“, sagt er. „Ich habe das sehr geliebt.“
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Doch mittlerweile sei es ok für ihn, dass er nicht mehr jeden Nachmittag im Laden steht. „Mir geht es wieder gut“, sagt er und „ich bin jetzt alt genug, um mich zur Ruhe zu setzen.“ An dem Tresen im Geschäft ist ein Foto von ihm zu sehen. Rudolf Appelt hat persönliche Zeilen verfasst, verabschiedet sich von den Kunden. Der Weg in den Laden an der Mittelstraße ist für ihn zu beschwerlich geworden. Die Zeit zu Hause nutzt der Ruheständler zum Lesen. „Ich brauche noch immer keine Brille“, sagt er und lacht. Und das mit fast 96 Jahren. Aktuell hat er Heinrich Gerlach „Die verratene Armee“ auf seinem Tisch liegen. Es geht um Stalingrad. Das Schicksal der jungen Männer, die alle dort ihr Leben verloren, lasse ihn nicht los, sagt er. Das Buch habe er mindestens schon zwei, dreimal gelesen. „Ich weiß, was Krieg bedeutet, und ich bin dankbar, dass ich es heil heraus geschafft habe.“
Öffnungszeiten
Das Antiquariat Appelt an der Mittelstraße 77 ist von Montag bis Freitag von 10 bis 15 Uhr geöffnet, Samstag von 10 bis 13 Uhr.
Wer sich für eine mögliche Nachfolge interessiert, kann sich gerne melden, auch telefonisch unter 02332/81241.
Das Online-Antiquariat von Uwe Sticht ist im Internet erreichbar unter: www.antiquariatsticht.de
Rudolf Appelt war als Soldat in der Normandie stationiert. „Wir waren mal zusammen dort und haben uns auf Spurensuche begeben“, sagt Uwe Sticht. Wenn der Laden in Gevelsberg aufgegeben ist, will er auch wieder mehr reisen. „Ich werde im Januar 60, möchte nach Irland, aufs Meer, Freiheit erleben.“ Der Hagener fühlt sich mit Gevelsberg verbunden, will bei der Büchermeile dabei sein und auch für die Kunden erreichbar bleiben. „Und wer etwas bestimmtes sucht, kann sich weiterhin gerne bei mir melden.“
Das Weihnachtsgeschäft will er noch mitnehmen, im Februar ist Schluss. Er muss oft erklären, warum das Antiquariat geschlossen wird. Viele seien traurig, würden ihre Geschichte erzählen, die sich mit Rudolf Appelt verbinden, dem Mann, der das Buch in das Leben vieler brachte. „Ich bin mit Leib und Seele Buchhändler und habe meine Entscheidung nie bereut“, sagt Rudolf Appelt. „Ich bedanke mich von Herzen für eine tolle Zeit.“