Gevelsberg. Pollenflug und Klimadaten genau im Blick: Warum Gevelsberger Heinrich Lippe für den deutschen Wetterdienst so wichtig ist.

Allergiker haben einen ganz besonderen Blick darauf, aber auch Landwirte und Gartenfreunde sind darauf angewiesen. Was blüht, wie weit ist die Natur? Der Deutsche Wetterdienst informiert tagtäglich. Die Daten dazu sammeln phänologische Beobachter wie Heinrich Lippe. Er schaut sich an, was in der Pflanzenwelt passiert und gibt die Infos weiter. Die erste blühende Hasel hat der Gevelsberger am 7. Januar entdeckt und gemeldet. Eigentlich wäre damit der Vorfrühling eingeläutet. Aktuell legt er eine Kältepause ein.

168 Beobachtungen im Jahr

„Schnee und Kälte haben die Natur zum Stillstand kommen lassen“, sagt Heinrich Lippe. Es wäre aber auch zu früh gewesen. Viel zu früh. Im langjährigen Mittel (1991-2020) ist die Hasel eigentlich erst Anfang Februar in der Blüte. Sie ist im Jahr übrigens die erste Pflanze, auf die der Gevelsberger achten muss. Wenn man die 30 Jahre davor betrachtet (1961 bis 1990), blühte die Hasel sogar erst Ende Februar.

„Wir können ganz klar erkennen, dass die Pflanzen immer früher dran sind“, sagt Anja Engels vom Deutschen Wetterdienst. Bei ihr kommen die Daten an, die Heinrich Lippe für den Deutschen Wetterdienst sammelt. Sie ist Ansprechpartnerin für die 1100 phänologischen Beobachter, die sich die Entwicklung der Pflanzen im Jahresverlauf anschauen.

Woher Heinrich Lippe weiß, worauf er zu achten hat? „Dieses Buch hier“, sagt er und zeigt auf das Heft auf seinem Tisch, „da steht alles drin.“ Es ist eine Art Tagebuch, das ihm der Deutsche Wetterdienst schickt und in der die Pflanzen aufgelistet werden, die sich in den jeweiligen Jahreszeiten blicken lassen. Hier gibt es nicht vier Jahreszeiten, sondern zehn (siehe Grafik).

Das sind die Phänologischen Jahreszeite.
Das sind die Phänologischen Jahreszeite. © funkegrafik nrw | Anda Sinn

Die Hasel-Blüte markiert eigentlich das Ende des Winters und steht für den Vorfrühling. Heinrich Lippe erklärt, dass es dann weiter gehe mit den Schneeglöckchen, „sie sind schon fasst da, aber der Schnee hat sie ausgebremst“. Schwarzerle, Huflattich, „die sieht aus wie Löwenzahn und hat bis zu vier Meter lange Wurzeln“, Kornelkirsche, Sal-Weide „das ist der Kätzchenbaum“. Wenn die Forsythie ihre gelben Blüten öffnet, dann ist der sogenannte Erstfrühling eingeläutet. Und so geht es immer weiter.

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„Im Januar habe ich nicht so viel zu tun“, sagt er. Und täglich müsse er auch nicht raus, zum Glück bei diesen Temperaturen, aber im Mai, da beginnt die Hochzeit. „Da gibt es sehr viel zu gucken. Man muss schon Zeit und Lust haben, sowas zu tun“, sagt er. Und wissen, dass es so etwas überhaupt gibt. In unserer Zeitung hat er von den phänologischen Beobachtern das erste Mal gehört und sich beim Deutschen Wetterdienst gemeldet. Das war vor sieben Jahren. Es ist ein Ehrenamt, das besonders viel Einsatz verlangt und Wissen. Kein Problem für den Gevelsberger. Die Großeltern hatten einen Bauernhof, er war immer irgendwie draußen. Und was er nicht kennt, steht in seinem schlauen Heft.

Wichtige Daten

Seit 1951 engagieren sich Naturfreunde in Deutschland beim Deutschen Wetterdienst als phänologische Beobachter. Die Daten werden nach Eingang wissenschaftlich geprüft und über das Climate Data Center des DWD kostenfrei der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Unter www.dwd.de

Die gewonnenen Daten eignen sich für die Klimaforschung, Agrar- und Forstwirtschaft, Geografie, Beratung der Landwirtschaft und den Polleninformationsdienst für Allergiker.

Er muss mehrere Dutzend wildwachsende Pflanzen im Blick behalten, Obst, Wein und die Landwirtschaft. „Insgesamt können in einem Jahr 168 Beobachtungen notiert werden“, erklärt Anja Engels. Aber auch Meldungen über Eichenprozessionsspinner setzt Heinrich Lippe ab, außerdem kümmert er sich um die Wetterstation des Deutschen Wetterdienstes in Gevelsberg.

„Mir macht das Spaß“, sagt der 68-Jährige, schon als Kind hatte er sich für das Wetter informiert. Und als der Ruhestand kam, hatte er auch die Zeit dafür. Die Messstation des Wetterdienstes in Oberbröking meldet zwar Temperatur und Niederschlagsmenge vollautomatisch, aber nachschauen, ob alles läuft, muss Heinrich Lippe dennoch. Vor allem wenn Schnee liegt, der die Sensoren stören kann. In dieser Zeit hat er als phänologischer Beobachter, zum Glück, kaum was zu tun.

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„Es ist schwer Ehrenamtliche dafür zu finden“, sagt Anja Engels vom Wetterdienst. Dabei seien die Ergebnisse so wichtig und würden zeigen, wie das Wetter sich entwickelt und mit welchen Pollen gerade zu rechnen sind. Für Allergiker eine entscheidende Information. Und für Gärtner und Landwirte. „Wir haben Obst und Gemüse hier selbst angebaut“, sagt Heinrich Lippe. Die Klimadaten sind wichtig, um zu wissen, wann am bestehen gesät, wann geerntet werden soll. Dann kam das Hochwasser 2021 und der gute Boden wurde weggeschwemmt, sagt der Gevelsberger.

Wichtig für Pollenflugvorhersage

Jetzt beschränkt er sich nur noch auf die Beobachtung. Auf dem Golfplatz in Berge sei viel zu sehen, auf den Feldern der Bauern, in einem Umkreis von fünf Kilometern rund um sein Haus an der Vogelsanger Straße. Heinrich Lippe, weiß wo was steht. Und was es bedeutet.

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Seine liebste Beobachtung: „Wenn die Heuernte beginnt, dann wird richtig Sommer.“ Im vergangenen Jahr hat er den 10. Juni im Heft des Wetterdienstes notiert. Phänologisch betrachtet, beginnt dann der Hochsommer. Wenn die schwarzen Früchte des Holunders reif sind, dann ist schon wieder Herbst. „Das ist oft bereits im August“, sagt er. Und wann beginnt der phänologische Winter? Dafür müssen drei Dinge passieren, erklärt Heinrich Lippe: Die Eiche muss ihre Blätter verlieren, die Früchte des Boskop-Apfel sind reif und die Lärche wirft ihre Nadeln ab. Dann hat auch der Gevelsberger erst einmal Winterpause. So wie jetzt. Bis die Wärme zurück kehrt. Die Schneeglöckchen warten nur darauf.