Schwelm. Für einen neuen Radweg zwischen Gevelsberg und Schwelm spielt der Schwelmer Tunnel die zentrale Rolle. Bei dessen Bau gab es einst ein Unglück.
Bald soll der neue Radweg „Unter dem Karst“ zwischen Gevelsberg und Schwelm eröffnet werden. Eine ganz zentrale Rolle spielt dabei der Schwelmer Tunnel, der nicht nur als alternativer Verkehrsweg, sondern auch als „Archiv der Erdgeschichte“ von besonderem Wert ist. Das bevorstehende neue Kapitel der Tunnelgeschichte hat der Eigentümer Stefan Voigt zum Anlass genommen, ein umfangreiches Heft über den „Schwelmer Tunnel“ zu erstellen. Untertitel: „Herausforderung und Chance für die Höhlenforschung“. Die Recherchen förderten nicht zuletzt ein schweres Unglück zu Tage, das sich beim Tunnelbau ereignet hatte.
Neun Arbeiter starben, als am 27. Juni 1878 die noch nicht ausgemauerte Röhre einstürzte. Vermutlich war damals durch Sprengarbeiten eine Lehm- und Steinfüllung aus einem großen Hohlraum im Kalkstein durch den Holzverbau von oben in den Tunnel abgerutscht. Außerdem fielen in jener Zeit viele Brunnen in der Umgebung trocken, weil das Wasser zum Tunnel hin ablief. Ein Prozess, den die Stadt Schwelm und die Grundstückseigentümer damals gegen die Rheinische Eisenbahngesellschaft als Bauherrin des Tunnels anstrengte, endete ohne Urteil. Die Gesellschaft hatte offenbar den Prozess über Jahre in die Länge gezogen, bis der Gegenseite in finanzieller Hinsicht die Luft ausging. Lothar Kruse, Mitglied des Arbeitskreises Kluterthöhle und Verfasser zahlreicher Schriften zur Geologie in der Region, trug diese historischen Begebenheiten unter anderem im Schwelmer Stadtarchiv für das Heft zusammen. Im Staatsarchiv in Duisburg seien leider keine Bauakten mehr vorhanden gewesen, berichtet Stefan Voigt.
Voigt, Vorsitzender des Arbeitskreises Kluterthöhle, leidenschaftlicher Höhlenforscher und engagierter Naturschützer, hatte den Tunnel 2016 mit seinem Garten- und Landschaftsbauunternehmen erworben. „Wenn wir den nicht gekauft hätten, hätte die Bahn ihn zugemacht“, meint er. Doch Voigt sicherte den Tunnel, der tiefe und ungestörte Einblicke in die geologische Beschaffenheit der Schwelmer und der Linderhauser Mulde ermöglicht.
Der Arbeitskreis Kluterthöhle war schon seit 1982 in dem Bereich aktiv – und das obwohl bis Anfang der 1990er Jahre noch Güterverkehr durch den Tunnel rollte – und hatte im Laufe der Jahre mehrere kleine Höhlen vom Tunnel ausgehend entdeckt und erforscht. Inzwischen sind es neun bekannte Höhlen. 1993 wurde die Bahnstrecke im südlichen Einschnitt vor der Tunnelöffnung verschüttet, als ein großer Teil der Felsböschung abrutschte. Seitdem ruhte der Betrieb.
Nachdem die Voigt GmbH den Tunnel erworben hatte, nahmen der Ennepe-Ruhr-Kreis, der Geopark Ruhrgebiet und die Stadt Schwelm Kontakt mit Stefan Voigt auf. Gemeinsam mit dem Ingenieurbüro Ahlenberg entwickelten sie den Radweg „Unter dem Karst“, der auf einer Länge von 3,5 Kilometern zwischen dem Gevelsberger Bahnhof West und der Haßlinghauser Straße in Schwelm angelegt werden sollte. Herzstück: der 742 Meter lange Schwelmer Tunnel.
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Nicht zuletzt mit Hilfe von Fördermitteln wurde das Projekt realisiert. Einerseits soll die Strecke den Radverkehr zwischen den Städten beleben, zum anderen verfolgen die Beteiligten das Ziel, den geologischen Wert insbesondere des Tunnels herauszustellen. „Meine Bedingung war: Die Felsen bleiben frei“, erklärt Stefan Voigt. Kein Netz – außer an der Stelle, an der die Böschung abrutschte – verdeckt die Aufschlüsse, die die verschiedenen Gesteinsschichten sichtbar machen. Vom Rotschiefer über die so genannten Honselschichten, über Ton bis hin zum Riffkalk lässt sich der für die Region charakteristische Aufbau stellenweise nahezu idealtypisch nachvollziehen. „Sogar die Uni Bochum macht Exkursionen zum Schwelmer Tunnel, weil sich die Schichten hier so gut erkennen lassen, ganz ohne Störungen“, so Voigt. Auch Bachelor- und Masterarbeiten hätten sich dem Bereich bereits gewidmet.
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Stefan Voigt stellt in dem Heft neben der Geschichte des Tunnels die bisherigen Forschungsergebnisse dar. Darüber hinaus sind sämtliche Infotafeln des Geoparks Ruhrgebiet abgebildet, die im Bereich des Schwelmer Tunnels die geologischen Phänomene erläutern. Wenn der Radweg „unter dem Karst“ dann endlich befahren werden kann, steht allen das Fenster zur Erdgeschichte offen.
„Der Schwelmer Tunnel. Herausforderung und Chance für die Höhlenforschung“ ist als Beiheft Nr. 4 zur Zeitschrift „Der Antiberg“, herausgegeben vom Arbeitskreis Kluterthöhle (AKKH) und von der Arbeitsgemeinschaft Höhle und Karst Sauerland / Hemer, erschienen. Erhältlich ist es über den AKKH per E-Mail an vertrieb@akkh.de