Ennepetal. Knapp 300.000 Corona-Impfungen wurden im Impfzentrum Ennepetal gesetzt. An diesem 2. Dezember ist der letzte Tag. Dabei ist vieles so wie früher.

Es ist fast ein bisschen so wie früher. Als die Menschen vor der Tür des Impfzentrums in Ennepetal standen. Geduldig warteten, um an den begehrten Piks zu kommen. Heute, fast zweieinhalb Jahre später, ist die Schlange nicht mehr ganz so lang wie damals, aber so lang wie schon lange nicht mehr. Es ist der letzte Tag im Impfzentrum und der Andrang ist groß. Ein letztes Mal.

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Walter Figge ist aus Hattingen gekommen und der erste in der Schlange. Drei Impfungen hat er schon in Ennepetal erhalten, jetzt will er sich auch seine vierte abholen. „Ich hatte keine Lust zum Arzt zu gehen“, sagt er, außerdem sei hier alles immer unkompliziert gewesen. Und das war es auch an diesem Tag. 57 Menschen haben für den 2. Dezember einen Termin gemacht, viele kommen spontan vorbei. 132 Impflinge waren es am Mittwoch. 132 müssen es sein, damit die 70.000-Marke geknackt wird. „Wir wussten nie, wie sich der Tag entwickelt“, sagt Teamkoordinatorin Christina Limpert. Oder welche Überraschungen er parat hat. Wie an dem Tag, als ein Radiosender verkündete, dass es noch Impfstoff gebe und man einfach vorbei kommen könne. Das Impfzentrum in Essen war eigentlich gemeint, doch viele kamen nach Ennepetal. „Wir haben immer versucht alles möglich zu machen, keine Impfungen zu verhindern“ erklärt Christian Füllers, der Leitende Impfarzt im Ennepe-Ruhr-Kreis. Doch wenn es nicht ausreichend Impfstoff gab, dann musste man auch Menschen leider ohne Impfung nach Hause schicken. Wie die 100 Jahre alte Dame, die das Pech hatte, dass an diesem Tag durch einen Systemfehler doppelt gebucht wurde. „Als sie wiederkam hat die Security ihr einen Blumenstrauß geschenkt, weil es den Kollegen so nah ging, sie wegzuschicken“, erzählt Limpert. Der älteste Impfling in Ennepetal war übrigens 101.

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Heute muss niemand weggeschickt werden. Der Wartebereich füllt sich. Als nächstes ist Christel Eckstädt dran. Es ist auch ihre vierte Impfung. Sabine Soest setzt die Spritze an. Eigentlich ist sie beim Rettungsdienst. Sie ist dankbar, dass sie im Impfzentrum mithelfen kann. Warum sie seit Anfang 2021 dabei ist? „Wenn ich zu den Patienten komme, die Corona haben, dann kann ich nicht mehr viel tun. Aber hier kann ich dabei helfen, dass sich die Menschen schützen, damit sie nicht so krank werden, nicht auf der Intensivstation landen.“ Nachdem der Impfstoff in den Oberarm gejagt ist, klebt sie ein Pflaster mit Marienkäfermotiv auf.

Sabine Soest gibt Christel Eckstädt ihre vierte Corona-Schutz-Impfung.
Sabine Soest gibt Christel Eckstädt ihre vierte Corona-Schutz-Impfung. © WP | Carmen Thomaschewski

Christel Eckstädt zieht sich den Pullover wieder an und ist froh, dass sie rechtzeitig wieder fit geworden ist, sie hatte eine Erkältung. „Ich wollte wieder hierhin, weil hier alles immer so reibungslos läuft.“ Als der Impfpass ausgefüllt ist, setzt sie sich in einen Ruhebereich. Erich Marinowski stellt den Wecker auf 15 Minuten. Das ist die empfohlene Zeit, die man nach einer Impfung warten sollte, um auf mögliche Impfreaktionen reagieren zu können. Der Mann mit der DRK-Weste hat ein Auge auf alle frisch Geimpften. Vor der Pandemie war er Rentner. Kurz nachdem das Impfzentrum im Februar 2021 öffnete, wurde er zum Kümmerer. „Meine Tochter sagte, die brauchen Leute, mach das, Du quatscht doch so gerne.“ Und das ist auch jetzt sein Job. Er geht zum Tisch, wo Dirk Müller sitzt, fragt ihm, wie es ihm geht. Der Ennepetaler war der erste, der an diesem letzten Tag seine Impfung erhalten hat. Auch er ist nun das vierte Mal hier. „Vielleicht war es ja nicht das letzte Mal, wer weiß, wie sich alles entwickelt“, sagt er. Nachdem der Wecker auf seinem Tisch geklingelt hat, kann er gehen.

Links im Bild der Kümmerer Erich Marinowski, rechts Impfling Dirk Müller.
Links im Bild der Kümmerer Erich Marinowski, rechts Impfling Dirk Müller. © WP | Carmen Thomaschewski

„Die erste, die hier im Impfzentrum umgekippt ist, war eine Putzfrau“, erzählt Jana Ramme vom Krisenstab des Ennepe-Ruhr-Kreises. Sie sei unterzuckert gewesen. „Meist waren es aber junge Leute, die zu wenig gegessen und getrunken hatten, die Probleme mit dem Kreislauf bekamen. Für die gab es dann Traubenzucker und Cola. Die sind schon blass aus der Impfkabine gekommen“, sagt Erich Marinowski.

An diesem Freitag ist nur eine Impfstraße geöffnet, in Hochzeiten waren es fünf. Zur Eröffnung am 8. Februar 2021 waren es nur zwei, weil es nicht mehr Impfdosen gab. Damals waren die Über-80-Jährigen die ersten, die dran waren. „Ich hätte nie gedacht, dass überhaupt jemand kommt“, erinnert sich Christian Füllers an den ersten Tag. Ein massiver Schneeeinbruch kam über Nacht, es war eisglatt. Bis auf vier Menschen hielten alle ihre Termine ein. „Dafür, dass wir alles mal eben so machen mussten, haben wir das gut geschafft. Irgendwie“, sagt Jana Ramme und lacht. Trotz der kurzfristigen und praxisfernen Aufgaben und Erlasse der Landesregierung, trotz der vielen Schwierigkeiten, ergänzt Christian Füllers und erinnert an das Impf-Drive-in an der Dreifachturnhalle in Schwelm. „Das THW hat abends um 20 Uhr mit dem Aufbau begonnen, morgens um 10 war es fertig. Das war gigantisch.“ Was er niemals vergessen wird? „Das tolle Team und den Zusammenhalt“ sagt er. Das habe all das möglich gemacht.

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Auch Landrat Olaf Schade bedankt sich bei all den Helferinnen und Helfern, die einen riesigen Beitrag geleistet hätten, das Impfgeschehen im Ennepe-Ruhr-Kreis so voranzutreiben. Jetzt steht der Impfbus neben dem Impfzentrum, die letzte Fahrt war am Samstag. „Gut, dass das jetzt vorbei ist“, sagt Füllers. Jetzt sind andere dran. Heute Abend wird Abschied gefeiert. Dann wird alles abgebaut und der ehemalige Aldi-Markt wieder leer gezogen. Die Stellwände, aus denen die Impfstraßen und Kabinen gebaut wurden, werden vorsichtshalber eingelagert, erklärt Jana Ramme. „Wer weiß, ob wir die nicht doch vielleicht wieder brauchen. Nur für alle Fälle.“