Schwelm. Der 19-jährige Ben Boßhammer will die Entscheidungen des Schwelmer Stadtrats verfolgen. So fällt sein Fazit nach vier Stunden Lokalpolitik aus.

Seine Augen wandern einmal durch den großen Raum, als Ben Boßhammer den Sitzungssaal des Schwelmer Rathauses betritt, in dem kurz vor Sitzungsbeginn die Politiker zu ihren Plätzen schlendern und sich unterhalten. „Wo darf ich mich denn hinsetzen? Ich bin Zuschauer“, fragt der hoch gewachsene junge Mann, der nebenbei fallen lässt, dass er erst 19 Jahre alt ist. Was bitteschön veranlasst einen so jungen Menschen dazu, sich an einem Donnerstagabend in die Niederungen der Schwelmer Lokalpolitik hinab zu begeben? Und: Wie fällt sein Fazit dreieinhalb Stunden später dazu eigentlich aus?

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Seine erste Beobachtung: „Ich hätte nicht gedacht, dass der Altersdurchschnitt so hoch ist.“ Seine erste Bilanz: „Das war spannend zu beobachten, manchmal etwas zäh und anstrengend, aber prinzipiell habe ich auch jetzt noch Lust, mich vielleicht selbst einmal politisch zu engagieren.“ Ben Boßhammer hat es quasi beruflich in die Lokalpolitik seiner Heimatstadt verschlagen. Seit dem 1. September studiert er an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung in Hagen, seinen praktischen Ausbildungsteil wird er in der Verwaltung des Ennepe-Ruhr-Kreises absolvieren. „Ich habe im Zuge dessen darüber nachgedacht, dass ich viel von der Bundes- oder auch der Landespolitik mitbekomme, aber gar keine Ahnung davon habe, was vor meiner eigenen Haustür so geplant und entschieden wird“, sagt der Linderhausener.

Nicht nur beschweren

Sein Professer machte ihn darauf aufmerksam, dass sie Sitzungen der Stadträte öffentlich sind. Ben Boßhammer beschäftigt sich mit dem Thema intensiver, macht sich Gedanken zu gesellschaftlichen Entwicklungen und kommt zu dem Schluss: „Wir können uns alle supergut beschweren, aber niemand sieht sich selbst in der Verantwortung, an den Umständen, die uns stören, etwas zu ändern“, sagt er auch über sich selbst. Um etwas zu bewegen, sieht sich der junge Schwelmer, der im Jahr 2021 Abitur in Gevelsberg gemacht hat und anschließend einen Bundesfreiwilligendienst bei den Johannitern absolvierte, in der Pflicht, sich zu informieren.

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Folge: Zehn Tage nach seinem Gespräch mit dem Professor sitzt er im Schwelmer Rathaus und lauscht den intensiven Diskussionen, den Beiträgen der Politik, den Mitteilungen von Bürgermeister Stephan Langhard und seiner Verwaltungsspitze. „So ganz habe ich nicht durchblickt, wer denn jetzt zu welcher Partei gehört. Es war auch viel politische Rederei ohne echten Inhalt. Im Gedächtnis geblieben ist mir Herr Feldmann“, sagt Ben Boßhammer. Jürgen Feldmann ist Chef der Schwelmer Linken und hatte mit süffisanten Spitzen in Richtung der Verwaltung und der anderen Fraktionen nicht gespart während der Sitzung. „Ich habe schon wahrgenommen, dass die Parteien durchaus gegeneinander gekämpft haben.“

Fast 30 Tagesordnungspunkte

Und was ist dem Neuling als Polit-Beobachter nach fast 30 Punkten auf der öffentlichen Tagesordnung am meisten im Gedächtnis geblieben? „Dass der Vorsitzende der FDP klar gestellt hat, dass der positive Haushalt mit seinem Jahresüberschuss Schulden für die kommenden Generationen bedeutet. Das Thema fand ich total spannend. Ebenso die Pläne für den Schwelmer Einzelhandel.“ Er fühle sich nun besser informiert, vollumfänglich verstanden habe er aber bei Weitem nicht, was dort alles passiert sei. Vor allem die Themen, die ohne Diskussionen abgestimmt worden sind.

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„Ich hatte im Vorfeld auch nicht die Zeit, mich in alle Themen einzulesen“, sagt der 19-Jährige, bei dem gleichwohl das Verständnis dafür gewachsen ist, warum Dinge eben nicht alle so einfach und schnell funktionieren, wie sich das ein mancher wünscht: „Ich hatte mir ja noch nie Gedanken über Vergaberecht gemacht, deshalb war das schon ein Aha-Erlebnis, wie es mit dem Rathausbau weitergeht, nachdem der Elektriker in die Insolvenz gegangen ist. Da kann ja keiner etwas für, dass sich das verzögert.“

Eventuell Stammgast

Er hat sich vorgenommen, künftig öfter bei politischen Sitzungen ins Schwelmer Rathaus zu gehen – rein beruflich wird er mit Start seiner Praxisphase auch mit Sicherheit Einblicke in die Arbeit des Kreistags und seiner Ausschüsse erhalten. Und vielleicht will sich Ben Boßhammer auch bald selbst politisch engagieren. „Aber auch da muss ich erstmal schauen, mit wem ich die größte Schnittmenge habe“, sagt er. Eine einzige Ratssitzung reiche da für die Entscheidung nicht aus. Beim nächsten Mal weiß er zumindest schon einmal ganz genau, wo die Plätze für die interessierten Zuhörer wie ihn sind.

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